BERLIN. (hpd) In der südfranzösischen Stadt Nizza hat ein Mann am französischen Nationalfeiertag mit einem Lastwagen Jagd auf Passanten gemacht, bis er von der Polizei erschossen wurde. 84 Menschen waren tot oder erlagen ihren schweren Verletzungen. Was bislang bekannt ist, was dementiert wurde und was in den sozialen Netzwerken geschah.
Gegen 23 Uhr begann der Täter, der am Steuer eines weißen LKW saß, sein Fahrzeug in die Menschenmenge zu lenken, die sich am Abend im Rahmen der Feierlichkeiten zum 14. Juli (Sturm auf die Bastille) das traditionelle Feuerwerk in der Stadt angesehen hatten. Auf der beliebten Fußgängerpromenade Promenade des Anglais befanden sich zu diesem Zeitpunkt viele Menschen auf dem Heimweg. Etwa zwei Kilometer weit reichte die tödliche Fahrt, bis ein Einsatzteam der Polizei den Fahrer mit Schüssen tötete. Die Zahl der Opfer war laut französischem Innenministerium am Morgen auf 84 gestiegen.
Noch kein Bekennerschreiben
Unklar sind bislang noch die Identität und die Motivation des Attentäters. Es wurden Papiere gefunden, die einem 31-jährigen tunesischen Staatsangehörigen mit Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich und festem Wohnsitz in Nizza gehören. Der Mann war der Polizei aufgrund von Gewaltdelikten bekannt, steht aber auf keiner Terrorverdächtigen-Liste. Gerüchte einer Geiselnahme dementierte die Polizei. Ebenso stellten sich Meldungen über einen brennenden LKW in Paris als zusammenhangslos zum Attentat von Nizza heraus. Einem Bericht des ehemaligen Bürgermeisters von Nizza und Präsident der Region Christian Estrosi zufolge, gab es einen Schusswechsel zwischen der Polizei und dem Fahrer. Dies meldet auch Le Monde. Eine Bestätigung der Behörden dafür steht noch aus. Bislang hat sich auch noch keine Gruppe zu der Tat bekannt.
Drei weitere Monate etat d'urgence
Frankreichs Staatspräsident Hollande verurteilte die Tat in einer Rede am frühen Morgen und kündigte die Verlängerung des etat d'urgence für drei weitere Monate an. Am 26. Juli wäre dieser ausgelaufen. Die letzte Verlängerung anlässlich der Fußball-EM in Frankreich, die vor einer Woche endete, war auf erhebliche Bedenken bei Bürgerrechtlern gestoßen. Kritik gab es außerdem an der Smartphone-App SIAP, die eigens für die EM entwickelt bei Anschlagsgefahr warnen sollte. In Nizza meldete sie erst um 1:34 Uhr eine mögliche Gefahr, als die Fahrt des Attentäters bereits beendet war.
In den sozialen Netzwerken bildeten sich schnell Gruppen, die sich gemeinsam auf Twitter bei der Suche nach Angehörigen unterstützten, vor allem auf Twitter. Hotels und Privatpersonen boten Menschen auf der Flucht Schutz. Taxifahrer nahmen Menschen in Nizza kostenlos mit. Seitens der französischen Polizei wurde auf Twitter darum gebeten, aus Respekt vor den Opfern und deren Familien keine Fotos und Videos der Tat zu verbreiten.
7 Kommentare
Kommentare
Siegrun am Permanenter Link
Ein französischer Kollege von mir hat auf fb einen Bericht geteilt von einem der vor Ort unmittelbar dabei war. Er wollte gerade zu seinem Roller gehen, als es auf einmal Schreie und Lärm und Panik gab.
Was für ein krankes fanatisiertes A*schloch!
Liebe Franzosen, liebe Freiheitsliebende: meine Gedanken sind bei euch! Jetzt erst Recht!
Lasst euch und lasst uns allen nicht das Recht nehmen frei zu Leben!
Und zu feiern und zu genießen!
Gerade in Frankreich habe ich immer das Gefühl, daß man und frau dort zu leben weiß und dem guten Leben sehr zugewandt ist.
Darum liebe ich Frankreich und die Franzosen so sehr !
De tout coeur avec vous mes amis français!
:.(
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Vorab mein tiefes Beileid allen Opfern und ihren Angehörigen.
