BONN. (hpd) Der Fachjournalist Hans Ulrich Grimm macht in seinem Buch "Die Fleischlüge. Wie uns die Tierindustrie krank macht" auf die Folgen industrieller Massentierhaltung zur Nahrungsproduktion aufmerksam. Dies geschieht gelegentlich mit alarmistischem, aber auch gut begründetem Ton, wobei aber auch die Bedingungsfaktoren für die beklagten Zustände größere Aufmerksamkeit hätten finden können.
Lebensmittel-Skandale kommen mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf. Da findet man im Angebot mal Gammelfleisch oder in der Lasagne mal Pferdefleisch, in Eiern mal Chemierückstände oder im Fisch mal Giftstoffe. Für kurze Zeit dominieren derartige Berichte die Medien und Tagesgespräche, dann geht man zum nächsten Skandal auf einem anderen Themenfeld über. Dabei sind Ernährungsfragen kontinuierlich aktuell, denn wir Essen ja nun tagtäglich. Wie es um die Qualität der dabei verspeisten Produkte jeweils steht, ist mittlerweile Gegentand vieler kritischer Publikationen.
Als ein bekannter Autor in diesem Bereich gilt Hans-Ulrich Grimm, der als Fachjournalist einige Bücher mit Titeln wie "Vom Verzehr wird abgeraten. Wie uns die Industrie mit Gesundheitsnahrung krank macht" (2012) oder "Die Kalorienlüge. Wie uns die Nahrungsindustrie dick macht" (2015) veröffentlichte. Ähnlich in Aufmachung und Titel ist "Die Fleischlüge. Wie uns die Tierindustrie krank macht", worin es um die Folgen der Massentierhaltung geht.
Bereits in der Einleitung betont Grimm den Unterschied zu früherer landwirtschaftlicher Produktion, wo es eine engere Mensch-Tier-Verbindung gegeben habe. Dies sei nicht mehr so, wenn wie in Deutschland im Jahr 58 Millionen Schweine geschlachtet werden. Tiere gelten denn auch als bloße Ware. Welche Folgen dies hat, macht der Autor fortan anhand von Beispielen deutlich. Dabei berichtet er von Begegnungen mit Betroffenen und referiert die Ergebnisse der Forschung. Dies alles geschieht gut verständlich, locker formuliert und empört gestimmt. Für die letztgenannte Einstellung kann Grimm auch gute Gründe anführen. Dabei beschreibt er zunächst die Entwicklungen in der Fleischindustrie bezogen auf die Schweine, danach die Herstellung von Milch und deren Qualität, sodann die Geflügel-Produktion mit den Lebensbedingungen der Tiere und dann auch die Rolle von Antibiotika-Resistenzen im Essen. Insgesamt entsteht dadurch ein Schreckensbild für Mensch und Tier, kann doch eine solche Ernährungsindustrie nur krank machen und unmoralisch sein.
Der Autor belässt es aber nicht nur bei anklagenden Berichten über Zustände: Ein Kapitel ist auch dem Machtfaktor Tierindustrie gewidmet. Denn angesichts der zuvor beschriebenen Entwicklungen und Gegebenheiten stellt sich auch die Frage, warum kann dies so sein, warum passiert hier nichts gegenläufiges? In diesem Kontext wird auf den Einfluss der einschlägigen Firmen auf die Forschung aufmerksam gemacht, welche dann häufig von den Dritt-Mitteln an Eigeninteressen interessierter Akteure abhängig ist. Der Staat sei bei all dem so etwas wie ein Dienstleister für die Tierindustrie geworden. Grimm macht diese Zusammenhänge zwar nur kurz, aber anschaulich deutlich. Gegen Ende findet er kritische Anmerkungen zu veganer Ernährung, bestehe dabei doch die Gefahr des Fehlens von wichtigen Vitaminen. Demgemäss endet das Buch nicht in einem Plädoyer für fleischlose Ernährung. Wenig Fleisch, wenig Tierisches, das sei der Königsweg. Das moralische Problem könne dabei mit mehr Respekt für die Tiere gelöst werden.
Grimm "bombardiert" seine Leser mit einzelnen Fakten: Er erwähnt und referiert eine Fülle von Studien, die auf die Gefahren der Massentierhaltung für die Menschen aufmerksam macht. Auch wenn er dem Leiden der Tiere dabei keinen herausragenden Stellenwert einräumt, veranschaulicht der Autor auch diese Dimension bei der Herstellung von "Industriefleisch". Mit guten Gründen wird dabei skandalisiert, geht es doch um die Gesundheit vieler Menschen. Die Frage: Warum ist das so? wird aber nicht ausreichend deutlich gestellt. Zwar gibt es ein Kapitel zu Staat und Tierindustrie, und es werden auch immer wieder die ökonomischen Interessen von Firmen angesprochen, aber hier liegt denn auch für das Problem eine wichtige Ursache. Gegen Ende des Buchs macht Grimm eine kleine Rolle rückwärts: Fleischlose Ernährung könne auch zu Vitaminmangel führen. Das ist richtig, dafür gibt es aber einschlägige Nahrungsergänzungsmittel wie für B 12. Dass vegetarische Ernährung gesund und möglich ist, belegt eine wachsende Minderheit.
Hans-Ulrich Grimm, Die Fleischlüge. Wie uns die Tierindustrie krank macht, München 2016 (Dromer-Verlag), 335 S., ISBN: 978-3-426-27641-9, 18,00 Euro
4 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Na ja, es ist doch schon länger bekannt, dass artgerecht freilaufendes Vieh ernährungsphysiologisch (z.b. beim der Fettsäureverteilung) gute Ernährung ist.
Stefan Wagner am Permanenter Link
Ich meine es waren EHEC-Viren, die über Sprossen übertragen wurden, die zu einem der gefährlichsten Gesundheitsskandale des letzten Jahrzehnts in Deutschland führten.
Pestizide in Tees und Kräutern kamen auch schon ins Gerede.
Die Obst-Gemüse-Getreideproduktion folgt den gleichen, kapitalistischen Gesetzen und muss es auch, wenn wir nicht die Anbauflächen für bio-dynamische Massenproduktion auf das Vielfache heutiger Flächen ausdehnen wollen.
Von aktuellen Skorbutfällen in Deutschland ist mir auch nichts bekannt.
René am Permanenter Link
Schön. Danke! Ähnliche Gedanken kamen mir auch, ich fand aber nicht gleich Worte dafür und verwarf die Motivation zur Kommentierung dann wieder. Jetzt möchte ich aber wenigstens zustimmen.
Frank Spade am Permanenter Link
Die Vorwürfe gegen die tierische Nahrungsmittelproduktion sind schon so oft erhoben worden, dass viele sie schon nicht mehr hören geschweige denn angemessen einordnen können (was die hier bisher vorliegenden Kommentar