Die Reputation des Politikwissenschaftlers und Experten für Extremismus, Armin Pfahl-Traughber, wird immer wieder – auch in Kommentaren beim hpd – in Frage gestellt, weil er im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gearbeitet hat. Wie wenig sachlich diese Anfeindungen sind, stellt der hpd-Autor im Interview klar.
hpd: Immer wieder muss die Redaktion feststellen, dass in den Kommentaren unter Ihren Artikeln darauf angespielt wird, dass Sie einmal im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gearbeitet haben. Was sagen Sie dazu?
Armin Pfahl-Traughber: Zunächst einmal ist richtig, dass ich als Politikwissenschaftler von 1994 bis 2004 im BfV gearbeitet habe. Unklar ist mir aber, was dies mit der Kommentierung meiner Artikel zu tun hat. Denn meine Argumente sind nicht besser oder schlechter dadurch, dass ich früher im BfV gearbeitet habe.
Es geht den entsprechenden Autoren ja erkennbar um eine Diskreditierung meiner Person. Dabei liefern sie aber keine inhaltlichen Argumente, sondern stellen auf meine frühere Berufstätigkeit ab. Hier hat man es – aus der Perspektive vernünftigen Argumentierens formuliert - mit einem genetischen Fehlschluss zu tun. Man kommentiert die Herkunft, nicht den Inhalt einer Position. Dies ist ärgerlich und erfreulich zugleich. Ärgerlich deswegen, weil es sich um eine Manipulationstechnik handelt. Denn es geht ja nicht um Einwände gegen Sachargumente. Erfreulich ist dies aber auch. Denn nur diejenigen, die keine eigenen Argumente inhaltlicher Ausrichtung vorbringen können, müssen zu derartigen Manipulationstechniken greifen.
Gibt es noch andere Gründe, warum sie derartige Anspielungen für ärgerlich halten – denn das scheinen sie ja für Sie zu sein?
Das ist richtig. Denn hier wird mir als Politikwissenschaftler direkt oder indirekt die Autonomie abgesprochen.
Ich bin vor, während und nach meinem Dienstantritt im BfV immer aus eigenständigen Reflexionen heraus zu bestimmten Einschätzungen gekommen.
Mitunter suggerieren die erwähnten Stimmen, dass ich etwas im Auftrag oder auf Anweisung des Amtes geschrieben hätte. Dies ist völlig falsch! Wo Armin Pfahl-Traughber drauf oder drunter steht, da ist auch nur Armin Pfahl-Traughber drin.
Während meiner BfV-Tätigkeit habe ich z. B. auch Aufsätze über den politischen Gehalt der Symphonien von Dimitri Schostakowitsch oder die Bekämpfung der Mafia durch den italienischen Staatsanwalt Giovanni Falcone veröffentlicht. Das geschah selbstverständlich ebenso eigenständig wie meine anderen Aufsätze und Bücher zu Extremismusthemen. Häufig habe ich in der ersten Fußnote geschrieben: "Die Darstellung erfolgt aus der Perspektive der politikwissenschaftlichen Extremismusforschung", um eben den persönlichen Charakter besonders hervorzuheben. Dies ist übrigens eine häufige Praxis von Behördenmitarbeitern, die auch etwas veröffentlichen wollen, was vielleicht nicht direkt immer der Auffassung eines Dienstherrn entspricht. Derartige Menschen nehmen dann ihr individuelles Recht auf Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit wahr. Das habe ich auch getan!
Was genau – falls man das fragen darf – war Ihre Aufgabe im Rahmen Ihrer Tätigkeit im BfV?
Bei mir gibt es schon eine Antwort auf diese Frage. Dazu sei aber zunächst vorausgeschickt, dass ich ab Ende der 1980er Jahre einige Aufsätze und Bücher im Bereich der Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschung veröffentlicht hatte. Das BfV suchte damals nach einem Politikwissenschaftler, der sich mit der einschlägigen Forschung, der rechtsextremistischen Ideologie und den Intellektuellenströmungen in diesem politischen Lager auskannte.
