Kommentar

Regierungsdefizite stärkten den rechten Rand

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Wahlplakate zur Europawahl (gesehen in Potsdam)
Wahlplakate zur Europawahl

82 Prozent der AfD-Wähler finden es "egal", dass die AfD in Teilen als rechtsextrem gilt, solange sie die "richtigen Themen" anspricht. Am Abend nach der Europawahl interpretierte die Schriftstellerin Juli Zeh bei "hart aber fair" diesen Befund in zwei Richtungen. Erstens würden die Menschen nicht wegen, sondern trotz des Rechtsextremismus für die AfD votieren, was auf ein Versagen der Altparteien hindeutet. Zweitens hätte eine überwältigende Mehrheit der AfD-Wähler keine Berührungsängste mit dem Rechtsextremismus, was heißen kann, dass sie gefestigt Rechtsaußen stehen oder ihre Hemmungen gefallen sind. Man sollte AfD-Wähler nicht von ihrer Verantwortung befreien und das Wahlverhalten als reinen Protestakt werten. Denn Vorsicht vor Doppelmoral: Ausschließlich sozioökonomische Erklärungen sind nicht bloß beim Islamismus zu einseitig.

In der Radikalisierungsforschung wird zwischen externen Push- und internen Pullfaktoren unterschieden, die Menschen für extreme Positionen empfänglich machen. Zu externen Pushrisiken zählen soziale Bedingungen wie Armut, Migration, Isolation oder Exklusion. Interne Pullmechanismen behandeln individuelle Merkmale, wie persönliche Identitätskrisen, die Verinnerlichung bestimmter kultureller Werte sowie ideologische Verfestigungen.

Ganzheitliche, ungeschönte Analysen von Radikalisierungsfällen – zum Beispiel im Bereich des Islamismus – thematisieren oft sowohl den Multikulturalismus als auch den Ausländerhass als Nährböden für islamistische Segregation. Doch gleichzeitig ist Extremismus immer eine Entscheidung. Unsicherheiten führen nicht kausal in den Radikalismus. Liegen Krisen in Radikalisierungsbiografien vor, so räsonieren sie in einem bestimmten ideologisch vorgeprägten Raum. Soll heißen: Weder Islamismus noch Rechtspopulismus – ähnlich, aber nicht deckungsgleich – fallen vom heiteren Himmel. Beide Ideologien sind etabliert in Familienstrukturen, Moschee- und Heimat-Vereinen sowie in politischen Parteien. Ihre Akteure sind mitunter gut situiert, hochgebildet, tragen Nadelstreifen oder werden staatlich hofiert.

In den hegemonialen EU-Nationen Deutschland und Frankreich wurden die Regierungsparteien von der AfD beziehungsweise vom Rassemblement National überholt. Kommissionsbildend gingen jedoch europaweit konservative Mitte-Rechts-Parteien als Sieger hervor. Die christdemokratische und bürgerlich-konservative EVP-Fraktion wartet als Anwärter für die Spitze der Europäischen Union auf. Mit Fokus auf Deutschland gehören CDU/CSU zu den Wahlgewinnern. Die Union erzielte zusammengenommen 30 Prozent (+1,1 Prozent). Mit 15,9 Prozent wurde die AfD zweitstärkste Kraft und erreicht trotz eines skandalträchtigen Wahlkampfes 4,9 Prozent mehr als bei der vorherigen EU-Parlamentswahl. Ihr historisch schlechtestes Ergebnis erlangte die SPD mit schlappen 13,9 Prozent – und das als am längsten bestehende Partei Deutschlands. Auch die Grünen haben mit 11,9 Prozent (-8,6 Prozent) einen herben Verlust erlitten. Aus dem Stand heraus holte das Bündnis Sahra Wagenknecht 6,2 Prozent ein, während Wagenknechts ehemalige politische Heimat Die Linke auf 2,7 Prozent (-2,8 Prozent) Stimmenanteil schrumpfte. Lediglich stabil blieb die FPD bei 5 Prozent.

