Parallel zur fortschreitenden Durchimpfung der Weltbevölkerung hat der Papst eine Großoffensive gegen Covid-19 ausgerufen: Den Monat Mai über werde ein "Sturmgebet" durchgeführt.
Weltweit, ununterbrochen, wenden sich also Menschen an den Herrn der heiligen Heerscharen sowie Erfinder sämtlicher Krankheitserreger von Pest, Cholera, Masern, Ruhr, Schnupfen (etc. pp. ad infinitum) sowie von Parasiten, Krankheiten und Gebrechen, die hier alle zu schildern die empfindsameren hpd-Leser so kurz vor dem Wochenende sicher überfordern würde.
Es ist wirklich zu begrüßen, dass der Papst das angeregt hat! Man benötigt nur eine Kette aus Holzkugeln und ein Foto von Stan Laurel, es geht wirklich ganz einfach. Um die gegenwärtige Krise in den Griff zu bekommen, sollte kein Mittel unversucht bleiben, und der religiöse Ansatz der Virenbekämpfung bringt uns oft die gute Laune, die es in dieser schweren Zeit braucht. Wie man sich gern erinnert, hat etwa vor einem guten Jahr der TV-Prediger Ken Copeland die Pandemie durch Gebet und entschlossenes Pusten bekämpft, es war eines der Highlights der ganzen Corona-Nummer.
Einmal mehr zeigt sich, warum Kirche und Religion so erfolgreich alle Zeitläufte überleben. Berufsgruppen mit fragwürdiger Existenzberechtigung gibt es ja immer wieder: Steuerberaterinnen. Spirituelle Coaches. Telefonwerber. Zukunftsforscherinnen. Schönheitschirurgen. (etc. pp., you name them). Wofür wir die brauchen? Ihre eigentliche Expertise ist es, aus gesellschaftlichen Dysfunktionalitäten und Neurosen Geld zu generieren. Solche Berufe sind Modeerscheinungen, sie kommen und gehen und werden von anderen, neuen Bullshitjobs abgelöst. Irgendwann ist der spirituelle Coaching-Boom vorbei, jeder ist dann spiritueller Coach und versucht, sich schnell noch eine Fortbildung auszudenken, ehe die anderen es tun, aber es beißt niemand mehr an. Telefonwerbung wird von Drohnenwerbung und Virtual-Reality-Werbung abgelöst. Und so fort.
Die Kirche aber überlebt alles. Denn egal, was anliegt – beten geht immer. Man kann für gutes Wetter beten und hat, wenn man lange genug dranbleibt, damit Erfolg. Man kann Kanonen segnen, kann für den Sieg in der Schlacht beten und behält immer irgendwie Recht, denn gebetet wurde ja auf beiden Seiten. Man kann für eine gerechtere Welt beten und den Menschen da draußen die Schuld geben, dass es so lange dauert, bis die kommt.
Nun also: Beten gegen das Virus! Eine gute Wahl. Wenn die Weltbevölkerung eines Tages durchgeimpft ist, wird der Herrgott vermutlich ein Einsehen haben. Lob und Ehre sei ihm, hatschi, in der Höh'! Zu vermuten steht: Die ganze globale Beterei wird ihm eine ungeheure Wonne gewesen sein, und er wird nicht ruhen, bis er sich das nächste, vielleicht noch etwas kniffligere Virus ausgedacht hat.
10 Kommentare
Kommentare
Petra Pausch am Permanenter Link
Das ist doch genial: Jetzt, wo die Zahlen langsam sinken... da kann er Ende des Monats sagen, dass es einzig die Gebete waren, die dazu beigetragen haben. (Nicht dieses moderne Zeug wie Medizin).
Tobias Seyb am Permanenter Link
Gläubige halten offenbar nicht allzu viel von ihrem Gott.
Der Arme ist entweder so schwer von Begriff, dass er erst eine Flut von Gebeten braucht, bis er merkt, dass da was nicht stimmt und seine Schöpfung dringend einen Eingriff braucht.
Oder er findet gar nix dabei, wenn Millionen verrecken, so dass er erst was gegen die Plage macht, wenn er genügend belästigt wird (von den Betern, die sind auch eine Art Plage).
Aber Gott ist ja allmächtig, allweise und allgütig.