Dazu hatte ich dann nach meinem Dienstantritt 1994 gearbeitet und einschlägige Analysen erstellt. Diese gingen in unterschiedlicher Form in das Berichtswesen der Behörde wie etwa dem Jahresbericht ein.
Meine Arbeit unterschied sich damit kaum von der Arbeit in einem wissenschaftlichen Institut. Von der nachrichtendienstlichen Tätigkeit im engeren Sinne habe ich allenfalls etwas bei den Mittagsessenstischgesprächen mitbekommen.
Im Rahmen der Aufarbeitung des NSU-Komplexes gab es eine breite Kritik an der Verfassungsschutzarbeit. Uns würde interessieren, ob Sie die Arbeit der Verfassungsschutz-Behörden ebenfalls kritisch sehen?
Als Anhänger eines kritischen Denkens selbstverständlich. Ich habe bereits nach mehreren Monaten intern kritische Ausführungen gemacht, sie aber auch mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen verbunden. Ab Beginn der 2010er Jahre publizierte ich dazu auch Aufsätze in Sammelbänden und Zeitschriften. Im Kern bezog sich meine Kritik auf folgende Position: Informationen zum Extremismus werden weniger analysiert, sondern mehr verwaltet. Demgegenüber forderte ich eine Erhöhung der Analysekompetenz, z. B. durch die Einrichtung einer Art behördeninternen Think Tanks.
Ich habe diese Einwände und Verbesserungsvorschläge auch 2012 in einer Rede bei einer BKA-Herbsttagung vor über 600 Zuhörern aus den Sicherheitsbehörden vorgetragen. Es muss aber bedauerlicherweise eingeräumt werden, dass diese Anregungen nicht in den Reformprozess einflossen. Andere Einwände und Kritik bezogen sich noch auf die Fixierung auf Juristen als Führungskräfte oder das allgemeine Führungs- und Hierarchieproblem. Aber das ist ein "weites Feld" ...
Sie sind seit 2004 Professor an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl im Rheinland. Dort bilden Sie Beamte des Bundes aus. Hat das irgend etwas mit Ihrer früheren Arbeit im BfV zu tun?
Indirekt schon, denn die meisten meiner Brühler Studierenden werden später Sachbearbeiter im BfV. In Bonn, wo ich als Lehrbeauftragter an der Universität arbeite, schließen die Studierenden ein ganz normales Politologiestudium ab.
Die jüngste Ausladung von Ihnen durch den AStA Köln sowie die Diffamierung von Mina Ahadi durch die Linksjugend lassen die Frage aufkommen, ob ein Dialog nicht mehr erwünscht ist? Wie ist da Ihr Eindruck?
Meine Ausladung durch den AStA in Köln bezog sich auf einen bereits vereinbarten Vortrag zur Frage nach Antisemitismus und Muslimenfeindlichkeit in der AfD. Die Absage erfolgte, weil ich mich auch kritisch zum Linksextremismus geäußert hatte. Darum sollte es aber an dem Abend gar nicht gehen.
Das macht Dogmatismus und Intoleranz der Veranstalter überdeutlich. Gefreut hat sich darüber sicherlich besonders die AfD.
Sowohl Mina Ahadis wie mein Vortrag wurden nicht von schwer identifizierbaren Akteuren abgesagt. In beiden Fällen waren es Akteure, die sich der politischen Linken zurechnen. Es gibt demnach auch Linke, die für die Meinungsfreiheit nur im Sinne ihrer eigenen sehr engen Weltanschauung sind.
Obwohl ich bekennender Atheist und Humanist bin, werde ich von evangelischen und katholischen Akademien zu Vorträgen über Extremismus eingeladen. Die sind demnach offener und toleranter als die erwähnten linken Akteure, die sich für ach so diskursfähig und fortschrittlich halten.
Ob die jeweiligen Absagen mehr durch Argumentationsschwäche oder Dogmatismus motiviert waren, das ist sicherlich eine akademische Frage im schlechten Sinne des Wortes. Ob politisch Linke, sofern sie sich als Demokraten und nicht als Extremisten verstehen, sich so etwas angesichts der Gefahren von Islamismus und Rechtsextremismus leisten wollen, müssen sie dann selbst entscheiden und vertreten.
