In einem Baptisten-Gottesdienst im hessischen Frankfurt am Main haben sich zahlreiche Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Laut Veranstalter wurden während des Gottesdienstes Abstands- und Hygieneregeln eingehalten.
Seit Beginn der Corona-Pandemie warnen Virologen eindringlich vor Ansammlungen vieler Menschen. Vor allem in Innenräumen, so das Ergebnis mehrerer Untersuchungen, bilden sich durch mangelnde Durchlüftung Aerosolwolken, die Infektionen mit dem Coronavirus begünstigen. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse hielten Religionsgemeinschaften jedoch nicht davon ab, lautstark über die angebliche Einschränkung ihrer Religionsfreiheit zu klagen und ihr Recht auf Gottesdienste mit leibhaftiger Anwesenheit einzufordern. Die Politik gab nach.
Dass dies keine allzu gute Idee war, zeigt sich aktuell in Frankfurt am Main. Wie am Freitag bekannt wurde, haben sich dort während eines einzigen Gottesdienstes im Bethaus der Evangeliums-Christen-Baptisten-Gemeinde zahlreiche Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Nachdem am Samstag zunächst von mehr als 40 Infizierten die Rede war, stieg die Zahl bis Sonntag laut Hessens Sozialminister Kai Klose auf über 100. Besonders problematisch ist, dass die Gemeinde einen großen Einzugsbereich hat, so dass sich nicht nur Menschen aus Frankfurt selbst, sondern auch aus den umliegenden Landkreisen und damit im gesamten Rhein-Main-Gebiet infiziert haben.
Stattgefunden hatte der fragliche Gottesdienst bereits am 10. Mai. Vollkommen legal, da zu diesem Zeitpunkt in Hessen Gottesdienste wieder erlaubt waren. Lediglich Abstandsgebot und Hygieneregeln sind einzuhalten. Auch die Registrierung der Besucher eines Gottesdienstes mit Name und Adresse ist – anders als in der Gastronomie – in Hessen keine Pflicht. Ein Umstand, der den Gesundheitsbehörden das Verfolgen der Infektionskette und das Ermitteln von Kontaktpersonen nun erschwert.
Dass Gottesdienste und ähnliche kirchliche Versammlungen das Potential zum Superspreader-Event haben, hat sich nun bereits mehrfach gezeigt. Im Februar häuften sich bei Sekten in Südkorea und Singapur die Infektionen mit dem Coronavirus so sehr, dass die Sekten-Mitglieder ein Drittel der dortigen Fälle ausmachten. Eine evangelikale Großveranstaltung im Elsass machte den Osten Frankreichs zu einem Hotspot der Pandemie. Und im März führte die zweieinhalbstündige Probe eines Kirchenchors in den USA zur Infektion von 53 Chormitgliedern.
6 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Die meisten hätten sich nicht bei, sondern nach dem Gottesdienst zu Hause angesteckt, sagte R. Gottschalk (Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes) lt.
Ingrid Schmall am Permanenter Link
So wie ich evangelikale Gemeinden kenne, traut sich niemand wegen Krankheit zu Hause zu bleiben. Der Gottesdienst geht über alles. Könnte ja auch heilen.
Edgar Schwer am Permanenter Link
Die Infektion hat nicht irgendwie „Eingang in die Hanauer Baptisten Gemeinde gefunden“, nein -sie erhielt eine freundliche Einladung durch Singen ohne Masken.
Georg am Permanenter Link
Das Bethaus befindet sich rund zwei Kilometer Luftlinie von meinem Wohnort entfernt. Ist natürlich kein gutes Gefühl wenn man weiß, dass so eine große Infektion im direkten Umfeld stattfand.
Außerdem fragt man sich, warum es Leute nicht fertig bringen sich ein paar Monate zusammenzureißen und auf solche Veranstaltungen einfach mal komplett zu verzichten. Ich mein wenn man nicht mehr in die Kirche geht, geht niemand pleite und das Seelenheil sollte eigentlich auch nicht gefährdet sein wenn der Pfarrer/Priester/Gemeindeleiter sagt, dass Gott niemandem böse ist wenn er jetzt nicht in die Kirche kommt und kommen kann.
Aber vermutlich sind solche Kirchenführer gerade auch die treibende Kraft hinter den Gottesdienst-Veranstaltungen. Kann ja nicht sein, dass die Leute diese und jenes machen dürfen, aber nicht Gottes Wort erhalten dürfen. Da muss man sich ja benachteiligt fühlen...
Martin Franck am Permanenter Link
Abstand ist ja so März 2020. Manche Leute denken, sie haben endlich einmal etwas begriffen, und dann wüssten sie etwas. Anfänglich glaubte man, daß es primär um die großen Tröpfchen ging.
Hinzu kam damals noch das Händewaschen, weil man an Schmierinfektionen dachte.
Nun tritt die Schmierinfektion allmählich in den Hintergrund. Dafür bekommen die Aerosole endlich ihren Platz. Geschlossene Räume sind Gefahrenorte. Dies gilt vor allem je nach Zeitdauer. Hinzu kommt noch, wie sehr man atmet. Wer sich sportlich anstrengt, oder aber laut singt, verbreitet mehr Aerosole, und man nimmt beim starken Atmen wohl auch eher mehr Aerosole auf.
Jetzt haben wir schon Ende Mai. Okay, sowohl das Treffen der Baptistengemeinde (10.05.2020), als auch das Restaurant Alte Scheune in Leer (15.05.2020) brauchten ja noch Zeit vom Event bis zu den Nachrichten.
Aber jeder Idiot, Imbeziller, Debiler, oder sonstige mit einem zweistelligen IQ, der nicht als Eremit ohne Nachrichten lebt, hätte wissen können, daß es schon seit einiger Zeit um die Aerosole geht.
Manche Leute verlassen sich ja auf Politiker. Wenn sie etwas erlauben, dann kann es ja nicht gefährlich sein. Gleiches gilt für Lobbyistengruppen, wie der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), oder die EKD.
Wenn ich an Politiker glauben würde, dann würde ich Hydroxychloroquin einnehmen, oder Desinfektionsmittel, sowie UV-Licht intern anwenden. Was ist aus dem Sapere Aude geworden, daß man sich seines eigenen Verstandes bedient?
Wenn ich ein Restaurant besuche, dann nur im Außenbereich, oder zum Mitnehmen. Fitnessstudios kann man erst besuchen, wenn es einen Impfstoff gibt. Bis dahin nur Sport draußen.
Wer nicht in den Gottesdienst will, kann auch Leuten helfen, die unter den Regelungen leiden: https://www.domradio.de/themen/corona/2020-05-07/wie-das-weitergeht-steht-den-sternen-probleme-einer-hostienbaeckerei-waehrend-der-pandemie und sich auf https://www.hostie.de/ Hostien kaufen. Das trifft jetzt nicht so bei Baptisten zu, aber es gibt doch so viele virtuelle Gottesdienste.
Viele Firmen betreiben nun Home-Office und Telekonferenzen. Warum kann ein Gläubiger nicht ein wenig mit der Zeit gehen?
Rüdiger Kramer am Permanenter Link
Da fragt man sich, ob der Prediger und alle Besucher schon wochenlang keine Nachrichten gehört oder gesehen haben.