Die Vernichtung des Alexej Nawalny

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Demonstration von russischen Oppositionellen vor dem Brandenburger Tor 2021 mit einem Karnevalsmottowagen von Jacques Tilly

Gegen den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wird wegen angeblichen Extremismus' in Moskau ein neuer Prozess eröffnet. Ihm drohen 30 Jahre Haft.

Der prominenteste Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin sitzt als politischer Gefangener seit mehr als zwei Jahren wegen angeblichen Betrugs im Gefängnis. Verurteilt wurde er bislang zu neun Jahren Haft, die er in einem Straflager unter "strengem Regime" absitzt. Das bedeutet weniger Besuche, weniger Briefe und Pakete und Verkürzung der täglichen Spaziergänge im Freien. Immer wieder kommt Nawalny in die Strafzelle. Dort gibt es keinerlei Besuche, persönliche Gegenstände sind verboten. Seine Unterstützer beklagen einen dramatisch verschlechterten Gesundheitszustand.

Wir erinnern uns: Nawalny wurde 2020 bei einer Reise nach Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet. Er wurde damals im Koma liegend nach Deutschland ausgeflogen und dort behandelt. Menschenrechtler werfen dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB vor, hinter der Vergiftung zu stecken. Der Kreml weist das zurück. Nach seiner Rückkehr nach Russland wurde Nawalny bei seiner Ankunft auf dem Moskauer Flughafen festgenommen. Seither ist er im Straflager. Die Sonderberichterstatterin des UNO-Hochkommissars für unmenschliche Behandlung, Alice Jill Edwards, nannte die Isolation eine Form von Folter.

Am morgigen Dienstag beginnt nun ein weiterer Prozess. Laut Nawalnys Sprecherin soll dieser direkt im Straflager 260 Kilometer von Moskau entfernt abgehalten werden. Verhandelt wird hinter verschlossenen Türen, die Öffentlichkeit ist nicht zugelassen. Es ist fraglich, ob die Anklage bereits am ersten Gerichtstag verlesen wird.

Die Staatsanwaltschaft hat 3.800 Blatt Material und 196 Aktenordner zusammengetragen. Gegen Nawalny wird in sechs Punkten Anklage erhoben, darunter Gründung, Finanzierung und Beteiligung an einer extremistischen Organisation. Weiterhin wegen Aufruf zum Extremismus und Verharmlosung des Nazismus. Mit "extremistischer Organisation" ist der von Nawalny gegründete Fonds für die Bekämpfung der Korruption (FBK) gemeint. Dieser hat eine Reihe von Indizien für Korruption auf höchster politischer Ebene bis hin zur Kreml-Oligarchie veröffentlicht. Vor zwei Jahren wurde der Fonds für extremistisch erklärt – vom selben Moskauer Stadtgericht, vor dem der Prozess gegen ihn selbst nun stattfindet. Bei einer Verurteilung drohen Nawalny nach eigenen Angaben 30 weitere Jahre Haft. Hier soll ein Regierungsgegner vernichtet werden.

Anlässlich seines 47. Geburtstags haben Menschen in Russland und verschiedenen anderen Ländern für Nawalnys Freilassung demonstriert. Seine Sprecherin Kira Jarmysch veröffentlichte am Sonntag auf Twitter Fotos unter anderem aus Japan, Australien und Georgien. In russischen Städten wurden laut Bürgerrechtlern bis zum Abend 90 Demonstranten festgenommen, mehr als die Hälfte von ihnen in Moskau. Wer in Putins Reich für Menschenrechte demonstriert, gilt als Staatsfeind.

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