Die Fragen stellte Frank Nicolai für den hpd.
9 Kommentare
Kommentare
agender am Permanenter Link
ganz persönlich: (da ich z.Zt. kaum aktiv bin, kann ich keine Organisation beeinflussen,leider) Ich lehne jede/n ab die/der dem Glauben an "Extremismus" anhängt.
Kleines Beispiel: Ich habe eine Verfassungsschutzakte seit kurz nach meinem 15. Geburtstag, genau seit dem ersten Termin, an dem ich angefangen habe, gegen den § 218 zu kämpfen.
Dass ich seither nicht das geringste Selbstbestimmungsrecht bekommen habe, und auch keine Auswanderung glückte, und sich die ersatzlose Steichung des SELBSTMORDPARAGRAFEN (rel. Bezeichnung, es heisst Freitod, sonst Kirchenpropaganda) als heisse Luft erwiesen hat, ändert nichts:
Mein Prinzip ist: ich entscheide über meinen Körper und du über Deinen.Punkt.
extrem???
Alex am Permanenter Link
Wieso "Glauben" an Extremismus? Gibt es keinen Extremismus? Gibt es keine extremistischen Parteien? Wie sollen sonst Positionen beschrieben werden, die auf gewaltsamen Umsturz setzen?
agender am Permanenter Link
Nach dem, was ich so bezeichnet gehört und gelesen habe, nein.
Es ist eine Einschüchterungsfloskel.
In Zeiten, in denen ich etwas mehr über die Dysfunktionalität bestimmter Organisationsformen ("DIE Wirtschaft") veröffentlichen konnte, gab es immer SEHR merkwürdige Reaktionen..
Jemand reich Geborenes hätte das abschütteln können, ich leider nicht. Wo hört die Politik auf, und fängt die religiöse Diskriminierung an?
Alex am Permanenter Link
Tja, das seh ich aber anders. Die Bezeichnung Extremismus macht sehr wohl Sinn, wenn man zwischen radikalen Parteien (also Parteien die am Rand des Parteienspektrums stehen, aber weder 1.
Das Ablehnen einzelner Teile des GG bzw. den Anspruch zu äußern, diese zu ändern machen sie meiner Meinung nach nicht zu eine(r/m) Extremist(in/en). Eher wenn sie das BVG mit Molotowcocktails bewerfen. Ich bin auch der Meinung, das einige Dinge an der Verfassung abgeändert werden dürfen (Bspw. das Asylrecht wieder in seiner ursprünglichen Form, bevor Rostock in Flammen aufging). Bin ich deshalb radikal? Vielleicht. Ist mir aber egal, da es eine legitime Kritik darstellt.
Eva Cze am Permanenter Link
Danke für das Interview! Die Rezensionen von Herrn Pfahl-Traughber lese ich immer gerne.
Roland Fakler am Permanenter Link
Man sollte nicht allen Leuten gefallen wollen, sonst gefällt man sich selber nicht mehr!
Konni Scheller am Permanenter Link
Naja. Sachliche Kritik darf man schon annehmen. :)
Roland Fakler am Permanenter Link
Ja, natürlich!
Als säkularer Humanist, darf ich aber nicht hoffen, allen, z.B. orthodox Gläubigen zu gefallen. Und wenn ich sage, dass ich Deutschland gut finde, dann kommt bestimmt der schlimme Verdacht aus der ganz linken Ecke, dass ich rechts bin.
Das darf mich aber alles nicht stören, weil ich einen Standpunkt vertreten muss, um meine Identität zu wahren. Erfreulich ist es, wenn angesehene Menschen denselben Standpunkt vertreten. Irgendwie braucht man nicht nur die Kritik, sondern auch die Bestätigung durch andere. Deswegen gibt es hier die Möglichkeit, seinen Standpunkt kund zu tun und sich mit Anders- und Gleichgesinnten auf zivilisierte Weise auszutauschen.
Michael Fischer am Permanenter Link
Auch ich möchte äußern, daß ich die Beiträge von Armin Pfahl-Traughber ausgesprochen schätze.