Rund 70 Prozent der muslimischen Lehramtsstudenten in Deutschland lehnen die Evolutionstheorie ab, fast 60 Prozent bestreiten, dass der heutige Mensch aus affenartigen Vorfahren hervorgegangen ist. Die Daten, die die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) gestern auf ihrer Website veröffentlicht hat, belegen nach Ansicht des Philosophen und Vorstandssprechers der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon eine "bildungspolitische Katastrophe". Wer religiös so voreingenommen sei, dass er nicht einmal die "hunderttausendfach belegte Tatsache der Evolution" akzeptieren könne, habe keinen universitären Abschluss verdient.
In der heftig geführten Debatte um das Kopftuch in der Schule argumentierten Verteidiger des Kopftuchs, es komme nicht darauf an, was eine Person auf ihrem Kopf habe, sondern auf das, was sie in ihrem Kopf habe. Nimmt man dieses Argument ernst, stimmen die Daten bedenklich, die der Biologiedidaktiker Dittmar Graf in Deutschland und in der Türkei erhob und für die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) anhand der Religionszugehörigkeiten neu analysierte. Denn Graf fand in seinen Studien heraus, dass nicht nur 94 Prozent der Lehramtsstudenten in der Türkei, sondern fast 70 Prozent der muslimischen Lehramtsstudenten in Deutschland die Evolutionstheorie ablehnten. Nur 41 Prozent der muslimischen Lehramtsstudenten an deutschen Universitäten stimmten der Aussage zu, die Evolutionstheorie sei eine wissenschaftlich anerkannte Theorie – konfessionsfreie Studenten waren mit dieser Aussage immerhin zu 84 Prozent einverstanden, Katholiken und Protestanten zu 80 bzw. 81 Prozent. Nur bei den freikirchlich organisierten Lehramtsstudenten war der Anteil derer, die der Evolutionstheorie eine wissenschaftliche Grundlage zubilligten, mit 44 Prozent ähnlich gering ausgeprägt.
Im Hinblick auf die Forschungsergebnisse gelangte Dittmar Graf zu folgendem Resümee: "Lehramtsstudierenden kommt in ihrer zukünftigen Tätigkeit als Lehrerinnen und Lehrer die Verantwortung zu, die nachkommende Kindergeneration mit zu erziehen und ihnen eine wissenschaftsorientierte Bildung angedeihen zu lassen. Dazu gehört auch ein angemessenes auf den Erkenntnissen der Evolutionsbiologie fußendes Selbst- und Menschenbild. Dass eine solche Bildung gelingen kann, wenn Lehrkräfte selbst Probleme mit der Akzeptanz der Evolution haben, ist schwer vorstellbar."
Der Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon formulierte diesen Sachverhalt noch deutlich schärfer: "Wenn mehr als zwei Drittel der Muslime, die später einmal in den deutschen Schuldienst gehen sollen, zentrale Aussagen der Evolutionstheorie ablehnen, ist dies eine bildungspolitische Katastrophe, die wir nicht hinnehmen dürfen. Eine solch hohe Anzahl von Evolutionsleugnern unter Lehramtsstudenten zeigt, dass unsere Schulen hoffnungslos darin versagen, Kindern und Jugendlichen die wichtigsten Grundlagen des modernen Weltbildes zu vermitteln. Hier müssen wir entschieden gegenlenken! Deshalb fordern wir die Verantwortlichen in der Bildungspolitik, in den Schulen und Universitäten nachdrücklich dazu auf, für eine stärkere Berücksichtigung der Evolutionstheorie im Unterricht zu sorgen. Schließlich können diejenigen, die die Prozesse der Evolution nicht verstehen, keine zeitgemäßen Menschen- und Weltbilder entwickeln und unterliegen einer sehr viel größeren Gefahr, religiös-fundamentalistischen oder nationalistischen Ideologien auf den Leim zu gehen."
Schmidt-Salomon, der sich zusammen mit Dittmar Graf in dem Projekt "Evokids – Evolution in der Grundschule" engagiert, wiederholte in diesem Zusammenhang eine bildungspolitische Forderung, die er bereits in seinem letzten Buch "Die Grenzen der Toleranz" formuliert hatte: "Es sollte klar sein, dass jemand, der aus religiöser Voreingenommenheit wissenschaftliche Kriterien so sehr ignoriert, dass er nicht einmal die hunderttausendfach belegte Tatsache der Evolution anerkennen kann, keinen universitären Abschluss verdient hat! Und schon gar nicht sollte eine solche Person auf wehrlose Kinder losgelassen werden, da jemand, der die Mindestanforderungen der Rationalität so fundamental unterschreitet, gänzlich ungeeignet ist, Heranwachsenden einen vorurteilsfreien Zugang zur Wirklichkeit zu eröffnen."
