Missbrauchsskandale an Religionsschulen in Pakistan

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In der Abgeschiedenheit der pakistanischen Berge wird selten kontrolliert.
In der Abgeschiedenheit der pakistanischen Berge wird selten kontrolliert.

Auf Farsi (persisch) bedeutet "Pakistan" so viel wie das "Land der Reinen". Doch die vielen Missbrauchsskandale zeigen, dass das massive Problem von Geistlichen, die sich an Minderjährigen vergehen, ohne Ausnahmen ein globales zu sein scheint. Insbesondere Religionsschulen, die sich der staatlichen Aufsicht entziehen, entpuppen sich als sehr fragwürdige Institutionen.

Schon lange ist bekannt, dass Kindesmissbrauch im südasiatischen Raum weit verbreitet ist und besonders die ärmsten der Armen trifft: Einige Kinder und Jugendliche aus den Slums werden regelmäßig verschleppt, ausgebeutet und sexuell misshandelt. Die Täter filmen ihre Verbrechen und verkaufen das Material anschließend auf dem einheimischen Markt, oder aber finanziell gewinnbringender nach Europa sowie Amerika. In der Provinz Punjab kamen 2015 mehrere Geschehnisse ans Tageslicht. Saba Sadiq vom dort ansässigen Kinderschutzbüro sprach vom "größten Kindesmissbrauchsskandal in der Geschichte Pakistans". Angeblich sollen Persönlichkeiten aus Politik und Polizei in die Angelegenheiten verwickelt gewesen sein und die Täter bereits seit 2006 gedeckt haben. 280 Jungen und Mädchen sollen dabei misshandelt worden sein. Erst nachdem es zu Protesten und Gewalt gegen die Polizei kam, wurde der Fall öffentlich bekannt, woraufhin eine Ermittlungskommission eingesetzt wurde. Das bis dahin verlorene Vertrauen der Bevölkerung gegenüber den Behörden konnte allerdings nicht wiederhergestellt werden.

Die perfide Rolle der Religion

Das schwach ausgeprägte Vertrauen der pakistanischen Bevölkerung lässt sich auf eine Vielzahl von Ereignissen zurückführen. So hat die Polizei zwar angekettete und misshandelte Kinder 2011 aus einem Keller einer Koranschule befreit, allerdings glaubten die Polizeibehörden auch der Schulleitung, dass es sich lediglich um einen Drogenentzug gehandelt habe. Diese Version deckte sich wenig mit den Aussagen der Opfer, die angaben, die Geistlichen hätten sie bei Widerworten geschlagen und auf einen "heiligen Krieg" vorbereitet, den sogenannten Dschihad. Aber auch einigen Eltern und Angehörigen können Vorwürfe gemacht werden: von diesen fragten die wenigsten nach den Blessuren. Ihrer Ansicht nach sei eine streng islamische Erziehung der einzig richtige Weg.

Für viele Menschen aus ärmeren Verhältnissen gibt es aber auch schlicht keine andere Möglichkeit, ihren Kindern Bildung zu vermitteln als über die Madrasas, also den traditionellen islamischen Bildungseinrichtungen. Die zum Teil kostenlosen oder verhältnismäßig günstigen Religionsschulen in Pakistan haben allerdings den Nachteil, dass sie staatlich kaum kontrolliert werden und daher viel pädagogischer Freiraum vorhanden ist, der nicht selten zur ideologischen Indoktrination genutzt wird. Dem verschuldeten und schwachen Staat Pakistan fehlt es außerdem an Möglichkeiten, geltendes Recht adäquat umzusetzen. Koranschulen müssen sich offiziell zwar registrieren, doch noch immer gibt es eine Fülle informeller Schulen, die unabhängig vom Staat agieren. Ein weiteres Manko fehlender Kontrollen ist die Abgeschiedenheit. So fühlen sich Kinderschänder in Sicherheit gewogen und können ihren Verbrechen ungehindert nachgehen.

Die jüngsten Vorfälle aus diesem Jahr fügen sich passgenau in diesen Kontext. Gemäß den Recherchen der Nachrichtenagentur Associated Press, wurden erneut Dutzende Fälle von Kindesmissbrauch und Vergewaltigung aufgedeckt. Eine Frau berichtet dabei etwa von einem Geistlichen, den sie schon von Kindesbeinen an kannte, und der stets mit Misshandlungen auffiel, indem er etwa Mädchen befahl, ihre Röcke zu heben. Bei einem Mädchen sei er sogar so handgreiflich geworden, dass ihr ein Rückenwirbel gebrochen wurde. Andere Opfer sprechen von Freiheitsberaubung, Stockhieben oder sich wiederholenden Vergewaltigungen, bis auftretende Krankheiten das Dahinraffen wahrscheinlich werden lassen – häufig mit der Androhung, beim Melden der Vorfälle ermordet zu werden. Und auch das ist nur ein winziger Ausschnitt der jüngsten, bekanntgewordenen Fälle. Die Dunkelziffer all jener Misshandelter oder Vergewaltigter, die aus Scham oder aus Angst vor ihren Peinigern nicht aussagen oder Anzeige erstatten, wird von Menschenrechtsorganisationen vor Ort als hoch eingeschätzt. Die Versprechen des Premierministers Khans, eine Verbesserung der Lage herbeizuführen, blieben bislang unerfüllt. Trotz der vielen Berichte dieses Jahr, wurde kaum ein Kleriker für seine Taten verurteilt. Stattdessen konnten die Taten auch hier wieder vertuscht werden, indem den Opfern Blasphemie oder Schmähung des Islams unterstellt wurde. Die Leidtragenden sind dabei hauptsächlich Menschen, die sich aufgrund fehlender finanzieller Mittel oder Rechtskenntnisse kaum zu wehren vermögen.

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