Die Europawahl war ein Stimmungstest für die Bundesregierung. Der Sieg der Konservativen und der Zuwachs für die AfD straften die Ampelkoalition ab. Allerdings symbolisiert der AfD-Erfolg auch die Landnahme des Rechtspopulismus in Deutschland. Durch die Brille der Extremismusprävention geschaut wäre zu fragen, welche objektiven Bedingungen Rechtsaußen den Weg bereiteten und an welchen Bodensatz die rechtsextremen Scharfmacher anknüpfen konnten. Die Denkzettel sollten also in Richtung Politikversagen und mangelnder Resilienz gegenüber dem Rechtspopulismus verteilt werden.

Geschenke der Ampel an Rechtsaußen – Mannheim als Brennglas

Eine Erhebung unter Wahlberechtigten in Deutschland brachte Ängste zum Vorschein, die besonders von der AfD angesprochen werden: 74 Prozent sind besorgt, dass "die Kriminalität in Deutschland künftig massiv zunimmt". 61 Prozent empfinden, "dass der Einfluss des Islam in der Bundesrepublik zu stark wird" und 53 Prozent beunruhigen, "dass zu viele Fremde nach Deutschland kommen". Korrespondierend damit befürworten 46 Prozent der Deutschen, dass die AfD den Zuzug von Migranten und Flüchtlingen begrenzen möchte. 45 Prozent begrüßen die Bestrebungen der AfD, die Einwirkung des Islam zu verringern.

Diese Ergebnisse sollten aufhorchen lassen. Offensichtliche Schieflagen im Umgang mit dem Islamismus, die der AfD in die Hände spielten, traten eine Woche vor der Europawahl angesichts des Attentats von Mannheim bei der Polizeigewerkschaft und der Ampelregierung zutage. Wenige Stunden nach dem Anschlag äußerte der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, im Gespräch mit Welt TV: "nach dem, was wir wissen, [sind] mehrere Extremisten aufeinander gestoßen (...). Das Opfer und der Täter. Das könnte einer der Hintergründe sein, dass das Opfer deswegen attackiert wurde, weil es eben ein solcher radikaler Islamkritiker ist." Jene Aussage versucht mutmaßlich eine Distanz zu dem rechtskonservativen Michael Stürzenberger zu wahren, suggeriert aber, dass der Geschädigte eine Mitschuld an dem Verbrechen trägt. Er hätte gewissermaßen den Täter provoziert. Das nennt man Victim Blaming oder Täter-Opfer-Umkehr.

Zugleich ist bemerkenswert, mit welcher Vehemenz versucht wurde, bei dem angegriffenen Stürzenberger Ungereimtheiten zu finden – die zweifelsohne vorliegen, allerdings niemals eine Legitimation der Tat liefern – anstatt mit selber Intensität der Frage nachzugehen, warum ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan mit Taliban-Sympathie nicht längst ausgewiesen wurde. Ampelvertreter bezogen dazu ebenfalls bei "hart aber fair" Stellung: Dies ginge nicht, weil man dafür Beziehungen mit den Taliban aufnehmen müsste und der Täter in Afghanistan vermutlich straflos davonkäme. Selbst wenn Islamismuskritik mittlerweile stückweise unter Linken und Liberalen angekommen ist, schrecken die meisten vor ernsthaften Konsequenzen zurück, sobald eine Verbindung zu Migration offenbar wird oder das Reizthema "Abschiebungen" auf den Tisch kommt. Zu den Taliban unterhält man ohnehin Kontakte hinsichtlich humanitärer Versorgung, außerdem könnte ein Umweg über Pakistan oder Usbekistan eingeschlagen werden. Gerade auf internationaler Bühne müssten doch Gesprächsstrategien zwischen Appeasement und klarer Kante möglich sein.

Deniz Yücel erinnerte in der Welt, dass 1980 in Berlin migrantische Linke nach dem islamistischen Mord an dem türkischen Kommunisten Celalettin Kesim unter der Parole "Ausweisung aller Faschisten" auf die Straße gingen. Eine Parole, die heute undenkbar ist. Wenn der Staat nicht mehr zwischen Verfolgern und Verfolgten unterscheidet, entsteht ein Vertrauensbruch, den selbstverständlich die AfD instrumentalisieren wird. Wenn Aufnahmeländer islamistisch unterwandert werden, können sie bald keine sicheren Häfen mehr sein.

