Tagebuch einer Ungläubigen – "Katholikentag Leipzig 2016" – Tag 5

Nudeln und Bombenstimmung

LEIPZIG. (hpd) Weil in der Moses-Figur eine Bombe versteckt sein könnte, wird das 11. Gebot vom Abschlussgottesdienst verbannt. Die Christen feiern sich selbst und die "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters" überrascht die Kirchentagsbesucher mit einer Nudelmesse. In ihrem Tagebuch berichtet Daniela Wakonigg von der Bombenstimmung am letzten Tag des 100. Deutschen Katholikentags in Leipzig.

Heute geht der Katholikentag zu Ende. Und endlich erlebe ich während des Christenfestes in Leipzig auch mal einen gut gefüllten Platz. Rund 20.000 Menschen sollen sich laut Medienberichten hier zusammengefunden haben, um gemeinsam einen Abschlussgottesdienst zu feiern. Grüne Katholikentagsschals soweit das Auge reicht. Nicht-Schalträger scheinen sich eher nicht zu dem Event verlaufen zu haben.

Zur Feier des Tages hat Moses beschlossen, den Katholiken noch einmal die Leviten zu lesen. Natürlich will man sie bei ihren Gebetsverrichtungen nicht laut stören, sondern ihnen nur leise mahnend vor Augen halten, dass sie ihr Spektakel doch bitte aus der eigenen Tasche bezahlen mögen.

Zu einer Störung des Gottesdienstes kommt es dann aber doch. Verursacht durch den Veranstalter des Katholikentags selbst. Der Veranstaltungsleiter, der bereits am Donnerstag in Hinblick auf die Moses-Figur die Auffassung vertrat, dass die katholische Kirche "sowas auf ihrem Grund und Boden" nicht dulde, will Moses natürlich auch beim Abschlussgottesdienst nicht tolerieren. Deshalb ruft er einen Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Leipzig sowie die Polizei hinzu.

Der Mitarbeiter des Ordnungsamtes teilt der Polizei mit, dass der Katholikentagsveranstalter angeblich das Hausrecht für den Platz habe. Diese Auffassung des Ordnungsamts hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen jedoch bereits am Freitag für falsch erklärt. Übertragen worden ist lediglich ein Sondernutzungsrecht, das jedoch keine willkürliche Unterbindung des Versammlungsrechts für das 11. Gebot rechtfertigt. Diese eindeutige obergerichtliche Entscheidung schert jedoch weder den Veranstaltungsleiter des Katholikentags noch den Mitarbeiter des Ordnungsamts. Da sich die Polizei auf die falsche Aussage des Ordnungsamtsmitarbeiters verlässt und noch dazu plötzlich das Argument auftaucht, in der Moses-Figur könne ja eine Bombe versteckt sein, fordert die Polizei das 11. Gebot auf, Moses vom Augustusplatz zu entfernen.

Ein grandioser Tusch zum Abschluss der Aktion des 11. Gebots während des Katholikentags in Leipzig. Die explosive Wirkung hat Moses ja im Laufe seiner kurzen Geschichte bereits zur Genüge unter Beweis gestellt. Dass diese Explosivität jedoch wörtlich zu verstehen sein könnte, hatte ihm bisher noch niemand unterstellt.

Ohnehin ist es bemerkenswert, wie blank bei den katholischen Veranstaltern die Nerven hinsichtlich der Sicherheit zu liegen scheinen. Jede Menge Polizisten sind rund um den Augustusplatz eingesetzt und auf den Dächern von Oper und Gewandhaus sind schwarzgekleidete Sondereinsatzkräfte mit Maschinengewehren positioniert. Irgendwie scheinen sich die Katholiken bei ihrer Veranstaltung doch nicht so ganz auf den Schutz Gottes verlassen zu wollen.

Der Abschlussgottesdienst ist die übliche christliche Selbstbeweihräucherung mit Musik-Garnitur. Man möge mir diese polemische Formulierung verzeihen – ich habe zu oft Gottesdienste durchlitten, um bei sowas noch gelassen bleiben zu können.

Es geht um Christen in Not. Von Mitgliedern anderer Religionen oder Atheisten, die wegen ihrer Weltanschauung verfolgt und getötet werden, keine Rede. Es geht um den Dialog zwischen den Religionen. Dass man gerade auf dem größten Platz einer Stadt steht, in der mehr als 80% der Bevölkerung mit überhaupt keiner Religion etwas am Hut haben, ist vergessen. Die Flüchtlingsproblematik scheint überhaupt nur mit Hilfe des Christentums lösbar zu sein und erstaunt erfahre ich, dass auch die friedliche Revolution 1989 durch die Kraft der Gebete bewirkt wurde.

