BERLIN. (hpd) Heute werden sich die EU und die Türkei zum Thema Flüchtlinge treffen. Europa hat inzwischen beschlossen, die sog. "Balkanroute" geschlossen zu halten und so den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien den Weg nach Europa lebensgefährlich zu erschweren. Zudem verhandelt Europa mit einer sich islamisierenden Türkei darüber, syrische Flüchtlinge an der Weiterreise nach Europa zu hindern. Diese Situation kommentiert Memet Kilic (MdB a.D.).
Die Situation der Bundeskanzlerin Dr. Merkel ist im wahrsten Sinne des Wortes ein griechisches Drama. Der berühmte Dichter Homer hat alles vorausgesehen. Die Bundeskanzlerin hat eine Herkulesaufgabe zu bewältigen. Sie muss die Jahrhundertherausforderung meistern: Geflüchteten Menschen helfen und die EU als Gemeinschaft retten; da außer ihr auch keine andere politische Gestalt in der EU dazu in der Lage zu sein scheint.
Ihre Situation ähnelt aber nicht Herkules, sondern Odysseus.
Die Bundeskanzlerin wählt die Fahrt durch jene Meerenge, an deren beiden Seiten Charybdis und Skylla hausen. Die AfD haust auf der einen und Erdogan auf der anderen Seite.
Sie schickt elf Schiffe in die Ägäis, in der Hoffnung dass sie Erdogans Erpressungsspiel konterkarieren kann. Jedoch kann ihr dabei nicht einmal der Meeresgott Poseidon (NATO) helfen.
Wenn sie wie Odysseus heil herüberfahren möchte, muss sie auf den richtigen Weg setzen, sich an einen Feigenbaum klammern bis die Turbulenzen vorbei sind und mutig rudern. Welcher ist der aber richtige Weg und wo ist der rettende Feigenbaum?
Deal mit den Islamisten?
Als ich vor Jahren noch lautstark vor einem "breitbeinigen Islamisten" gewarnt habe, waren viele Bundespolitiker der Meinung, dass unter der Führung von Erdogan und seiner Partei AKP, die Türkei viel "demokratischer und schwuler" geworden sei.
Als ich gefordert habe, dass Frau Merkel viel mutiger die regelmäßigen Wutausbrüche von Erdogan gegen Deutschland zurückweisen müsste und sich nicht totstellen dürfe, hatte ich innerlich doch eine leise Hoffnung, dass sie eine feinere Strategie hat.
Ich musste aber diese Hoffnung endgültig aufgeben, als Frau Merkel zwei Wochen vor der entscheidenden Wahl in der Türkei feierlich Herrn Erdogan besucht und ihm Wahlhilfe geleistet hat. Selbst Erdogans Lob für das Regierungssystem von Hitler-Deutschland scheint Frau Merkel nicht abgeschreckt zu haben.
Sie ist die Geisel einer "Realpolitik" geworden, von der sie sich ohne öffentliche Warnung nicht befreien kann.
Erdogan ist Teil des Problems
Daher frage ich mich, warum das kollektive Gedächtnis (insbesondere Medien) vergessen, dass Herr Erdogan gemeinsam mit Saudi-Arabien und Katar die Dschihadisten gefördert und aufgerüstet hat, er selbst für dieses Flüchtlingsaufkommen verantwortlich ist. Dass diese schutzsuchenden Menschen, den Schutz nicht in Saudi Arabien, Katar suchen dürfen und nicht mehr in der Türkei genießen, wird nicht thematisiert. Der türkische Ministerpräsident Davutoglu hat beim Sender Al Jazeera am 23.02.20016 stolz "gestanden": "Wenn das Regime (Syrische Regierung) sein gesamtes Territorium nicht kontrollieren kann, dann dank uns. Wir werden diese Unterstützung fortsetzten."
Wir sind lediglich in der Lage, Deutschland dafür zu kritisieren, dass es nicht genügend Hilfe für die Flüchtlingslager in der Türkei geleistet habe. Warum erinnern wir uns nicht daran, dass bis vor ein paar Jahren nicht einmal der UNHCR die Flüchtlingslager in der Türkei besuchen durfte. Niemand durfte sehen, wer tatsächlich dort beherbergt und trainiert wurde. "Gemäßigte" Dschihadisten?
Warum macht die Bundespolitik nicht bekannt, dass Deutschland von der türkischen Regierung vor ein paar Jahren aufgefordert wurde, Feldlazarette an der syrischen Grenze zu liefern aber ohne deutsches Personal. Keine sollte wissen, wer dort behandelt wird.
Flüchtlinge als Erpressungsmittel der Diktatoren
Wir haben eine Öffentlichkeit, die allen Zahlen vertraut, die von Erdogan geliefert werden. Angeblich versorgt die Türkei 2,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Im besten Falle leben nur 250 Tausend davon in den Flüchtlingslagern, der Rest wird auf der Straße ausgebeutet. Mindestens 1,5 Millionen davon befinden sich mittlerweile in Europa. Werden die von den türkischen Behörden registrierten Flüchtlinge wieder aus den Registern ausgetragen, wenn sie in die EU weiterwandern? Wohl kaum. Warum kauen dann unsere Medien diese Zahl 2,5 Millionen Flüchtlinge in der Türkei weiterhin wieder?
