Die derzeitige schwarz-rote Bundesregierung will dem grassierenden Islamismus mit einem Bund-Länder-Aktionsplan entgegentreten. Wie der aussehen könnte, wurde in einer Auftaktveranstaltung in Berlin mit rund 50 Experten diskutiert. Eingeladen hatten der AK Polis und das Mernissi-de-Gouges-Bildungs- und Sozialwerk der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee. Mit dabei: Christoph de Vries, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern.
"So einen Kreis habe ich mir immer erträumt" – So begrüßte Seyran Ateş die fast 50 Gäste in ihrer liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin. Islamexperten und -kritiker sowie Vertreter des Bundesinnenministeriums waren unter Polizeischutz zusammengekommen, um den Aufschlag für einen Bund-Länder-Aktionsplan gegen Islamismus zu machen, wie er im aktuellen Koalitionsvertrag auf Seite 85 angekündigt ist. Die Initiative zur Umsetzung hatte nun der im November vom Zentralrat der Konfessionsfreien mitgegründete Arbeitskreis Politischer Islam (AK Polis) ergriffen.
Der Vorsitzende des Zentralrats Philipp Möller sprach ebenfalls ein Grußwort, in dem er als Ziel der Veranstaltung ausgab, die mögliche Ausrichtung des Aktionsplans zu diskutieren, den er als "dringend notwendig und längst überfällig" bezeichnete. Dabei solle sowohl der militante als auch der legalistische Islamismus thematisiert werden, um das Thema nicht nur auf sicherheitspolitische Aspekte zu verengen, sondern auch Bildung, Wissenschaft, den digitalen Raum und die europäische und internationale Dimension in den Blick zu nehmen. "Im Idealfall wird dieser Bund-Länder-Aktionsplan nicht weniger sein als der Anfang vom Ende des Politischen Islam in Deutschland."
Parlamentarischer Staatssekretär Christoph de Vries
Ein prominenter Gast war der Einladung gefolgt: Christoph de Vries, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern (BMI). Er sprach von einer islamistischen Bedrohung für die freiheitliche offene Gesellschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die unterschätzt und wachsend sei. Grundwerte würden "fundamental in Frage gestellt", es gehe um gezielte Einflussnahme unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit. "Islamistische Ideologien wirken schleichend, sie greifen in unsere demokratische Kultur ein, es werden soziale Räume unterwandert, individuelle Freiheitsräume unterdrückt." Alles, was im Bereich des Rechtsextremismus unternommen wird, fehle im Bereich der Islamismusbekämpfung weitgehend, dafür mangele es auch an gesellschaftlichem Konsens und politischem Rückhalt. Dass es etwa noch keine Islamismusbekämpfungs-Lehrstühle gebe, spreche Bände. Hier brauche es Aufklärung. Auch sei es "unsere Pflicht als Staat, solchen Entwicklungen konsequent entgegenzuwirken". "Wir müssen schauen: Wen fördern wir eigentlich mit unseren öffentlichen Mitteln – ist das im Sinne der freiheitlichen demokratischen Grundordnung?" Organisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, also Verfassungsfeinde seien, könnten keine Partner im Bereich Demokratieförderung sein. Das BMI will die bereits bestehende Task-Force-Islamismusprävention damit betrauen, einen ersten Entwurf für den Bund-Länder-Aktionsplan zu erarbeiten. De Vries hofft, dass man von Seiten der Politik im Laufe des Herbstes "in den Prozess eintreten" könne.

Seyran Ateş betonte in ihrer Reaktion auf den Impuls des Staatssekretärs, dass es schon lange nicht mehr um einzelne Brennpunkte gehe und ihre Moschee die einzige sei, die sich nach dem 7. Oktober klar zum Existenzrecht Israels bekannt habe und an der Seite der palästinensischen Mitmenschen stehe, aber gegen die Hamas Position bezogen habe. "Wir ergreifen jetzt einfach die Chance, dass wir ganz am Anfang mit Ihnen gemeinsam gestalten können", sagte sie in Bezug auf das Thema der Veranstaltung. Auch Philipp Möller freute sich über die klaren Worte von Christoph de Vries und gab das Wort an die, die zum Mitgestalten gekommen waren: das Publikum.
