Ein Jahr Leitender Redakteur

BERLIN. (hpd) Seit Ende Oktober 2013, seit gut einem Jahr, wird der hpd nun schon vom neuen Chefredakteur Frank Nicolai geleitet. Dieses Jubiläum ist Anlass, den Lesern des hpd den Nachfolger von Carsten Frerk näher vorzustellen, von ihm zu erfahren, was er als seine Aufgabe betrachtet, was er vom Bisherigen übernommen hat und was er ändern will.

hpd: Hallo Frank - wir kennen uns ja nun schon einige Jahre - aber die Leser des hpd wissen bislang noch wenig über Dich. Deshalb meine erste Frage: wie bist Du eigentlich zum hpd gekommen?

Frank Nicolai: Das war einer von den Zufällen, die sehr selten vorkommen und die das Leben grundlegend verändern können. Ich bin seit 2009 in der “Szene” aktiv; konkret: ich bin seit dieser Zeit Mitglied bei den Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg, der Berliner Regionalgruppe der GBS. Wie bei vielen anderen war auch für mich die Buskampagne der Auslöser dafür, mich für säkulare und humanistische Belange nicht nur zu interessieren, sondern auch etwas dafür zu tun.

Im November des Jahres später wurde mir Carsten Frerk “offiziell” bei einer Demo für den Iran vorgestellt. Wir haben uns von Anfang an recht gut verstanden und da ich seit vielen Jahren einen Blog betreibe, das Schreiben auch “gelernt” habe und wohl auch mit meiner Haltung und Einstellung zum hpd passte, lud er mich zur Mitarbeit ein. Ende Januar 2010 habe ich den Vollzugriff zum Redaktionssystem des hpd bekommen; ich gehöre seitdem zum Team.

Gut drei Jahre lang konnte ich mich voll auf den hpd konzentrieren, konnten viel lernen und ausprobieren und bin vor eineinhalb Jahren dann - mehr oder weniger freiwillig - den Weg in die Selbstständigkeit gegangen, um nur noch für den hpd zu arbeiten.

 

Das war ein mutiger Schritt, immerhin warst Du zuvor im Öffentlichen Dienst angestellt.

Mutig war das sicherlich auch, aber das ist für mich nicht das Entscheidende. Das war zu diesem Zeitpunkt der einzig konsequente Schritt. Ich hatte mich zu entscheiden: Sicherheit - auch finanzielle Sicherheit - im Öffentlichen Dienst und zu wissen, dass ich unterfordert bin und bleiben werde oder das zu tun, was ich kann, was ich möchte und wo ich ganz sicher mehr bewegen kann als in meinem ganzen Arbeitsleben dort im Rathaus.

Ich habe meine Entscheidung getroffen (lacht).

 

Als Du gefragt wurdest, ob Du Dir zutraust, die Leitung des hpd zu übernehmen, hattest Du - wie ich weiß - Zweifel. Hast Du die noch immer?

Nein, nicht mehr diese. Weißt Du: ich habe 35 Jahre lang - wie heißt das? - “abhängig beschäftigt” gearbeitet. Und mir wurde stets gesagt, was ich wann und wie zu tun habe. Meine Zweifel rührten vor allem daher, dass ich mir nicht zugetraut habe, solch ein Kleinunternehmen, wie es der hpd mit all seinen Redakteuren und Autoren ja ist, leiten zu können. Plötzlich auf der anderen Seite des Schreibtisches zu sitzen; das hat mir Angst gemacht.

Das dauerte auch noch an, als ich schon die neue Rolle innehatte. Es war nicht nur eine riesige Verantwortung, die ich da von Carsten Frerk übernommen hatte, sondern auch eine riesige Verpflichtung all denen gegenüber, die an mich glaubten und nicht zuletzt auch eine den Lesern des hpd gegenüber. Das hat mir manche schlaflose Nacht gemacht.

Nach der Übergabe der Redaktionsleitung sagte Carsten Frerk zu mir: “Ich hatte es einfacher als Du. Ich konnte bei Null anfangen und hatte keinen Druck” worauf ich entgegnete “Ich habe es einfacher als Du. Ich muss nicht bei Null anfangen.”

 

Damit gibst Du das Stichwort: Du hast ja den hpd mit einem bereits aufgebauten Leserstamm übernommen. Hat es dabei Veränderungen gegeben? Haben sich die Leserzahlen in dem Jahr verändert?

Im Oktober des vergangenen Jahres hatten wir durchschnittlich 5.800 Leser an jedem Tag. Aktuell liegt der Durchschnitt bei jetzt knapp über 7.400 Lesern pro Tag. Durch diese Entwicklung fühle ich mich bestärkt und diese Zahlen machen Mut.

Doch das ist nicht allein mein Verdienst. Mein Dank gilt allen Redakteuren und Autoren, die mit mir gemeinsam am “Projekt hpd” arbeiten.