Warum fragt keiner danach, was aus dem Rücknahmeübereinkommen mit der Türkei geworden ist? Jeder, der Erdogan rudimentär kennt, weiß, dass er seine Verhandlungspartner nur einlullt, auf Zeit spielt und letztendlich Vereinbarungen bricht, wenn er diese nicht mehr braucht. Er hat vor kurzem der Kanzlerin Merkel öffentlich damit gedroht, die Flüchtlinge in Bussen zu setzen und nach Europa zu schicken. Er hat bemerkt, dass Europa erpressbar ist.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er Busse voll mit Flüchtlingen nach Europa schickt und dies auch mit der Finanzhilfe (drei Milliarden) der EU finanziert.
Er wird die Flüchtlinge, die von den 11 deutschen NATO-Schiffen abgefangen werden, nicht zurücknehmen, sondern per NATO-Schiffen nach Europa schicken.
Waffenlieferungen an Dschihadisten stoppen
Was muss Frau Merkel tun? Sie muss sich wie Odysseus an einen Feigenbaum festklammern, bis die Bedrohung durch das Seeungeheuer vorüber ist. Dieser Feigenbaum müsste idealerweise die EU sein, die es aber zurzeit nicht ist. Dieser rettende Anker ist die demokratische Öffentlichkeit in der Türkei und in Europa, die den islamitischen Kurs von Erdogan nicht unterstützt. Statt Wahlkamphilfe für Erdogan, müsste sie sich für die demokratischen Forderungen der Minderheiten einsetzen. Die Waffenlieferungen für die Dschihadisten durch die türkische Regierung zu konstatieren und die inhaftierten Journalisten zu ignorieren ist nicht der aufrichtige Weg, den Odysseus gerudert ist.
Erdogans Geheimdienststrukturen in Deutschland
Ab dem 13. März 2016 werden die Konfrontation zwischen Deutschland und der Türkei viel sichtbarer werden. Frau Merkel und andere Unionspolitiker werden von den Fesseln der Länderwahlen befreit aber gleichzeitig Geisel von AfD sein.
Spätestens im Oktober wird Erdogan seine Geheimdienststrukturen in Deutschland aktivieren, weil er bewusst heute die türkische Öffentlichkeit dahingehend manipuliert, dass die Visaliberalisierung für türkische Staatsangehörige ab dem 1. Oktober 2016 nach einem Automatismus funktioniere. Er wird wieder die stärkste Keule von jedem Islamisten in die Hand nehmen: eine äußerst ausgeprägte Kränkungsbereitschaft. Er wird sich als betrogener gutmütiger edler Muslim darstellen, dessen reines Vertrauen missbraucht wurde.
Ich weiß, dass schlechte Prognosen in der deutschen Öffentlichkeit nicht gut ankommen und deshalb die Chancen für die Veröffentlichung dieses Artikels schmälern, weil der Deutsche lieber aus Angst im Kohlekeller pfeift als die Wahrheit zur Kenntnis zu nehmen; dennoch muss ich den lieben Leserinnen und Lesern etwas mitteilen: Nach der am 27. April 2014 in der Türkei in Kraft getretenen Gesetzesänderung hat der türkische Geheimdienst eine gesetzliche Grundlage erhalten, auch im Ausland "operative" Maßnahmen durchzuführen Hierzu gibt noch ein paar Details. Diese sind aber nicht öffentlich auszusprechen. Ich bitte um Ihr Verständnis.
4 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Na, das hört sich am Ende ja recht geheimnisvoll an.
Was ich aber nicht verstehe - inwiefern ist (wie es im Obertitel heißt) RTE die Rettung der Bundeskanzlerin?
Wolfgang am Permanenter Link
Wir wissen, das wir nichts wissen. Sokrates
Wenn eine Ära abgeschlossen ist, erfahren wir, was in der Vergangenheit alles passierte und unsere Kinder werden uns wieder fragen, habt ihr das nicht alles vorher gewusst?
Nein, wir wussten nicht alles, aber immer mehr dank Internet.
Die "Fürsten" dieser Welt haben das Internet unterschätzt, die Politiker, die Kirchen und die anderen Betrüger unter unseren Nachbarn.
Glaubt nicht bedingungslos den alten Manuskripten, glaubt überhaupt nicht an etwas, nur weil die Leute daran glauben - oder weil man es Euch seit Eurer Kindheit hat glauben lassen.
Budda
Marie Wildermann am Permanenter Link
Lieber Memet Kilic,
die "Details" würde man natürlich schon gern wissen. Und wenn Sie sie nicht sagen "dürfen", sollten Sie wenigstens den Grund nennen.
Harald Freunbichler am Permanenter Link
Was nicht gesagt werden kann, darüber sollte man schweigen. (Frei nach Wittgenstein)