Dimensionen islamistischen Denkens erfassen
"Die ganze Islampolitik muss geändert werden" – mit dieser Forderung meldete sich der Autor und Publizist Ralph Ghadban zu Wort. Die bisherige habe dazu geführt, dass Muslime auch nach 50 bis 60 Jahren in Deutschland zum Großteil nicht integriert seien. Sie kämen nicht zu uns, sondern in Parallelgesellschaften. Die Islamkonferenz habe nicht geholfen, sondern zuletzt im Dienst der Verbände und Islamisten gestanden. Er plädierte für eine Übertragung in den Integrationsgipfel, denn "der Sonderstatus hat nichts gebracht". Die Aussage "Das hat mit dem Islam nichts zu tun" sei ein Witz. In der Bewertung der bestehenden Islamkonferenz stimmte de Vries zu, er glaube allerdings schon, dass es wichtig sei, dass es ein solches Format gibt. Ausländische Regierungen würden unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit Einfluss auf deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens nehmen, das sei ein Kernproblem, und wenn man davon wegkommen wolle, müsse man eigene Angebote machen. "Ich würde mir einfach wünschen, dass wir eine andere Repräsentanz der Muslime in Deutschland hätten." Das müsse aber von den Muslimen selbst kommen. Hier hakte Seyran Ateş ein: Viele liberale Muslime wünschten sich, dass die Politik auch sie unterstütze, bisher seien aber immer nur die sogenannten großen Verbände angesprochen worden.
Die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann zeigte sich überzeugt, dass die Antworten der letzten Jahre auch deshalb falsch gewesen seien, weil falsche Fragen gestellt wurden. Die künstliche Trennung zwischen Islam und Islamismus hält sie für politisch notwendig, um legitime politische Betätigung von Systemsturzfantasien abzugrenzen. Vom anwesenden Parlamentarischen Staatssekretär wollte sie wissen, wie das BMI den Bund-Länder-Aktionsplan angesichts der unterschiedlichen Zuständigkeiten zu koordinieren gedenke. Die Probleme könne kein Land wegdiskutieren, erwiderte de Vries, und eine Zusammenarbeit auf Bund-Länder-Ebene sei nichts Neues, was es nicht auch schon in anderen Bereichen gebe, man müsse das gemeinsam besprechen und vereinbaren.
Parlamentarischer Staatssekretär Christoph de Vries
Stephanie Walter von Terre des Femmes verwies auf eine von ihrer Organisation durchgeführte Studie zum Kinderkopftuch an Schulen, die ergeben hatte, dass 56 Prozent der kopftuchtragenden Mädchen unter 14 Jahren nicht mehr am Schwimm- und Sportunterricht teilnehmen, beim Sexualkundeunterricht sind es 35 Prozent. Da öffentliche Bildungseinrichtungen für diese Mädchen die einzige Möglichkeit seien, sich ohne Kontrolle der Familie über ihre Rechte zu informieren, wollte sie wissen, wie der Bund-Länder-Aktionsplan auch Schulen unterstützen möchte. Christoph de Vries bat um Zusendung der Studie und stellte klar, dass auch Bildung und Schule ein Themenfeld der Islamismusbekämpfung sein müsse, in diesem Fall vorrangig der Länder, die in erster Linie für die Bildungspolitik zuständig sind. Im Hinblick auf die Gleichberechtigung der Geschlechter sprach er von einem "elementaren Rückschritt", den wir nicht hinnehmen könnten. "Das hat nichts mehr mit Religionsfreiheit zu tun (…). Und junge Frauen und Mädchen müssen genau so frei aufwachsen können wie das junge Männer auch können in Deutschland." Befreiungen vom Sport- oder Schwimmunterricht erteilte er in diesem Kontext eine klare Absage. Ein Kopftuchzwang im Sinne eines Konformitätsdrucks sei "furchtbar". An Schulen brauche es Klarheit und Orientierung, Regeln müssten gelten und auch nicht vor religiösen Wertvorstellungen haltmachen. Man dürfe nicht anfangen über Dinge wie Gebetsräume an Schulen zu verhandeln.
Das Thema Schule sprach auch Michael Hammerbacher vom Verein für Demokratie und Vielfalt in Schule und beruflicher Bildung an: Dimensionen islamistischen Denkens müssten erfasst werden. Er beschrieb, wie sein Verein Devi in seiner Arbeit belege, wie islamistisches Denken in Sozialräume wie Schulhöfe eindringe und mit der Zeit den Alltag präge und sprach sich für eine Rolle der Prävention im Aktionsplan aus. Mit Blick auf die Umsetzung fügte er salopp an, nicht nur "Dinge in Auftrag zu geben in irgendwelchen Ministerien".