 

Seit dem September dieses Jahres erscheint der hpd in einem neuen Layout. Was ist jetzt anders als zuvor? Und gibt es Erkenntnisse, wie diese Änderung von den Lesern angenommen wurde?

Ich bin noch etwas vorsichtig in meinen Analysen. Was sich jedoch bestätigt, ist, dass die großformatigen Fotos, die der hpd jetzt nutzt, allein im vergangenen Monat rund 400 neue Facebook-Fans generiert haben. Die Verweildauer der Leser auf der Seite ist im Verhältnis zum alten Layout um ein Vielfaches gestiegen und liegt jetzt (aktuell) bei 23 einhalb Minuten.

Wir müssen abwarten, ob diese Zahlen stabil bleiben oder noch immer Auswirkungen der “Neugierde” der Leser sind, die das neue Layout “ausprobieren”. Klar ist aber jetzt schon, dass die in das neue Layout gesteckten Ziele erreicht werden: die Leser sind länger auf der Seite und lesen mehrere Artikel.

 

Die Entwicklung der Leserzahlen ist äußerst erfreulich, bedeutet diese Entwicklung doch auch, stärker meinungsbildend tätig zu sein. Wie soll es mit dem hpd weitergehen, denn – wie ich Dich kenne – wirst Du Dich auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen wollen.

Ausruhen ist in diesem Zusammenhang ein Fremdwort für mich und kommt überhaupt nicht in Frage. Ich möchte den hpd ausbauen und stärker noch in die Gesellschaft hinein verbreiten. Dabei möchte ich in jedem Falle das Bisherige bewahren und ausbauen. Und ich möchte darüber hinaus das Themenspektrum des hpd noch deutlich erweitern. Das jedoch geht sicherlich nur in Einzelschritten.

Die bewährten Themen sollen, ja müssen weiterhin bleiben. Sicherlich setze ich dabei zum Teil andere Schwerpunkte - doch das mache ich ja, seit ich für den hpd schreibe. Was ich mir wünsche, ist, dass der Humanistische Pressedienst differenzierter als andere Medien über “unsere” Themen berichtet.

Natürlich ist und bleibt das “Kerngeschäft” die Berichte über Stellungnahmen, Veranstaltungen und Initiativen, die unsere Partnervereine und -verbände durchführen. Dazu gehören fernen Berichte und Analysen, die die Diskriminierung von Atheisten, Humanisten, säkularen Kräften in Deutschland betreffen und anderseits die Privilegierung von Religionsgemeinschaften. Dazu gehört ebenfalls die Offenlegung der Einflussnahme von Kirchen und Religionsgemeinschaften auf Politik, Staat und Medien.

Selbstverständlich wird auch die Religionskritik - und zwar an jeder Religion - weiterhin ein wichtiges Standbein des hpd bleiben. Doch auch hier wird zukünftig genauer differenziert werden müssen zwischen pauschalem Religionsbashing und genauer, differenzierter Religionskritik.

Gut wäre, wenn der hpd den Ruf der “Religionsfeindlichkeit” loswerden könnte; den Ruf, religionskritisch zu sein, soll er sich aber auf jeden Fall erhalten. Denn das ist ja schon fast unser Alleinstellungsmerkmal.

Was ich als Fernziel erreichen will, ist, dass wir mehr aus dem Ausland berichten. Und zwar aus einer humanistischen Perspektive heraus eigene Beiträge über Vorgänge, die nicht zwingend die “große Politik” sind, veröffentlichen. So, wie wir die “Notizen aus Polen” oder die “Notizen aus Wien” bereits seit etlicher Zeit haben.

 

Du hast mir mal von der Idee berichtet, mehr Debatten im hpd zu führen - bzw. führen zu lassen. Sind diese Überlegungen noch aktuell?

Aber ja! Nicht nur, dass der hpd Pro- und Kontrameinungen über ein Thema veröffentlicht, schwebt mir dabei vor, sondern dass er - so vermessen bin ich - vielleicht sogar einmal den Status erreicht, gesellschaftliche Debatten anzustoßen oder doch zumindest mit seiner ureigenen Stimme zu begleiten.

Die Beschneidungsdebatte vor zwei Jahren und aktuell die um die Sterbehilfe zeigen das ja bereits: der hpd wird, wenn er Informationen anbietet, die nicht unbedingt dem Mainstream entsprechen, gern als alternative und qualitativ gute Quelle genutzt.

Es gibt - wie Du siehst - noch viel zu tun. Ich bin sehr dankbar und glücklich, dass ich diese Aufgabe übergeben bekommen habe.

 

Viel Erfolg für die weitere Arbeit – ich bemühe mich ja, mit dem einen oder anderen Artikel dabei Unterstützung zu leisten.

 

Das Gespräch führte Walter Otte für den hpd.