Ende vergangener Woche haben Bundestagsabgeordnete verschiedener Parteien einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Suizidhilfe vorgestellt. Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) begrüßt diesen grundsätzlich, sieht jedoch Nachbesserungsbedarf.
Für die DGHS ist der am Freitag vorgestellte "Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Suizidhilfe" ein im Grundsatz begrüßenswerter Vorschlag. "Der Entwurf ist von einem liberalen, humanistischen Weltbild geprägt und wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts weitgehend gerecht", freut sich DGHS-Präsident Prof. Robert Roßbruch. Der Gesetzentwurf der Abgeordnetengruppe sieht vor, dass staatlich anerkannte Beratungsstellen geschaffen werden, dass ergebnisoffen beraten und über Handlungsalternativen zum Suizid aufgeklärt werden muss. Die Möglichkeit zur ärztlichen Freitodbegleitung steht nur volljährigen Menschen offen, die einen autonom gebildeten, freien Willen haben. Bis zur Verschreibung des gewünschten Medikaments nach erfolgter Beratung muss gemäß diesem Gesetzentwurf mindestens eine Frist von zehn Tagen vergangen sein. Vorgesehen ist auch eine Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes.
Dass der Entwurf die Schaffung von staatlich anerkannten Beratungsstellen vorsieht, begrüßt Roßbruch ausdrücklich, die DGHS hatte solche Beratungsstellen (wenn auch eher halbstaatlich) bereits im Jahr 2012 gefordert. Allerdings sieht Roßbruch in dem Ende letzter Woche präsentierten Entwurf der Abgeordneten noch etwas Nachbesserungsbedarf. Nach erfolgter Beratung soll – ähnlich wie in der Schwangeren-Konfliktberatung – eine Bescheinigung über die erfolgte Beratung erstellt werden. Dass diese Bescheinigung nur maximal acht Wochen alt sein darf, um ein ärztliches Rezept für eine letale Dosis eines suizidgeeigneten Medikaments zu erhalten, ist für Roßbruch nicht akzeptabel.
Zum einen wird damit das Beratungsrecht des Suizidwilligen zu einer Beratungspflicht, zumal gemäß Paragraph 6 Absatz 3 des Gesetzentwurfs die Vorlage der Beratungsbescheinigung Voraussetzung für die ärztliche Verschreibung eines Arzneimittels zum Zweck der Selbsttötung ist. Diese Regelung entspricht nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 und wird daher von uns abgelehnt. Die Beratung muss freiwillig bleiben. Zum anderen könnte für den Betroffenen ein nicht hinnehmbarer Druck entstehen, dass er jetzt schnell vor Ablauf der Acht-Wochen-Frist seinen Suizid realisieren muss. Dies kann nicht ernsthaft gewollt sein. Roßbruch könnte sich eher fallspezifische Sorgfaltskriterien vorstellen.
Der DGHS-Präsident begrüßt ausdrücklich, dass mit dem Gesetzentwurf von Katrin Helling-Plahr, Karl Lauterbach, Petra Sitte und anderen nicht erneut eine Vorschrift im Strafgesetzbuch vorgesehen ist. Im Übrigen sei die jetzige Rechtslage ausreichend, um Missbrauch bei der Suizidhilfe zu verhindern. Roßbruch widerspricht in diesem Zusammenhang der oft kolportierten Auffassung, dass es zurzeit einen rechtsfreien Raum gebe.
Die im Entwurf vorgesehene Änderung im Betäubungsmittelgesetz hält Roßbruch dagegen für "nicht ausreichend". In einem eigenen Gesetzentwurf, den die DGHS im September des Vorjahrs vorgestellt hatte, war für das Betäubungsmittelgesetz ein eigener Absatz enthalten, der die Voraussetzungen für die Verschreibung durch einen Arzt umfassend beschreibt.
4 Kommentare
Kommentare
Gita Neumann am Permanenter Link
Zuzustimmen ist der DGHS-Kritik, dass die Wartezeiten nicht flexibel gestalten sind.
entsprechenden Vorschriften zu integrieren. Dass diese nicht ins BtMG weitschweifig aufgenommen werden k ö n n e n, begründen Autorinnen eines Sondergesetzes zu recht so: "Angesichts des notwendigen Regelungsumfangs würde das die Systematik
des Betäubungsmittelgesetzes sprengen und im Übrigen die Auffindbarkeit und
Lesbarkeit entsprechender Regelungen für die Betroffenen erschweren." Dieser Einschätzung ist unbedingt zuzustimmen und wurde auch in allen bisher vorliegenden liberalen Gesetzentwürfen so berücksichtigt.
A.S. am Permanenter Link
Was soll eigentlich geschehen, wenn sich bei einer Beratung herausstellt, dass der/die Suizidwillige eine psychische Störung hat? Muss dann nicht die Bescheinigung verweigert werden?
Robert Fies am Permanenter Link
Ich zitiere aus dem Gesetzentwurf des DGHS:
"In der Beratung hat die sterbewillige Person die Gründe für ihren Sterbewunsch darzulegen."
Ich halte das für eine unnötige und unangemessene Bedingung. Warum sollte die beratene Person dem Arzt gegenüber eine Rechenschaftspflicht über ihren eigenen selbstbestimmten Freitod haben? Dass wir überhaupt ein Rezept zum Erwerb des Natrium-Pentobarbital brauchen, ist schon ein Element der Willkür und Fremdbestimmung.
Ich würde gerne genauer wissen, warum Roßbruch die im überfraktionellen Entwurf enthaltenen Änderungen des BtMG nicht für ausreichend hält und welche Konsequenzen dieser Unterschied in der Praxis haben soll.
Gita Neumann am Permanenter Link
Da wahrscheinlich die wenigsten den aktuellen DGHS-Gesetzentwurf vorliegen haben, hier der Link aus dem hpd:
Tatsächlich sollen demnach im Betäubungsmittelgesetz (!) umfangreich die ärztlichen Sorgfaltspflichten verankert werden, darunter auch, dass der Suizidwillige seine Gründe hat offenlegen sollen/müssen. Dafür ist jedenfalls das Betäubungsmittelgesetz rein systematisch gesehen nicht der geeignete Ort.
G.N.