Islam und Rechtspopulismus

BERLIN. (hpd) Im Moment gibt es eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, ob vom Islam eine Gefahr für westliche Demokratien ausgeht. Auf der anderen Seite erstarken rechtspopulistische Parteien und Gruppierungen. Der hpd will versuchen, in dieser Debatte einige differenzierte Aussagen zusammenzutragen.

In dem Buch “Fragile Mitte, feindselige Zustände” kommen die Autoren zu dem Schluss, dass rechtsextreme Einstellungen deutschlandweit zurückgegangen sind. Das wird auch durch den Rezensenten kritisch hinterfragt. Möglich scheint allerdings, dass sich der Rechtsextremismus zu einem Rechtspopulismus wandelte.

Parteien wie die AfD und Gruppierungen wie “Hooligans gegen Salafisten” (HoGeSa) und - ganz aktuell - “Pegida” (“Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes”) besetzen den politischen Raum in der Mitte der Gesellschaft mit Themen, die zuvor nur am Rande der Gesellschaft eine Rolle spielten.

Auf dem Parteitag der CSU fordert der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, dass “es keine Partei rechts von uns geben darf”. Wird die CSU nun, um den Populisten die Hoheit über die Themen zu nehmen, selbst in diese Bresche springen? Er wies den Vorwurf, dass die Ablehnung von Asylbewerbern durch seine Partei irgendetwas mit den Brandanschlägen im mittelfränkischen Vorra zu tun habe, weit von sich. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter forderte zuvor: “Der mutmaßlich rechtsextreme Hintergrund der Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Vorra sollte die CSU wirklich wachschütteln.” Die Antwort Seehofers darauf war, dass Hofreiter nicht “parteipolitisieren” solle.

Auf diesem von dumpfen Ressentiments gedüngtem Boden gedeiht der die Innenminister der Länder alarmierende Rechtspopulismus, der inzwischen Zehntausende auf die Straßen bringt. Doch das - so der Chefredakteur des Migazin, Ekrem Senol - sind hausgemachte Probleme, die sich jetzt manifestieren. Politiker und unisono viele Medien “reden tagein tagaus von gefährlichen Islamisten, die unsere Sicherheit bedrohen, die Bedrohung schlechthin. Dass diese Einschätzung in dieser Größenordnung keinerlei Grundlage hat, weder statistisch noch tatsächlich, ist irrelevant. Was zählt, Forschungen belegen das, ist das schlichte Wiederkauen.”

Hinzu käme seiner Ansicht nach auch das jahrelange Relativieren jeglicher rechtsradikaler und rechtspopulistischer Tendenzen in der Gesellschaft. “‘Pegida’ ist nämlich nicht nur eine vermeintliche Angst vor dem Islam, sie ist auch das konsequente Kleinreden und Verharmlosen des Rechtsextremismus. Hunderte untergetauchte und gefährliche Neo-Nationalsozialisten, bundesweite Netzwerke, professionelle Strukturen, unzählige Morde, Bombenanschläge und Raubüberfälle, ja selbst der NSU und sein Umfeld haben unsere Politiker nicht dazu bringen können, der Bevölkerung klar zu machen, wie gefährlich Rechtsextremismus in unserem Land geworden ist.”

Die Innenminister der Länder erklärten jetzt, dass sie die Sorgen der Teilnehmer der Aufmärsche in Köln (“Hooligans gegen Salafismus - HoGeSa”) und Dresden (“Pegida”) ernst nehmen wollen. Bis auf diese Absichtserklärung ist jedoch noch nichts geschehen. Ebenso wichtig wie ein genauer Blick nach rechts ist es notwendig, auf gewaltbereite Islamisten zu achten.

Die andere Seite der Medaille

Denn es gibt unbestritten eine Gefahr, die von einem politischen Islam ausgeht. Jedoch hieße es, das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man alle Muslime pauschal unter Verdacht stellt. Denn das spielt denen in die Hände, die jeder Kritik und jedem Kritiker Rassismus unterstellen.

Hier macht es sich auch Ekrem Senol zu leicht, wenn er schreibt, dass es “keine Unterscheidung zwischen einem konservativen Muslim, einem Islamisten, einem Salafisten oder einem Dschihadisten” gibt. Das ist eine ebenso undifferenzierte und vereinfachende Sicht wie auf der anderen Seite.

