Kommentar

Es geht nicht um islamischen Religionsunterricht!

BERLIN. (hpd) Es ist wahrlich auffällig: Mit Vehemenz fordert der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bedford-Strohm, nicht zum ersten Male mehr islamischen Religionsunterricht in unseren Schulen. Was zunächst einmal merkwürdig anmutet, ergibt Sinn, wenn man bedenkt, dass auch der christliche Religionsunterricht in unserem Bildungssystem massiv unter Druck steht. Ein Protestant wird zum beharrlichen Fürsprecher einer anderen Religion. Es wirkt fast so, als würde Kardinal Marx künftig Werbung für die Jugendweihe betreiben.

Unter dem Vorwand, Muslime müssten in Deutschland besser integriert werden, appelliert Bedford-Strohm zu mehr Möglichkeiten für islamische Gläubige, ihre Kinder flächendeckend in einen eigenen Religionsunterricht schicken zu können. Wie bereits bei evangelischen und katholischen Schülern, soll auch der islamische Unterricht weiterhin in staatlichen Schulen abgehalten werden. Zur Einbindung der Menschen muslimischen Glaubens gehört es nach Auffassung des EKD-Ratsvorsitzenden, ihnen gleiche Rechte auf Ausübung ihrer Religionsfreiheit einzuräumen.

Was Bedford-Strohm als Teil einer vielfältigen Landschaft an Weltanschauungen sieht, ist in Wahrheit der Versuch, den Religionsunterricht im Allgemeinen an öffentlichen Schulen im Land zu stärken. Wer Muslimen einen Anspruch auf Abhaltung von muslimischen Schulstunden gewährt, der muss es auch gegenüber Christen tun – so besagt es das Grundgesetz. Der evangelische Fürsprecher für den Islamunterricht verfolgt also in Wahrheit die Absicht, den eigenen Religionsunterricht weiter zu zementieren und ihn argumentativ unantastbar zu machen.

Unter dem Zustrom von Flüchtlingen wird der Widerspruch schwierig, gerade, wenn es um die Anrechte der Asylsuchenden geht. So traut sich kaum jemand, generell zu hinterfragen, auf welcher Grundlage die Schule nicht zunehmend säkularisiert, sondern von den Religionsgemeinschaften immer weiter vereinnahmt wird. Die Frage, welchen Platz Kirchen im Klassenzimmer haben, wird seit jeher kontrovers diskutiert. Und Protestanten, wie auch Katholiken, verteidigen ihre Präsenz vehement. Sie berufen sich auf Grundrechte, ihre Freiheit sogar bis an die Tafel ausbreiten zu dürfen – unter dem Anblick des Kruzifixes und mit der Gewissheit, politisch ständige Rückendeckung zu erfahren.

Wenn Bedford-Strohms Forderung nun wieder eifrig als Teil der Eingliederung von Muslimen gefeiert wird und die Toleranz der Kirchen gegenüber anderen Religionen Anerkennung erfährt, wird sich kaum jemand derjenigen, die vor Freude über die Offenheit und Pluralität tanzen, daran denken, dass wir mit solchen Schritten nicht nur den Weg für weiteren Einfluss der Glaubensgemeinschaften auf unsere Bildung ebnen, sondern auch die Aufsicht über das, was an staatlichen Schulen gelehrt wird, zunehmend verlieren. Denn Religionsunterricht, egal, welcher Art, ist immer auch ein Aufruf zu Missionierung, soll Kinder zu mündigen Gläubigen machen und lässt Kontrolle über seine Inhalte nur bedingt zu.

Niemand weiß wirklich, was in diesen Schulstunden gelehrt wird. Ob es allein das Bild von Barmherzigkeit und Gnade ist, darf bezweifelt werden. Denn im Vergleich zu regulären Schulfächern bleibt der Religionsunterricht eine von den Weltanschauungsgemeinschaften gelenkte Indoktrination von Botschaften jahrhundertealter Schriften, deren Exegese es bedürfte, die aber nicht jeder Lehrer zu geben bereit ist. Respekt vor den Andersdenken, die Lehrpläne sehen es in der Theorie vor. Doch gerade beim Islamunterricht fehlen bislang verbindliche Übereinkünfte dazu, die in der Flickschusterei der Länder noch erschwert werden.

Religion aus den Schulen zu entfernen – dies wäre die einfachste Konsequenz, um all diese Unsicherheiten, Konfrontationen und Interessenskonflikte zu beenden. Kein anderer Anbieter hat neben den Glaubensgemeinschaften das Recht, sich in eigenen Unterrichtsstunden abseits des öffentlichen Zugangs zu präsentieren. Die singulären Rechte rechtfertigen sich weiterhin mit kaiserlichen Überbleibseln, weil keine politische Kraft sie anpacken möchte. Immerhin geht es nach außen hin um Wertschätzung von Unterschiedlichkeit, die nicht einmal alle wesentlichen Weltanschauungen abdeckt. Mit einem ethischen Wertefach wäre die nötige Bildung in Glaubensfragen bedient, weshalb die Konfessionslosen gut daran tun, nicht das Einführen eines eigenen Schulfaches zu fordern, sondern, sich für die Verbannung von Religion aus den Klassenräumen einzusetzen.

Keine falsche Verlegenheit und Ängste davor, religiöse Gefühle zu verletzen: Nicht alles, was dieser Tage unter dem Deckmantel von Freiheit, Integration und Toleranz verkauft wird, verfolgt wirklich den Sinn eines friedlichen Miteinanders. Oftmals geht es allein um die Verteidigung des eigenen Machtanspruchs, der auf dem Rücken derer ausgetragen wird, die sich dagegen noch nicht einmal wehren können. Ob muslimisch, christlich, jüdisch oder atheistisch: Glaube ist Privatsache, auch für Kinder. Es steht jeder Religionsgemeinschaft offen, Angebote zur Bildung zu ermöglichen. Doch dann bitte in der Kirche, in der Moschee, in der Synagoge – oder einfach zu Hause!