Rezension

Die Logik terroristischer Anschläge

Die beiden Sozialwissenschaftler Michael Fischer und Robert Pelzer legen mit "Die Logik des Anschlags. Zur Zielwahl dschihadistischer Terroristen in Europa" auf Basis von Fallstudien und einem Planspielverfahren eine Analyse zum Thema vor. Dabei nehmen sie auch eine für die Präventionsarbeit bedeutsame Perspektive ein, die nicht mehr nach den Gründen für den Gewaltakt an sich, sondern nach dessen konkreter Umsetzung fragt.

Blickt man auf die Forschung zum Terrorismus, so lässt sich dort als Schwerpunkt die Ursachenanalyse ausmachen. Das Erkenntnisinteresse lautet dabei: Warum werden politisch motivierte Gewalttaten von bestimmten Personen begangen? Demgegenüber fand in der Forschung die genaue Tatplanung weniger Aufmerksamkeit. Hier würde die Fragestellung lauten: Warum wählen Akteure einen bestimmten Modus Operandi? Welche Anschlagsmittel und welche Anschlagsziele werden aus welchen Gründen ausgewählt? Einen darauf bezogenen Perspektivwechsel wollen die beiden Forscher Michael Fischer und Robert Pelzer in ihrer Studie "Die Logik des Anschlags. Zur Zielwahl dschihadistischer Terroristen in Europa" vornehmen. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass auch die Anschlagspläne im Detail einer Logik der sozialen Kontrolle entsprechen. Ihre Analyse konzentriert sich aber auf eine besondere Form des Terrorismus, nämlich den islamistischen, und dabei noch dazu auf die in Europa operierenden Kleingruppen, also Zellenstrukturen.

Um dafür die Anschlagslogik zu untersuchen, nehmen Fischer und Pelzer Fallstudien vor, arbeiten aber auch mit einem Planspiel. Bevor sie zu den Kernbestandteilen ihrer Studie kommen, werden methodische Fragen erörtert. Dazu gehört eine Auseinandersetzung mit dem von C. J. M. Drake entwickelten Zielwahlmodell ebenso wie mit dem Paradigmenstreit über den Charakter des dschihadistischen Terrorismus. Erst danach wird das Design ihrer quantitativen Untersuchung mit Informationen zur Repräsentativität oder zum Stichprobenumfang präsentiert. Als erklärte Absicht formulieren die Autoren, man wolle "einerseits Terrorismustheorie und Fragen der Ziel- und Mittelwahl und andererseits verschiedene Handlungsdimensionen der Logik der Anschlagsplanung in einer einheitlichen Perspektive ... integrieren ohne a priori von einer Dominanz politischer Zweckrationalität auszugehen" (S. 61). Der Ausgangspunkt dafür ist die Deutung des Terrorismus als einer Form sozialer Kontrolle, was auch auf den Anschlag als Praxis bezogen wird.

Da es eben an einem Einblick in die internen Abläufe bei der Entscheidung zugunsten derartiger Gewaltakte mangelt, nähern sich die Autoren ihrem Erkenntnisinteresse über ein Planspielverfahren. Bezogen auf die Anschlagsplanung soll hierdurch eine Rekonstruktion möglich werden. Erst danach geht es um eine detaillierte Auswertung realer Fälle, wobei diesen Ausführungen einige Betrachtungen zum Bewährungsgedanken bei den Gewaltakteuren vorausgehen. Dem schließt sich die detaillierte Analyse von Fritz Gelowicz und Adem Yilmaz von der "Sauerlandgruppe" mit ihren geplanten Sprengstoffanschlägen von 2007, der versuchten Tötung eines britischen Parlamentsabgeordneten durch Roshonara Choudhry von 2010 und der Ermordung eines britischen Soldaten durch das "Konvertiten"-Duo Michael Oluwatobi Adebowale und Michael Olumide Adelbolajo von 2013 an. Als Bilanz heißt es: "Die Strukturlogik des Anschlags ist fundamental expressiv und normenreguliert" (S. 495). Die Logik sei kongruent mit der Mittel- und Zielwahl.

Fischer und Pelzer haben wichtige Innovationen allein schon durch ihren Perspektivwechsel für die Terrorismusforschung vorgenommen. Der Frage nach den Gründen für die genaue Planung kommt bei der Präventionsarbeit ein herausragender Stellenwert zu. Ihre Analyse ist stringent angelegt und fragt detailliert nach den Bedingungsfaktoren. In der Kombination dieser beiden Punkte liegen denn auch die Stärken. Bezogen auf die Ergebnisse muss indessen vor Verallgemeinerungen gewarnt werden. Denn die Erkenntnisse beziehen sich nicht nur auf einen Bereich des Terrorismus, sondern ebendort lediglich auf den "Homegrown"-Djihadismus in Europa. Eine zukünftige Forschung könnte hier Vergleiche anstellen. Aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden lassen sich dann wichtige Wissensbestände ableiten. So nachvollziehbar die Arbeit der Autoren mit einem Planungsspielverfahren ist, so muss dabei aber auch die Gefahr einer allzu starken Rationalisierung von Tatverläufen gesehen werden. Insgesamt handelt es sich gleichwohl um eine anregende und innovative Studie.

Michael Fischer/Robert Pelzer, Die Logik des Anschlags. Zur Zielwahl dschihadistischer Terroristen in Europa, Frankfurt/M. 2016 (Campus-Verlag), 578 S., 39.35 Euro