Dieselbe eher woke-grün verortete Szene verurteilte zwar den Mannheimer Mordanschlag, warnte jedoch schnell vor aufflammenden Rassismus und "Wasser auf den Mühlen der Rechtspopulisten". Die Unterstellung, Islamkritik sei tendenziell fremdenfeindlich, schaffe erst das Vakuum, indem sich die AfD als Sachwalter der Betrogenen inszenieren kann. Tatsächlich bangen 58 Prozent der Wahlberechtigten darum, dass "man bei Meinungen zu bestimmten Themen ausgegrenzt wird". Eine Verengung des Diskurskorridors führt dazu, dass die AfD sich als edle Ritterin unterrepräsentierter Themen aufspielt. Wenn dann auch noch statthafte, humanistische Islam- oder Migrationskritik mit einem vom Bundesministerium des Inneren herausgegebenen Bericht den Stempel "antimuslimischer Rassismus" aufgedrückt bekommt, verstärkt man das Problem. Die Auflösung des Expertenkreises "Politischer Islamismus" durch Nancy Faeser setzte dem Ganzen die Krone auf.

Auch die Bezeichnung Lars Klingbeils (SPD) in der ntv-Elefantenrunde nach der Wahl, demgemäß AfDler durchweg Nazis wären, erzielt kein Umdenken, sondern verharmlost gegenteilig sogar den Nationalsozialismus. In gekränkter Attitüde, mit mehr vom Falschen weiterzumachen ist sinnlos. Der SPD-Wahlkampf bestand maßgeblich aus negative campaigning. Statt in eigene, positive Erzählungen und Lösungen zu investieren, prangten "Rechtsruck stoppen" und Brandmauer-Slogans auf den SPD-Werbetafeln. Zusätzlich ist die Wanderung von SPD-Stammwählern zur AfD frappierend. Ihr gelang es, sich als Partei der "Verunsicherten" und des "kleinen Mannes" anzubieten. Manche sprechen gar von der AfD als "neue Arbeiterpartei".

Andere Stimmen sagen: Je mehr man AfD-Wähler als "Nazis" oder "rechtsextrem" diskreditiert, desto eher würden sie diese Etiketten irgendwann selbst positiv annehmen. Schon beim Islamismus oder bei starren Geschlechterrollen stellte sich diese poststrukturalistische Labeling-Theorie à la "doing ethnicity, doing gender" als unterkomplex heraus. Es existiert immer die Option, sich nicht von Externen die eigene Identität bestimmen zu lassen!

Natürlich bietet die AfD keine Lösungen an. Sie profitiert vom Geschäft mit der Angst: Gegen den grassierenden islamistischen Antisemitismus nach dem 7. Oktober kamen keine substanziellen Vorschläge zum Schutz von Juden; der islamistischen Reaktion stehen sie ohnehin eher neidisch gegenüber und mit dem Islamischen Regime Iran möchten sie gute Diplomatie pflegen. Ein glaubhafter Kampf gegen Islamismus würde zweifelsohne einen Abschiebestopp für vor dem IS geflohenen Jesiden fordern und erkennen, dass der Lynchversuch an Michael Stürzenberger in einer Tradition steht mit den unzähligen Blasphemieprozessen im Nahen Osten, wie zum Beispiel zuletzt an dem iranischen Rapper Toomaj Salehi, der wegen "Beleidigung der Religion" auf seine Hinrichtung wartet. Auch wenn die AfD gegen LGBTQ und Diversity wettert, meint sie damit keine emanzipatorische Kritik, sondern lediglich die Mobilisierung von Kulturverlustängsten. Aus "Protest" gegen das Ampelversagen die AfD zu wählen ist objektiv selbstschädigend. Denn auch für den Arbeiter bietet die AfD keine stabile Daseinsvorsorge an. Ihr Wirtschaftsprogramm ähnelt einem Ultra-Neoliberalismus und der knallharten Ellenbogen-Mentalität.

Weder Warnungen aus der Wirtschaft, das Remigrations-Treffen in Potsdam noch die Affären mit Russland und China sowie die SS-Verharmlosungen Maximilian Krahs erzielten eine Reduktion des AfD-Wahlerfolges. Auch breit angelegte Kampagnen und Massendemonstrationen "gegen rechts" hielten die AfD-Sympathisanten nicht auf. Klar evozierten mächtige Fehltritte der Ampel, Dethematisierungen von Belangen der inneren Sicherheit und wenige Gegenangebote die Attraktivität der AfD. Eine klare Korrelation mit diesen externen Pushfaktoren existiert, aber ein Automatismus zum Wahlentscheid ergibt sich daraus eindeutig nicht. Also muss analysiert werden, warum ein großer Teil der Bevölkerung bereitwillig-bewusst Rechtsextremisten wählt.