Natürlich kommen jetzt die üblichen Statements: Das habe nichts mit dem Islam zu tun. Aber ein anderer Satz eines Terrorismus-Experten vorhin hat mich zum Nachdenken angeregt: "Diese Attentäter kommen nicht aus einer homogenen Gruppe, sondern aus einer heterogenen."
Was heißt das?
Diese Terroristen, die man gemeinhin als islamistische Terroristen bezeichnet, haben so gut wie keine Gemeinsamkeiten, außer eben dem Islam anzugehören.
Sie sind mal Einzeltäter, mal in Netzwerken organisiert, mal werden sie vom IS oder anderen Gruppen "beauftragt", mal haben diese Täter sich selbst radikalisiert und arbeiten auf eigene Faust. Sie sind mal Kleinkriminelle, mal völlig unauffällige Bürger, mal haben sie schon wegen schwerer Straftaten im Gefängnis gesessen, mal sind sie als radikale Muslime aufgefallen und aktenkundig, mal haben sie eine blütenweiße Weste, mal sind es Konvertiten, mal wurden sie in muslimischen Ländern geboren, mal in muslimischen Familien in "westlichen" Ländern, mal entstammen sie sozialen Brennpunkten, mal sind sie gut ausgebildet und haben eine mittelständische Existenz aufgebaut, mal haben sie Familie, mal sind sie Einzelgänger usw.
Also keine äußerlichen Gemeinsamkeiten, bis eben auf die Tatsache, dass alle Muslime sind. Doch diese heterogene Gruppe hat eine Außengrenze, die niemand aussprechen will und die doch so ist (ich selbst wehre mich gegen diese Erkenntnis, aber je länger ich über diese Problematik nachdenke, umso mehr muss ich mich ihr stellen): Es ist die Außengrenze der Religion, des Islams!
Also 1,6 Mrd. potentielle Terroristen? Das sicher nicht. Aber die Gründe, warum sicher 99,9 % der Muslime nicht terroristisch aktiv sind, sind vielfältig. Diese friedliche Gruppe ist auch völlig irrelevant, weil sie den geistigen Nährboden für die Terroristen bereitet. Ohne Community, ohne das Umfeld, oft genug auch das familiäre Umfeld, ohne die Einbettung in Moscheegemeinden - letztlich ohne den Koran - würden die 0,1 % aktiver Kämpfer niemals zu Waffe greifen.
Warum sollten sie dies auch tun? Welchen Sinn hat der islamische Terror? Jedem Menschen muss klar sein, dass jeder Anschlag den Hass auf diese Religion schürt und verstärkt. Die friedlichen Muslime fühlen sich wieder angeprangert und zu Unrecht ausgegrenzt, weil sie ja mit dem Terror nichts zu tun hätten, der Islam sowieso nicht.
Aber es ist interessant, wen die Anschläge treffen: Opfer sind Menschen, die freie Meinungen äußern, feiern, Musik anhören, leben wollen, wie es ihnen passt, auch sexuell. Das ist eine Botschaft: Wir Muslime lehnen eure freiheitlich Art zu leben ab! Dies könnt ihr nur beenden, wenn ihr zum Islam konvertiert, denn ihr seid seit Adam und Eva geborene/geschaffene Muslime.
Alles andere macht überhaupt keinen Sinn. Die "westliche, freie Gesellschaft" soll das eigentliche Opfer sein. D.h. wir haben es eindeutig mit einem Kulturkampf zu tun und nicht mit einer Reihe völlig sinnloser Taten einiger durchgeknallten Kleinkriminellen. Und warum schauen wir mit dem Religionsverständnis eines zwangsaufgeklärten Christen (was die sehr stark gerade dem Tag zu verdanken haben, der gestern gefeiert wurde und dem Land, in dem er gefeiert wurde) auf den Islam, der noch nie zwangsaufgeklärt wurde, der noch immer in Gottesstaaten seine ideologische und finanzielle Reserve hat?
Ist es wirklich so schwer, diese Zusammenhänge zu erkennen und in wirksame Politik umzusetzen? Die darf eben nicht lauten: "Muslime raus!" Nicht einmal zwangsweise "Islam raus!" Aber es müsste eine eindeutige Forderung nach geistiger Entmachtung dieses faschistischen Konstrukts sein.
Wir diskutieren über ein NPD-Verbot und darüber, ob die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden soll. Das ist alles richtig und nötig, weil wir Deutschen hinlänglich bewiesen haben, wie schnell ein an sich zivilisiertes Land zu einer unethischen, menschenverachtenden und brutalen Politik kommen kann. Nicht kommen kann - sich selbst wählt!
