Die Leere des Kirchentags

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Während des Abschlussgottesdienstes im Westfalenstadion

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Mit einem Abschlussgottesdienst im halbleeren Westfalenstadion ging der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund am Sonntag zu Ende. Trotz angeblich hoher Besucherzahlen waren während des öffentlich subventionierten Glaubensfestes auch die Innenstadtbühnen kaum besucht.

Kurz vor Ende des Evangelischen Kirchentags in Dortmund ließ der Veranstalter verlauten, dass mehr Besucher als erwartet das christliche Glaubensfest besucht hätten – eine Meldung, die unhinterfragt von vielen Medien übernommen und verbreitet wurde. Überhaupt konnte man durch die Medienberichterstattung den Eindruck gewinnen, die Stadt Dortmund platze aus allen Nähten.

Wer sich jedoch in der vergangenen Woche in Dortmund aufhielt, weiß, dass das nicht stimmt. Sicher, zu den einheimischen Einkaufsbummlern am Brückentagswochenende kamen in der Fußgängerzone der Innenstadt und den Gastronomien an zentralen Plätzen auch die Kirchentagsbesucher, so dass es hier gut gefüllt war. Doch vor den riesigen Innenstadtbühnen des Kirchentags auf dem Friedens- und dem Hansaplatz herrschte meist gähnende Leere. Abgesehen von jenen Zeiten, zu denen dort die Top-Events stattfanden. Konzerte mit bekannten Stars, ohne Eintritt zahlen zu müssen – wer möchte sich das schon entgehen lassen?

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Großbühne des Kirchentags auf dem Friedensplatz während eines Konzerts. (© Daniela Wakonigg)

Das Großmachen von Kirchentagen hat Tradition. Als das Event am vergangenen Mittwochabend mit dem Eröffnungsgottesdienst begann, war von den Polizisten auf der Straße zu hören, dass die Sicherheitskräfte an jenem Abend mit 200.000 Menschen in der Innenstadt rechneten.

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Beim Eröffnungsgottesdienst ist der Hansaplatz von einer Überfüllung weit entfernt. (© Daniela Wakonigg)

Tatsächlich kamen zum Eröffnungsgottesdienst an der Hauptbühne am Ostentor jedoch gerade mal 25.000 Menschen. Parallel fanden auch Eröffnungsgottesdienste auf den Bühnen am Friedens- und Hansaplatz mit einigen Tausend Menschen statt, doch auch diese Plätze waren während des Gottesdienstes von einer Überfüllung weit entfernt. Es ist offensichtlich, dass Veranstalter und Sicherheitskräfte die Anzahl der Teilnehmer massiv überschätzt haben, denn aus logistischen Gründen wäre es bei dieser Teilnehmerzahl nicht nötig gewesen, den Gottesdienst auf drei Bühnen zu verteilen.

Vor allem wäre es nicht nötig gewesen, für viel Geld eine Bühne am Ostentor zu errichten, wodurch eine einwöchige Sperrung des Ostwalls entstand – der östliche Teil des Innenstadtrings und eine zentrale Verkehrsachse. Eine Sperrung, die für völlig unnötiges Chaos sorgte, denn im Übrigen herrschte in der Stadt kein außergewöhnlicher Verkehr – in den Innenstadtparkhäusern standen an jedem Tag und zu jeder Uhrzeit jede Menge leere Plätze zur Verfügung.

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Der Hansaplatz wenige Minuten vor Beginn des Eröffnungsgottesdienstes. (© Daniela Wakonigg)

Apropos "leere Plätze". Von denen gab es auch jede Menge beim Abschlussgottesdienst am Sonntagvormittag. Auch hier wurden die Teilnehmerzahlen im Vorfeld offenbar massiv überschätzt. So sehr, dass man es für nötig hielt, den Abschlussgottesdienst an zwei Orten gleichzeitig stattfinden zu lassen: Im Westfalenstadion des BVB und im angrenzenden Westfalenpark. Das Stadion bietet 81.365 Zuschauerplätze, davon 66.099 Sitzplätze. Doch das Stadion war mehr als halbleer. Gekommen waren zum Abschlussgottesdienst im Stadion nur 32.000 Menschen, zu jenem im Westfalenpark 5.000. Auch hier wäre ein einziger Veranstaltungsort also mehr als ausreichend gewesen und hätte dem Steuerzahler viel Geld gespart, denn die Kosten für die Sicherung der Veranstaltungsorte durch die Polizei trägt selbstverständlich die öffentliche Hand – zusätzlich zu den mindestens 7,8 Millionen Euro öffentlicher Gelder, mit denen dieser Kirchentag bereits subventioniert wurde.

Doch wie kommt es nun angesichts der überall greifbaren Leere auf dem Kirchentag zu der Meldung, dass mehr Menschen den Kirchentag besucht hätten als erwartet? Als der Verkauf von Dauerkarten im Vorfeld des Events eher schleppend anlief, hatte der Kirchentagsveranstalter öffentlich kommuniziert, dass er mit 80.000 Dauerkarten- und 38.000 Tageskartenbesitzern rechne, also insgesamt 118.000 Besuchern. Als sich das Event dem Ende näherte, stellte sich heraus, dass 3.000 Tageskarten mehr als prognostiziert ausgegeben wurden. Geschickte PRler machten daraus die Meldung, dass mehr Menschen als erwartet den Kirchentag besucht hätten. Eine Meldung, die nicht wenige Medien unhinterfragt übernahmen. Selbstverständlich hätte bei einer Abweichung gegenüber der Prognose von 3.000 Teilnehmern nach unten niemand getitelt, dass der Kirchentag weniger Besucher als erwartet hatte. Nicht einmal der hpd, denn eine Abweichung dieses Umfangs der Wirklichkeit von einer Schätzung hat kaum statistische Aussagekraft.

Doch wo zum Teufel, möchte man fragen, haben sich diese 121.000 offiziellen Teilnehmer des Kirchentags herumgetrieben? Nur knapp ein Drittel von ihnen besucht die spirituellen Highlights des Glaubensfestes, den Eröffnungs- und den Abschlussgottesdienst? Beim Evangelischen Kirchentag in Stuttgart 2015 mit 97.000 Dauer- und 30.000 Tageskartenbesitzern waren 95.000 Menschen zum Schlussgottesdienst gekommen.

Woran das liegt, darüber lässt sich nur spekulieren. Vielleicht hat der Rückgang der Gottesdienstbesucher damit zu tun, dass viele Kartenbesitzer gar nicht ernsthaft am Glauben interessiert sind. Denn nicht jeder Besitzer einer solchen Karte ist aus tiefer religiöser Überzeugung vor Ort. Gerade die unzähligen Schul- und Jugendgruppen, die beispielsweise für einen Gesangs-Auftritt zum Kirchentag transportiert werden, erhalten verbilligte Dauer- oder Tageskarten für den Kirchentag, betrachten das Event jedoch eher unter einem Schulausflugs-Happening-Charakter als unter religiösen Aspekten.

Warum auch immer die Zahlen zurückgehen, es ist ein unbestreitbarer Fakt, dass sie es tun. Und es wäre mehr als wünschenswert, dass dieser Fakt von der öffentlichen Hand endlich wahrgenommen und die Subventionen für Kirchentage abgeschafft oder wenigstens massiv zurückgefahren werden. Allein die Stadt Dortmund hätte Millionen sparen können, wenn die Anzahl der Bühnen in der Innenstadt einem realistisch ermittelten tatsächlichen Bedarf statt den im Vorfeld geäußerten Fantasiezahlen des Kirchentagsveranstalters angepasst worden wäre.