Zum Abschluss gibt es wie stets jede Menge Grußworte. Beispielsweise von der Präsidentin des nächsten Kirchentags, des Evangelischen Kirchentags in Berlin und Wittenberg 2017, Christina Aus der Au. Ja, genau die, die am Donnerstag den Säkularen Tagen in der naTo einen Besuch abgestattet und mit den Ungläubigen beim Bier zusammengesessen hat.

Ein Grußwort gibt es auch von Bischof Felix Genn aus Münster, der die versammelte Schar der Gläubigen zum nächsten Katholikentag in Münster 2018 einlädt. Meine Heimatstadt, die im vergangenen Jahr als erste Stadt so mutig war, dem ZdK einen Barzuschuss in Millionenhöhe für das Christenfest zu verweigern. Ich blicke dem Ereignis 2018 mit Gelassenheit entgegen. Wenn die Besucherzahlen der Kirchentage so drastisch weitersinken, wie es dieser gezeigt hat, dürften sich die wenigen Schalträger im Stadtbild zwischen Münster-Tatort- und Wilsberg-Krimi-Touristen verlaufen.

Als um 11:30 Uhr der Abschlussgottesdienst der Katholiken endet, bietet sich wenige Meter weiter, in Hör- und Sichtweite zum Augustusplatz, ein alternatives Gebetsangebot. Die "Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e.V." (KdFSMD) hält eine Nudelmesse ab. Veranstaltet wird sie von Ute Elisabeth Gabelmann, Leipziger Stadträtin der Piraten-Partei und Organisatorin der Gruppe "(K)Eine Million", die im Herbst 2014 das Bürgerbegehren gegen die Förderung des Katholikentags durch die Stadt Leipzig initiiert hatte. Neben der Million von der Stadt Leipzig bekam der Katholikentag übrigens weitere 3 Millionen Euro vom Freistaat Sachen und 500.000 Euro vom Bundesministerium des Innern. Insgesamt also 4,5 Millionen Euro der Gesamtkosten des Katholikentags 2016 in Höhe von 9,9 Millionen Euro stammen von der öffentlichen Hand.

Rund 60 gläubige Pastafari und Interessierte sind der Einladung von Gabelmann und Bruder Spaghettus, dem Vorsitzenden der KdFSMD, gefolgt. Einige von ihnen tragen das klassische Piraten-Ornat, das vom Propheten dieser Gemeinschaft vorgeschrieben wurde, andere sind Almisten, Mitglieder einer jüngeren Abspaltung dieser Weltanschauungsgemeinschaft, die das Nudelsieb als Kopfbedeckung vorzieht. Aber diese konfessionellen Unterschiede spielen heute keine Rolle. Bei der Nudelmesse am Rande des Katholikentags soll der Dialog zwischen allen Spielarten des Pastafaritums im Zentrum der Begegnung stehen.

Gemeinsam huldigt man – wie wenige Minuten zuvor die Katholiken – der eigenen Gottheit, singt gemeinsam Lieder und zelebriert die Gemeinschaft. Sogar eine Eucharistie-Feier gibt es: Nur dass statt Hostien Spaghetti gegessen werden. Ungläubige werfen Anhängern des Fliegenden Spaghettimonster oft vor, bei ihrer Gottheit würde es sich überhaupt nicht um einen echten Gott handeln und alles sei bloß eine Religionssatire. Manche Pastafari reagieren auf solche Aussagen ungehalten, da sie sich in ihrem Glauben angegriffen fühlen. Andere hoffen schlicht, dass jene Ungläubige irgendwann von Seinen Nudeligen Anhängseln berührt werden mögen.

Nach dem Nudeligen Endsegen mache ich mich auf den Weg zum Hauptbahnhof. Und wieder mal bin ich erstaunt, wie leer es ist. Sicher, es gibt sie, die Katholikentagsbesucher mit ihren stolz getragenen grünen Schals. Aber das, was hier am Bahnhof los ist, steht in keinem Verhältnis zu dem Gedränge, das ich kenne, wenn Buchmessen zu Ende gehen.

Warum der Katholikentag diesmal nur so wenige Besucher hatte, das mögen andere analysieren. Ich mache jetzt Feierabend und fahre nach Hause. Ausnahmsweise hängt am Zug diesmal sogar der Wagon mit meiner Sitzplatzreservierung. Dem Spaghettimonster sei Dank!