Pakistan: Blasphemie-Anschuldigungen und ihre Konsequenzen

schlinge_henker.jpg

In regelmäßigen Abständen hagelt es Blasphemie-Anschuldigungen in Pakistan. Diese können lebensgefährlich für die Beschuldigten werden, wie eine Auswertung des pakistanischen Centre for Social Justice für das Jahr 2021 zeigt. Im Human Rights Observer führt das Zentrum für das vergangene Jahr 84 nach pakistanischem Strafgesetzbuch Beschuldigte und drei Lynchmorden zum Opfer gefallene Personen auf. Die Gesetzgebung bietet Spielraum für Missbrauch, um missliebige Mitmenschen loszuwerden.

"Jede Sekunde wird in Pakistan ein Muslim der Blasphemie beschuldigt", titelt das indische Magazin The Print und verweist dabei auf den darin veröffentlichten Bericht des pakistanischen Centre for Social Justice, kurz CSJ. Dieses Zentrum für soziale Gerechtigkeit ist eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in der pakistanischen Hauptstadt Lahore. Es setzt sich unter anderem für die Rechte von Minderheiten in Pakistan ein.

Mit seinem Bericht zur Situation im Jahr 2021 will das CSJ das Missbrauchspotential der Anti-Blasphemie-Gesetzgebung besonders gegen religiöse Minderheiten im Land und die Gefahr für Leib und Leben der Blasphemie Beschuldigter aufzeigen.

Pakistans Anti-Blasphemie-Gesetze sind im Strafgesetzbuch in den Paragraphen 295 und 298 geregelt. Sie sehen Gefängnisstrafen plus Geldstrafen bis hin zu lebenslänglicher Haft oder gar den Tod für diejenigen Personen vor, die religiöse Gefühle verletzen oder Propheten herabwürdigen.

Im Report kommt das Centre for Social Justice auf mindestens 84 Personen, die sich wegen vermeintlicher Blasphemie verantworten mussten. Unter ihnen fanden sich 45 muslimische Gläubige, 25 Ahmadiyya-Angehörige, sieben der hinduistischen und sieben der christlichen Religion zugehörige Personen. Das Zentrum hat berechnet, dass Angehörige religiöser Minderheiten den größten Teil der Blasphemie-Beschuldigten ausmachen. Obwohl sie nur 3,5 Prozent der Bevölkerung stellen, machen sie 46 Prozent der Beschuldigten aus.

Hinzu kommen drei Lynchmorde an Blasphemie-Beschuldigten wie Priyantha Kumara. Er war im Dezember 2021 bei der Arbeit der Blasphemie beschuldigt und von einem wütenden Mob ermordet worden.

Das CSJ untersuchte die Blasphemie-Anschuldigungen, welche vor Gericht landeten, auch nach Region und Geschlecht. Mit 68 Fällen findet sich der Großteil der Blasphemie-Vorwürfe in Punjab. Islamabad folgt mit sieben Fällen. In 77 Fällen wurden Männer beschuldigt, in sechs Fällen Frauen und in einem Fall eine nicht weiter ausgeführte transgender Person. Als Konsequenz ruft das Zentrum alle Länder dazu auf, ihre Gesetze gegen Blasphemie aufzuheben oder sie wenigstens anzupassen.

Um der Anti-Blasphemie-Gesetzgebung in Pakistan ihr Gefahrenpotential zu nehmen, hat das Centre for Social Justice einen Katalog mit Forderungen aufgestellt. Demnach sollen Sicherheitsmechanismen in die Gesetzgebung eingebaut werden, um Missbrauch zu verhindern. Zudem sollen diejenigen verfolgt und bestraft werden, die falsche Anschuldigungen tätigen und zu Gewalt anstiften. Personen, die fälschlich beschuldigt wurden, sollen entschädigt werden, zudem soll ihre Sicherheit gewährleistet werden. Ein gewichtiges Anliegen, sind doch einmal beschuldigte Menschen sowie ihre Angehörigen nicht mehr vor Lynchjustiz sicher. Generell soll auch der adäquate Schutz für Richter*innen, Staatsanwält*innen, Rechtsanwält*innen und Zeug*innen der Beschuldigten gewährleistet werden.

Unterstützen Sie uns bei Steady!