Klaus Bernd am Permanenter Link
So beginnt das Sturmgebet:
So lautet eine der Botschaften der Jungfrau Maria anlässlich ihrer vom Heiligen Stuhl offiziell anerkannten Erscheinung in Kibeho, Ruanda im Jahre 1981 und 1982, zitiert nach kathpedia:
„5. Das Leiden, das rettet:
Dieses Thema ist das wichtigste unter den Offenbarungen von Kibeho, insbesondere für Natalie Mukamazimpaka. Leiden, das unvermeidlich in diesem Leben ist, ist notwendig für Christen, um die Ewige Herrlichkeit zu erlangen. Am 15. Mai 1982 sagte Maria zu ihren Seherinnen, speziell zu Natalie, „Niemand wird in den Himmel kommen ohne Leiden.“, bzw. „Ein Kind Mariens weigert sich nicht, zu leiden.“ Leiden ist gleichermaßen bedeutsam zur Sühne für die Sünden der Welt als auch Teilhabe an den Leiden Jesu und Mariens zur Rettung der Welt. Die Seherinnen wurden durch diese Ansprache eingeladen, ein besonderes Leben zu führen, in dem sie Leiden durch den Glauben in Liebe annehmen, sich selbst abtöten und Freuden entsagen zur Bekehrung der Welt. So gesehen ist Kibeho ein Mahnzeichen an die Bedeutung des Kreuzes im Leben eines Christen und der Kirche.“
Und so ging es weiter in Ruanda:
„Bereits 1981 wurden die drei jungen Mädchen von der Gottesmutter vor einem Völkermord gewarnt.[8] 1989 kam es zu einer Vision, die bald Wirklichkeit wurde: Die Mädchen sahen einen Strom von Blut; Menschen, die einander töteten; zahllose unbegraben zurückgelassene Leichen, abgetrennte Köpfe … Ab April 1994 ereignete sich dann das Blutvergießen in Ruanda. Innerhalb weniger Wochen töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa Dreiviertel der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit. Mehr als eine halbe Million Menschen verloren ihr Leben. In der Nähe von Kibeho geschah ein Massaker, bei dem 1995 in einem Lager für Binnenflüchtlinge 8000 Menschen bestialisch getötet wurden. In nur drei Monaten fielen diesem Massenmord 800 000 Menschen zum Opfer, darunter drei Bischöfe, 400 Priester und Ordensleute. Die Seherin Marie Claire Mukangango wurde ebenfalls bei dem Massaker getötet.“
Könnte das ein Grund dafür sein, dass der Gebetsmarathon nicht über Kibeho führt ?
Könnte es sein, dass man in Kibeho das Vertrauen in die Jungfrau Maria und das Rosenkranz-Beten verloren hat ?
Richtigerweise wurde sie dort „Nyina wa Jambo“, was in der einheimischen Sprache soviel bedeutet wie „Mutter des Wortes“, genannt und nicht Mutter der Tat !
Blasius am Permanenter Link
Tatsächlich ist es ein kontrolliertes Experiment. Es wurden schon verschiedene Varianten versucht. Ökumenisches Beten, verschiedene Gruppen von Bischöfen, der Papst allein, mit Jugendlichen usw.
Sie merken nur nicht, daß sie die Placebo-Gruppe sind und auf die Treatment-Gruppe komplett vergessen wurde.
A.S. am Permanenter Link
Das Timing ist clever. Der Sommer kommt, die Impfkampagnen sind endlich in Schwung gekommen. Das Erfolg gegen Corona ist also absehbar.
Eine echt geniale Trittbrettfahrerei des Vatikan!
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Beten gegen das Virus! Eine gute Wahl" - wirkt nur nicht über den Placebo-Effekt hinaus.
Folker Pollmeier am Permanenter Link
Wie kommen meine weiblichen Steuerberaterkolleginnen zu der "Ehre" den Berufsgruppen mit fragwürdiger Existenzberechtigung zugerechnet zu werden.
Paul München am Permanenter Link
Volle Zustimmung! Der Verfasser scheint vom Beruf "Steuerberater/in" keine Ahnung zu haben.
Georg J. W. Dorn am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Ungerer, eine zutreffende Bestandsaufnahme und wie fast immer allein schon dadurch eine gelungene Satire.
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Beten hilft leider auch nicht gegen den Unsinn dieser "Hirten" ...