Deshalb sollten gerade wir besonders sensibel und hellhörig sein, wenn sich Ideologien breit machen, die eben keine Gleichheit, Freiheit oder Brüderlichkeit im Auge haben. Die Welt hat uns Deutsche nach dem 2. WK auch nicht abgeschrieben. Wir bekamen Hilfe und lernten mühsam den Weg zur Demokratie.
Doch dieser Weg wäre mit einer weiteren Duldung eines politischen Faschismus nie zu beschreiten gewesen. Wir haben die ewig Gestrigen überwunden und unternehmen einiges (manchmal zu wenig), damit die Dumpfbacken möglichst wenig Schaden anrichten.
Warum geht man mit dem politischen Islam nicht genauso um? Die Menschen, die in diesem Konstrukt gefangen sind, freundlich an der Hand nehmen (an der HAND!) und ihnen Hilfen der politischen Weiterbildung geben. Ihr Konstrukt und ihre Ideologie weiterhin unangetastet zu lassen, führt zu keiner Lösung.
Dann würden wir uns nur immer weiter wundern, dass aus 1,6 Mrd. Menschen alle paar Monate jemand auftaucht, der - wie aus heiterem Himmel - einen grausamen Anschlag gegen die freiheitliche Gesellschaft verübt. Aus heiterem Himmel...?
Petra Pausch am Permanenter Link
Lieber Bernd Kammermeier,
Das macht die Sache nicht weniger schlimm... aber zeigt, wie schnell man die Terroristen-Islam-Keule schwingt - ohne Hintergründe zu kennen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Liebe Petra Pausch,
ich will gar nicht anführen, dass sich der IS zum Anschlag bekannt hat oder dass inzwischen weitere Personen im Umfeld des Attentäters verhaftet wurden, auch nicht die offensichtliche Auskundschaftung des späteren Tatortes.
Es gibt ein Reihe weiterer Indizien, die für einen Anschlag und nicht für die Kurzschlusshandlung eines psychisch Kranken sprechen: Es ist der Tag, an dem der Anschlag stattfand, der 14. Juli, der Tag, der als Beginn der Französischen Revolution gilt, als Sinnbild für Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Die Menschen, die das auf Nizzas Straßen gefeiert haben, sind Menschen, die einem islamischen Weltbild entgegenstehen, das auf Unterschiedlichkeit, Unfreiheit und Brüderlichkeit nur unter Gleichgesinnten aufgebaut ist.
Auch gab es sehr unterschiedliche Aussagen zur Person des Attentäters: einmal soll er ein unauffälliger Familienvater gewesen sein, dann wieder wurde bekannt, dass er wegen häuslicher Gewalt behördlich aktenkundig ist.
Aber dieses Psychogramm ist nebensächlich, weil wir im terroristischen Spektrum extrem gegensätzliche Typen finden, was auf eine heterogene Gruppe schließen lässt. Ich bezweifele auch, dass man von einem erweiterten Suizid sprechen kann. Der German Wings-Pilot nahm die Passagiere mit in den Tod. Er hat das Flugzeug nicht auf einer großen Stadt niedergehen lassen, was weit mehr Todesopfer gefordert hätte.
Und außerdem wäre mit der Erklärung "erweiterter Suizid" absolut jede islamisch motivierte Terrortat zu erklären, denn alle Attentäter gehen davon aus, dass sie ihre Aktion nicht überleben. Dann wäre auch ein Amoklauf ein erweiterter Suizid, wenn sich der Täter am Ende selbst erschießt oder erschießen lässt (wobei es dies in diesem Bereich auch gibt).
Ich denke also schon, dass sehr viel dafür spricht, dass das Attentat von Nizza einen radikal-islamischen Hintergrund hat. Auch die Platzierung des Personalausweises ist ein häufig anzutreffendes Indiz.
Ich finde, wir können hier auch Terrorismus-Experten und ihrer Expertise vertrauen, die feststellen, dass es nicht "den Attentäter" gibt. Man muss sich nur die in den "heiligen" Krieg ziehenden Deutschen anschauen. Das sind durchaus nicht alles Loser der Gesellschaft, die ausgegrenzt wurden. Da sind auch etliche dabei, die bewusst aus der bürgerlichen Existenz ausgebrochen sind (aus welchem Grund auch immer) und sich innerhalb das warmherzig aufnehmenden Islams radikalisiert haben.
