Rezension

Eine kritische Biographie zu Papst Franziskus

BONN. (hpd) Der ehemalige Theologie-Professor Hubertus Mynarek legt mit “Papst Franziskus. Die kritische Biographie” die erste deutsche kritisch gehaltene Lebensbeschreibung des Papstes vor und deutet ihn darin insbesondere im Lichte seine jesuitischen Sozialisation. Die Erörterung konzentriert sich mehr auf die theologische, weniger auf die politische Seite; gleichwohl findet man darin gut begründete kritische Einschätzungen, mitunter etwas polemisch, mitunter etwas weitschweifig vorgetragen.

Nachdem Jorge Mario Bergoglio 2013 zum Papst gewählt wurde, kursierten Berichte in den Medien, die seine Rolle während der Zeit der Militärdiktatur in Argentinien problematisierten. Das dadurch zunächst eher distanzierte Bild von Franziskus wandelte sich dann aber binnen kurzem zu einer idealisierenden Wahrnehmung. Denn die erklärte Kritik am Kapitalismus und die Solidarität mit den Armen lösten auch außerhalb des Katholizismus für den neuen Papst eine hohe Wertschätzung aus. Auch bedenkliche Aussagen wie die über das Schlagen von Kindern minimierten sie nicht. Allein von daher verdient ein kritischer Blick auf Jorge Mario Bergoglio nähere Aufmerksamkeit.

Hubertus Mynarek, der 1972 als erster Professor der Theologie aus Gewissensgründen aus der katholischen Kirche austrat, legt mit “Papst Franziskus” – so der Untertitel – “Die kritische Biographie” über ihn vor. Darin betont der Autor, dass mit Franziskus erstmals ein Jesuit in das höchste Amt der katholischen Kirche gelangte und hier eine besondere Konstellation bestehe.

Sein Buch stelle sich die “Aufgabe, Relevanz, Sinn und Konsequenz dieser sensationellen Neuerung in Verständnis und Struktur des Papsttums unter möglichst allen Geschichtspunkten zu beleuchten” (S. 12f.). Es gliedert sich dazu in drei große Teile: Zunächst geht es um die Biographie Jorge Mario Bergoglios vom Chemielaboranten zum Papst der Weltkirche. Dabei baut Mynarek längere Ausführungen über die Jesuiten ein und kommentiert auch: “Dieser Krieger Jorge Mario Bergoglio fühlt sich gesandt, mit eiserner Disziplin die Gesellschaft der Jesuiten und zugleich die ganze Kirche zu erneuern, die auseinanderdriftenden Teile der selben zu fester Ordnung zurückzuführen, und zwar im Geist des Ordensgründers” (S. 69). Danach steht die Theologie des Franziskus im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mynarek beginnt gleich mit einem Grundsatzurteil: “In seinen Büchern und Schriften legt uns der Papst das naivste, fundamentalistischste, unkritischste, von jeglichem Zweifel unberührteste Gottes-, Jesus-, Marien-, Kirchen- und Teufelsbild vor …” (S. 101).

Dies macht der Autor dann an einer Fülle von Beispielen für die genannten Themenfelder deutlich. Er meint etwa, Bergoglio sei “unberührt von den Resultaten wissenschaftlicher Jesus-Forschung” (S. 129). Es geht dann jeweils um die Christologie und Satanologie, die Ekklesiologie und die Mariologie des Papstes. Dabei findet man auch eine Einschätzung zu dem Bild vom “Papst der Armen”, denn Mynarek schreibt: “Die neue antielitäre Botschaft … heißt … Gebt der Masse, den Armen, dem gläubigen Volk ihre Devotionalien, Ritualien, Sakramentalien, Zeremonien … zurück, wenn das nur … im Rahmen der Oberhoheit der Kirche geschieht und die Leute nicht in die evangelikalen Gemeinden abwandern” (S. 185). Und schließlich fragt Mynarek noch, was der Papst tue und was er versäume. Dabei steht erneut die Kritik an der Glaubwürdigkeit seiner Armentheologie im Zentrum, es geht aber auch ausführlich um als ketzerisch und sensationell geltende Aussagen des Papstes von dem Bekenntnis zur Sünder-Existenz bis zur Wertschätzung der Homosexuellen.

Bei all dem blickt Mynarek kritisch auf das Gemeinte, denn hinsichtlich des letztgenannten Beispiels macht der Blick auf den Kontext deutlich: Dies wäre nur dann der Fall, “wenn sie in den Augen der sie beurteilten Kirche guten Willens sind” (S. 283). Auffällig ist, dass der Autor kaum die politischen und mehr die theologischen Fragen anspricht. So findet man nur am Rande einige Kommentare zur Kapitalismuskritik, die bei Franziskus nicht über die Artikulation des Bedauern von Armut hinausgehe. Hierzu hätte man gern mehr gelesen. Gleiches gilt für die einleitend erwähnte Lebensphase während der Militärdiktatur. Ansonsten ist das Buch von der Fachkompetenz des Theologen geprägt. Dies führt aber auch immer wieder dazu, dass Mynarek vom eigentlichen Thema wegkommt. Manchmal wird er selbst autobiographisch, etwa wenn über die Begegnungen mit Karl Rahner und Luise Rinser berichtet wird. Nur, was hat das in einer Franziskus-Biographie zu suchen? Abstrahiert man davon, lässt sich das Buch, das jetzt in einem seriösen Verlag erschien, mit Gewinn lesen.

Hubertus Mynarek, Papst Franziskus. Die kritische Biographie, Marburg 2015 (Tectum-Verlag), 330 S., 19,95 Euro