Rechtsextremes Fundament - Phänomen Ostdeutschland

Vor dem Hintergrund der Europawahlergebnisse fällt mit Blick auf die politische Landkarte der Bundesrepublik auf: Der Westen ist maßgeblich schwarz (CDU) und der Osten bestimmend blau (AfD) gefärbt. Während die CDU im westdeutschen Stimmungstest als Alternative zur Ampel hervortritt, dominiert in den neuen Bundesländern die AfD mit 27,1 Prozent als kräftigste Spielerin.

Seit Jahren erfasst die sogenannte Mitte-Studie der sozialdemokratischen Friedrich-Ebert-Stiftung die Verbreitung von rechtsextremen Weltbildern innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung. Auch wenn die Umfrageergebnisse nicht ganz ohne politisches Interesse der SPD zu lesen sind, geben sie eine zahlenmäßige Vorahnung auf rechtsextreme Fundamente innerhalb Deutschlands. Für den Zeitraum 2022/2023 kamen die Mitte-Forscher zu dem Ergebnis, dass acht Prozent der Menschen in Deutschland eine rechtsextreme Gesinnung teilen. Dies entspricht jedem zwölften Erwachsenen. Addierend dazu kommen 20 Prozent der Gesellschaft, die einem "Graubereich" zuzuordnen sind, der keine geschlossene rechtsextreme Ideologie impliziert, aber antidemokratische Tendenzen aufzeigt. Dieses Personenpotenzial ist sicherlich der AfD zugewandt oder setzt sein Kreuz bei weiter rechtsstehenden Parteien, wie Die Heimat, ehemals NPD. Für diese Risikogruppe benötigt es keine Anschläge in Mannheim, kein Selbstbestimmungsgesetz und keine Krise der Sozialdemokratie. Sie sind Überzeugungstäter. Jene Basis erklärt einen Teil der AfD-Wahlentscheidung in den westdeutschen Bundesländern und für Gesamt-Deutschland. Das Avancieren der AfD zur neuen Volkspartei im Osten verdient allerdings eine gesonderte Einordnung.

Weiterhin sind die neuen Bundesländer in vielerlei Hinsicht abgehängt: beachtenswerte Lohngefälle, desolate medizinische Infrastruktur, dünne Versorgungsleistungen, mangelhafte Verkehrsanbindungen, fehlende Strukturförderung, kaum Jugendfreizeitmöglichkeiten, unterfinanzierte politische Bildung, fehlende soziale Perspektiven etc. pp. Die Vollendung der deutschen Einheit im Sinne der Angleichung von Ost und West ist – Stand jetzt – gescheitert. Das Gefühl des Betrugs ist allgegenwärtig: Man sei als Ostdeutscher nur Bürger zweiter Klasse. Anstelle einer Entladung der Verzweiflung in Richtung ihrer Ursache werden Schuldige gesucht und eine protektionistische Volksgemeinschaft zusammengezurrt. Auch wenn oder gerade, weil man in ostdeutschen Ortschaften oft lange nach mutmaßlichen Migranten im Stadtbild suchen muss, treibt die Panik vor Überfremdung um. Genauso wenig spielen Transgeschlechtlichkeit und Christopher Street Days in der Lebensrealität ostdeutscher Kleinstädte eine Rolle. Trotzdem übertönen Warnungen vor dem "Gender-Gaga". Aufgrund der DDR-Erfahrungen schwebt die Emotion des permanenten Misstrauens gegenüber dem Staat, den "etablierten Parteien" und den "Mainstream-Medien" in der Luft.

