Putins Küsse mit Kalkül

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Koran (Symbolbild)
Koran (Symbolbild)

Zärtlich küsst der russische Präsident Wladimir Putin den Koran, drückt ihn an seine Brust und lässt sich in Tschetschenien neben dem örtlichen Großmufti fotografieren. Das ist nicht die erste Liebesbekundung des Kremlchefs an die heilige Schrift der Muslime. Im vergangenen Jahr küsste er schon einmal einen Koran. Ist das ein kalkulierter politischer Akt?

Russlands Präsident Wladimir Putin hat es schon wieder getan. Er hat den Koran geküsst, bei einem spontanen Besuch in der russischen Region Tschetschenien, die er seit 13 Jahren nicht besucht hat. Der Großmufti Tschetscheniens überreichte dem Staatschef eine seltene Ausgabe des Korans. Auf einem Video ist zu sehen, wie Putin den Koran nimmt und ihn küsst. Das ging sofort viral.

Im Oktober 2023 küsste Putin zum ersten Mal öffentlich einen Koran, beim Treffen mit dem russischen Muftirat. Diese Geste hatte auch schon im vergangenen Jahr weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Libanon huldigten ihm die Menschen mit großen Reklametafeln. Auf den Plakaten war Putin zu sehen mit einem Koran an der Brust, mit dem Titel (auf Arabisch): "Wächter und Beschützer der Religionen". Mit seiner Geste wollte der Kremlchef damals die Koranverbrennung in Schweden anprangern – für die Russland mutmaßlich selber verantwortlich sein soll.

Beschützer der islamischen Welt

Putins Kalkül ging damals schon auf. Die Küsse auf den Koran wurden nicht nur als eine symbolische Anerkennung des Islam und als Akt der interreligiösen Harmonie gedeutet. Putin konnte sich als Beschützer und Verbündeter der muslimischen Welt positionieren. Das hat dem russischen Präsidenten in In- und Ausland geholfen. Russland ist ein multikulturelles Land. In den Regionen Tschetschenien, Dagestan und Tatarstan leben überwiegend russische Muslime.

Putins Symbolpolitik soll nicht nur die Muslime im eigenen Land beglücken. Seine Strategie ist Teil einer größeren diplomatischen Offensive. In den vergangenen Jahren hat Russland engere Verbindungen zu Ländern wie dem Iran, der Türkei und Saudi-Arabien aufgebaut. Diese Beziehungen sind zwar auch von wirtschaftlichem Interesse, aber geopolitisch versucht Putin sich gegen die westliche Hegemonie in diesen Regionen zu positionieren.

Die westliche Welt wird aus islamischer Sicht als Gegner islamischer Werte wahrgenommen. Putin inszeniert Russland als Gegenteil davon, als eine Schutzmacht des Islam. Putins symbolische Gesten scheinen zu fruchten, sie bergen aber auch Risiken: Die orthodoxen Kirchen und nationalistischen Kräfte, die jede Annäherung an den Islam kritisch sehen, sind mächtig und ein strategisch wichtiger Bündnispartner des Präsidenten. Es wäre für ihn ein großer Fehler, die orthodoxen Christen zu brüskieren.

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