Richtig ist, dass eine Mehrheit der Deutschen ein verzerrtes Bild über die Muslime hat. In einer jüngst veröffentlichten Studie haben “70 Prozent der Befragten (…) die Zahl der in Deutschland lebenden Muslime höher eingeschätzt als sie tatsächlich ist. Knapp ein Viertel glauben sogar, dass mehr als 21 Prozent der Bevölkerung in Deutschland Muslime seien - in Wirklichkeit sind es rund fünf Prozent.” Der Unterschied zwischen den tatsächlichen 5 Prozent und einem “gefühlten” einem Fünftel der Bevölkerung ist erheblich.

Hinzu kommt, dass viele der als Muslime statistisch erfassten Einwohner in Deutschland sich selbst als wenig bis nichtgläubig beschreiben. Es gibt - ebenso wie im Christentum - einen großen Anteil von “Kultur-Muslimen”; Menschen, die an hohen Feiertagen die Riten der Religion ausüben - und im restlichen Jahr Allah einen guten Mann sein lassen. Es muss dabei auch bedacht werden, dass jeder Migrant, der aus einem islamischen Staat nach Deutschland einwandert, als Muslim “erfasst” wird - selbst dann, wenn er z.B. den Iran verließ, weil er oder sie sich von der Religion losgesagt haben.

Diese Fehlwahrnehmung führt dann dazu, dass in Dresden mehr als 10.000 Menschen auf die Straße gehen - dabei sind ungefähr 0,1 Prozent der in Sachsen lebenden Menschen Muslime - insgesamt also etwa 4000 Menschen.

Die Gefahr sind nicht “die Muslime”, ist nicht “der Islam”. Eine Gefahr für die Demokratie sind Fundamentalisten, die sich vor allem bei den Salafisten finden lassen. Nach Angaben des Verfassungsschutzes gibt es in Deutschland im Jahr 2014 rund 6.300 Salafisten. Das ist angesichts der Steigerung der letzten Jahre eine gefährliche Entwicklung. Doch selbst hier schränkt der Verfassungsschutz ein: “Die Mehrzahl der Salafisten in Deutschland sind keine Terroristen, sondern politische Salafisten” und stellt aber auch fest: “Andererseits sind fast alle in Deutschland bisher identifizierten terroristischen Netzwerkstrukturen und Einzelpersonen salafistisch geprägt bzw. haben sich im salafistischen Milieu entwickelt.”

Die mediale Reaktion darauf bleibt trotzdem unverhältnismäßig. Deutschland hat rund 80 Millionen Einwohner; selbst wenn man annimmt, dass jeder bekannte Salafist eine Gefahr für die politische Ordnung darstellt, bleibt die Zahl der als gefährlich Einzustufenden äußerst gering.

Deshalb ist es dringend notwendig, eine notwendige Differenzierung zwischen Islam und Islamismus vorzunehmen: “Der Islam ist eine 1400 Jahre alte Offenbarungsreligion. Der Islamismus ist dagegen eine politische Ideologie, eine politische und radikale Verengung des Islam. Die Anhänger dieser Ideologie, islamische Fundamentalisten missachten die Grund- und Menschenrechte und die Religionsfreiheit. Sie sind gegen eine Trennung von Staat und Religion und verstehen sich als Gegner der Demokratie.”

Planet Wissen, von dessen Seite das obige Zitat stammt, schreibt über die Ursachen des Erstarken des Islamismus - auch innerhalb westlicher Demokratien: “Der zunehmende Werteverlust westlicher Gesellschaften bildet ein Werte-Vakuum. Die nach Orientierung suchenden Muslime wollen diesem westlichen Werteverlust die eigenen Traditionen entgegensetzen.”

Wir erleben gerade den Versuch, dass dieses Werte-Vakuum auf der einen Seite vom politischen Islam (= Islamismus) wie auf der anderen von einfachen, (rechts)populistischen Lösungen aufgefüllt werden soll.
Die Demokratie wird von denen gefährdet, die die einfachen Lösungen für komplexe Probleme anbieten.