Dieses Unbehagen potenzierte sich in der Verhärtung eines ostdeutschen "Wirs" und in einem larmoyanten Beklagen der eigenen Marginalität, was zur Identität wurde und kaum etwas mit rationaler Veränderungsbereitschaft zu tun hat. Die gemeinsamen Feindbilder, Ausländer, Wessis, Muslime oder die NATO, schweißen dabei zusammen. Jene kollektive Fixierung auf exterritoriale Bedrohungen hat seinen Ursprung im Antiimperialismus der DDR. Die im Schmelzen begriffene Integrität der räumlich und sozial abgegrenzten Eisscholle wird durch den ausbeuterischen, kapitalistischen Westen und der dekadenten Moderne gefährdet. Bei dieser Gemütslage wundert es nicht, dass von links bis rechts nahezu unisono alle Parteien Sachsens mit Russland liebäugeln. Nur das Putin-freundliche, linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht konnte der AfD im Osten teilweise das Wasser abgraben.

Dass außerdem in Ostdeutschland vor rechtsextremen Tendenzen kaum zurückgeschreckt wird, liegt an der abwesenden Reeducation nach dem Ende des Nationalsozialismus. Die sowjetische Besatzungszone DDR war nach ihrem Selbstbild als Arbeiter- und Bauernstaat definitorisch "antifaschistisch". Ihre Republikinsassen identifizierten sich dem Selbstverständnis nach nicht als Anhänger des Dritten Reichs, sondern als Opfer des Faschismus, hinter dem das Kapital steckte: Nazis – das waren Westdeutsche. Deshalb durchforstete man auch nie seine eigenen Reihen nach Rassisten, Antisemiten oder Homophoben. Stattdessen jagte man den Klassenfeind. Gerade wegen diesem Reinheitsglauben an die Eigengruppe konnte der Rechtsradikalismus nach der Wende so gut im Osten gedeihen und die Baseballschläger-Neonazis in den 1990er Jahren ungeniert wüten. Nicht durch Aufarbeitung, sondern am ehesten durch Lohn, Brot und Familie wurden die aggressiven, rechtsradikalen Schlägertrupps im Osten eingehegt. Jedoch wirken die Anfälligkeiten im kollektiven Gedächtnis Ostdeutschlands für rechtsextremes Gedankengut bis heute fort. Der Wahlerfolg für die AfD, die im Osten übrigens von den Ausläufern des offiziell aufgelösten, aber informell weiter agierenden völkisch-nationalistischen Höcke-Flügels beherrscht wird, führte dies erneut vor Augen. Die banale Sensibilität, dass es sich wenigstens aufgrund der Geschichte verbietet, für SS-Verharmloser zu votieren, existiert also bei weiten Teilen der ostzonalen Wählergruppe nicht. Dies mögen sicherlich nicht erschöpfend die internen Pullfaktoren der Hingabe für die AfD sein.

Gespaltene Republik

Beim zweiten Hingucken auf die politische Landkarte dürften ebenso die vereinzelten grünen Flecken und die herausragenden Wahlerfolge für das islamische Pendant zur AfD, der DAVA-Partei, in zwei nahezu homogen-migrantischen Bezirken Duisburgs (knapp 40 Prozent) auffallen. Zu der Ost-West-Spaltung gesellt sich also auch die Separation entlang wohlbetuchter Grün-Wähler-Gegenden (Berlin-Prenzlauer Berg) und abgeschotteten Parallelgesellschaften, wo das Gesetz der Scharia gilt. Sowohl die mehrheitliche Abneigung gegenüber den Ampelparteien als auch die Hochkonjunktur von Islamismus und Rechtspopulismus geben Anlass zu einer vernunftgeleiteten politischen Kurskorrektur.

In Dänemark setzten Sozialdemokraten schon vor Jahren das Thema Islamkritik und werteorientierte Einwanderungspolitik auf ihre Agenda, womit sie effektiv den Rechtspopulisten – auch bei der Europawahl – die Chancen nahmen. Das alleine genügt allerdings nicht. Jeder Einzelne müsste mündig seine Reflexionskraft anschalten und wahrnehmen, dass Rechtspopulismus weder zur individuellen noch kollektiven Verbesserung beiträgt. Es gilt: Wer Rechtsaußen wählt, stimmt für China, Russland, die Islamische Republik Iran, NS-Relativierung, Ausgrenzung von Minderheiten, Abbau von Frauenrechten, Fremdenfeindlichkeit und Verrat an Juden. Die Lizenz dafür erteilt auch keine defekte Ampel.

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