Christoph de Vries problematisierte in seiner Antwort auf eine Frage von Yahya Ekhou von der Säkularen Flüchtlingshilfe, dass Asylsuchende nicht zuletzt aufgrund von Überlastung der Strukturen in den ideologischen Bann islamistischer Organisationen gezogen würden. Hier sei etwas "grundlegend falsch". Der politische Wille, dieser extremistischen Entwicklung entgegenzutreten, sei da, so de Vries. "Ich bin der Meinung, wir müssen schnell handeln, wir haben nicht mehr so viel Zeit."
Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland forderte: "Der Innenminister muss auch sagen: Die deutsche Islampolitik der letzten 20 Jahre ist gescheitert". Religionskritik sei kein Rassismus, stellte er außerdem klar, sondern eine Errungenschaft der Aufklärung. "In keinem muslimischen Land gibt es die Religionsfreiheit, die wir hier haben. Deswegen müssen wir endlich aufhören uns in die Ecke drängen zu lassen von rechtsextremistischen Islamverbänden."
In seinem Schlusswort freute sich der Parlamentarische Staatssekretär über die "wichtigen Verbündeten", "die willens sind für Frauen-, für Mädchenrechte, für Gleichberechtigung, für Religionsfreiheit, einfach für diese liberale Demokratie (…), die eine Besonderheit in der Welt ist", einzutreten. Er hoffe auf Fortschritte innerhalb dieser Legislaturperiode, der Innenminister unterstütze das ausdrücklich.
Hinweis der Redaktion: Im dritten Absatz hieß es aufgrund eines Bezugsfehlers ursprünglich "Das BMI will den AK Polis damit betrauen, einen ersten Entwurf für den Bund-Länder-Aktionsplan zu erarbeiten." Dies wurde am 05.08.2025 um 16 Uhr korrigiert.







4 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Die Religionen sind von Menschen entwickelte Instrumente zur Manipulation der Massen.
Der Ansatzpunkt ist unser angeborener Selbsterhaltungstrieb. Auf diesem reitet die Lüge vom "ewigen Leben im Paradies".
Unterm Strich geht es bei jeder Religion um irdische Macht und irdisches Geld für die Priesterschaft.
Assia Harwazinski am Permanenter Link
"Polis" ist das vieldeutige Wort mit mehreren Bedeutungen: Stadt (griech.), damit auch " Verwaltung" - Polizei (in mehreren Sprachen) - hier nun: Politischer Islam, kurz Polis.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Der Zweck ist immer der gleiche, Menschen gefügig machen und diesen ein nie erreichbares Heilversprechen einzuimpfen, zum Vorteil der Verkünder und zum nie erreichbaren Versprechen der Gläubigen, das ist eindeutig Bet
Jeder Mensch der Betrügt wird früher oder später dafür zur Rechenschaft gezogen, ausser
die Pfaffen, diese haben Narrenfreiheit, da sie ja das ewige Leben in einem imaginären "Himmel" versprechen?
Dipl. Phil. Hel... am Permanenter Link
"Islamexperten und -kritiker sowie Vertreter des Bundesinnenministeriums waren unter Polizeischutz zusammengekommen, um den Aufschlag für einen Bund-Länder-Aktionsplan gegen Islamismus zu machen (...)"
2025. Bundesrepublik Deutschland. Treffen unter Polizeischutz in Sachen politischer und legalistischer Islam. Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Die WELT berichtete kürzlich über systematischen Vandalismis in unseren Kirchen.
Viele Vertreter von Innenpolitik und Sicherheitskreisen - mich eingeschlossen - halten den politischen Islam für die größte Bedrohung der europäischen Demokratien. Westeuropa wird es wohl nicht mehr schaffen, die Politik hat über Jahrzehnte nicht hingeschaut. Die osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten aber haben an der richtigen Stelle aufgepasst. Sie haben ihre Grundrechte und -freiheiten vor dieser dominanten, verfassungsfeindlichen, mittelalterlichen Konfession mit absolutem Allmachtsanspruch geschützt.
Dafür hat der deutsche Modekonzern Otto jetzt Kleidung für Muslimas im Mode-Programm. Frauen und Mädchen werden jetzt inmitten Deutschlands schon einmal ordentlich in ihre Gott gegebenen Rollen "eingenordet": Keuschheit, Dienen, Kinder gebären, Haushalt, Küche, weitere Ehefrauen akzeptieren, Allah huldigen. Und Otto leistet Schützenhilfe - Chapeau!