Wenn wir dies dauerhaft leugnen, kommen wir bei der Lösung dieser drängenden Probleme keinen Schritt weiter. Und dann folgt in regelmäßigen Abständen wieder und wieder ein Attentat. Es reicht doch schon, wenn die muslimischen Verbände die Sache herunterspielen, um ihren Islam rein zu halten. Das Problem wird sichtbar beim verweigerten Handschlag Frauen gegenüber und endet mit amokfahrenden Autos oder Bomben.
Ich denke, es wäre sogar gerade den in Europa lebenden Muslimen gegenüber ehrlich und hilfreich, wenn diese Probleme so offen es geht, ohne Ressentiments, in der gesamten Gesellschaft diskutiert würden, um gemeinsam eine Lösung zu suchen.
Das kann nur so ausgehen, dass am Ende ein von islamischen Lehrern (wie z.B. Prof. Khorchide) zurechtgestutzter Islam übrigbleibt, der sich jeglicher politisch-juristisch-gesellschaftlichen Einflussnahme enthält und sich auf seine spirituelle Aufgabe konzentriert.
Würden hier geborene Muslime in diesem Geist aufwachsen, wäre die Gefahr ihrer Radikalisierung praktisch Null. Und das sollte doch unser aller Ziel sein - nicht zuletzt auch das der Muslime selbst, die ihre Religion erhalten wollen.
Petra Pausch am Permanenter Link
http://www.n-tv.de/politik/Der-Nizza-Moerder-kaempfte-fuer-keinen-Gott-article18206206.html
"Der Mann, der in Nizza 84 Menschen ermordete, soll den Behörden zufolge Kontakt zum radikalen Islam gehabt haben. Doch vieles spricht gegen das Bild eines religiösen Eiferers...."
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Soll ich jetzt die vielen anderen Meldungen verlinken, die durchaus vernünftig argumentierend darlegen, dass der Attentäter ein Attentäter war?
Was ist das denn, ein lupenreiner Islamist? Wer legt denn diese Norm fest? Welche Eignungsprüfung muss man durchlaufen, um so bezeichnet zu werden?
Wenn Sie die Aussage meines Kommentars bedenken, dann passt dies perfekt in die Auffassung (die ich nicht erfunden habe), dass es eben nicht DEN islamisch motivierten Terroristen gibt. Sie alle eint, dass sie einer archaischen patriarchal-tribalistischen Kultur angehören, die sich im ideologischen Islam manifestiert hat und deswegen anpassungsunfähig wurde.
Menschen dieser Kultur bekommen zunehmend Schwierigkeiten, sich in einer freiheitlichen und gleichberechtigen Gesellschaft wohl zu fühlen, denn anpassen dürfen sie sich ja nicht (ich denke hier an Erdogans Rede 2008 in Köln).
Natürlich entsteht dann Hass, weil wir so leben, wie auch die muslimisch sozialisierten jungen Männer in Europa gerne leben würden, was ihnen aber durch sozialen Druck innerhalb der konservativen Familienstrukturen verboten ist. Von Frauen ganz zu schweigen. Dieser Hass muss sich also nicht zwangsläufig auf Koransuren beziehen, sondern auch auf ein dumpfes Bauchgefühl, nicht dazuzugehören, weil man nicht dazugehören darf.
Würde der Islam seinen Anhängern echte Überlegenheit geben, dann wäre dieser Hass unnötig und sogar falsch. Dann müssten eher die freiheitlichen "Westler" Neid empfinden (und Hass, wenn sie nicht dazugehören dürften). Doch dem ist aus gutem Grund nicht so. Wir sind ein Vorbild, dem nachzueifern sich Muslime aufgrund ihrer konservativen Strukturen selbst verwehren.
Das mag - ich wiederhole mich - bei dem einen zu religiös motivierter Gewalt führen und bei anderen zu dumpfem Hass. Ursache ist in jedem Fall der unausweichlich erscheinende Kulturkampf. Unausweichlich aber nur aus einem Grund: Weil die eigene (muslimische) Kultur den offenen Übergang zu einer westlichen Lebensart (die heimliches Vorbild ist) verbietet.
Harald Freunbichler am Permanenter Link
Ja, ich neige zu Bernds Ausführungen. (Durch nunmehr schon als eingehend über Monate hinweg geführte diesbezügliche Recherche.)
Ich bin der Ansicht, dass es für ein endgültiges Psychogramm deutlich verfrüht ist und N-TV ist m. E. darüberhinaus keine Instanz.