22 Kommentare
Kommentare
Rudi Knoth am Permanenter Link
Als Bestätigung für Ihren Artikel kann ich folgendes sagen: Früher gab es hier in München ein "Hinterhofmoschee" in deren Schaufenster auch ein Buch auslag, in dem die Evolutionstheorie infrage gestellt wurd
Dieter Bauer am Permanenter Link
Realität schlägt auch jegliche islamische Fantasie, sei sie auch noch so märchenhaft und wirklichkeitsfremd propagiert.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Es ist wirklich atemberaubend, mit welch debilem Quark wehrlose Kinder schon in der Familie, im Kindergarten, in der Grundschule, schlimmer noch in christlichen Sonntagsschulen oder muslimischen Koranschulen, gefütter
Muss man sich dann noch wundern, dass die meisten Menschen niemals eine funktionstüchtige intellektuelle Immunabwehr aufbauen können, wenn sie bereits mit der kulturellen Muttermilch eine Überdosis hirnzersetzender Schadstoffe aufnehmen mußten?
Wenn überhaupt, werden Schüler in Deutschland erst im zehnten Schuljahr eingehender mit der Evolutionstheorie konfrontiert, bis dahin haben sich kreationistische Vorstellungen in ihren Köpfen längst verankert.
Der ideologische Kindesmissbrauch mit seiner einzigartigen weltumspannenden Riesenblödheit ist in den nächsten Jahrzehnten kaum auszurotten.
Das Selbstmordprogramm läuft weiter.
Hans Trutnau am Permanenter Link
2017. Es bleibt noch viel zu tun.
Tobias Würfl am Permanenter Link
Das schockiert mich weniger. In Amerika gibt es doch auch Diskussionen zwischen angesehenen Wissenschaftlern ob die Evolution nun stimmt oder nicht.
Sim am Permanenter Link
Nenn mir einen angesehenen Wissenschaftler der ernsthaft die Evolution bestreitet.
Markus Schiele am Permanenter Link
Ernsthafte Wissenschaftler bestreiten nicht die TATSACHE der Evolution; sie streiten allenfalls darüber, WIE sie denn genau funktioniert.
malte am Permanenter Link
"Es sollte klar sein, dass jemand, der aus religiöser Voreingenommenheit wissenschaftliche Kriterien so sehr ignoriert, dass er nicht einmal die hunderttausendfach belegte Tatsache der Evolution anerkennen kann,
Für was soll die Evolutionstheorie eigentlich noch alles herhalten? Sie motiviert uns angeblich alle zum Tierschutz, macht uns zu guten Kosmopoliten, ein Feiertag soll ihr auch gewidmet werden - und jetzt das hier. Als nächstes wird dann gefordert, dass der Bundespräsident einen Eid auf "Origin of the Species" ablegen soll?
Ja, ich weiß: Wahrscheinlich ist das gar nicht so ernst gemeint und soll vor allem eine steile These sein, die Aufmerksamkeit erregen soll. Bei mir allerdings erregt sie nur Kopfschütteln...
Kay Krause am Permanenter Link
Lieber Malte! Wie sehr gerät Ihr Kopf denn in Vibrationen bei der allgemein praktizierten Eidesformel ".....so wahr mir Gott helfe!" ???
malte am Permanenter Link
Wäre diese Formel verpflichtend, würde mich das aufregen. Ist sie aber nicht. Man kann auf den religiösen Teil verzichten, und viele Minister haben das in der Vergangenheit auch so gehandhabt.
Dieter Bach am Permanenter Link
Hallo Malte,
malte am Permanenter Link
Das habe ich schon sehr gut verstanden. Aber man kann sich schon fragen, wieso Herr Schmidt-Salomon von allen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerechnet die Evolutionstheorie so herausstellt.
Ich will übrigens auch nicht, dass Kreationismus an Schulen UNTERRICHTET wird. Wäre das die Forderung, wäre ich auch dabei. Aber warum sollte jemand, der die Evolutionstheorie nicht akzeptiert, nicht Mathe oder Deutsch unterrichten?
Man kann sich auch fragen, wie ein solcher "Kreationistenerlass" eigentlich praktisch durchgesetzt werden soll. Muss dann jeder Uni-Absolvent eine Erklärung unterschreiben: "Ich bin kein Kreationist"? Und was soll das bringen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass MSS selbst weiß, dass diese Forderung Unsinn ist. Es ist einfach nur eine steile These, mit der er Aufmerksamkeit erregen will.
WoMA am Permanenter Link
Evolution ist keine Theorie (=Aussage zu Gesetzmäßigkeiten bis hin zur bloßen Vermutung) sondern Fakt - seit es Leben gibt: Oft grausam und erbarmungslos, mit keinem "lieben Gott" jedweder Religion vereinbar
Wolfgang am Permanenter Link
Die Evolution ist auch im Grunde auch bei den Kirchen nicht angekommen. Sie glauben ja auch noch, das die Erde vor 6000 Jahren entstanden ist und der Mensch aus einem Klumpen Lehm geblasen wurde.
Jan Boelmann am Permanenter Link
Naja, lassen wir die Kirche oder Moschee mal im Dorf. Bei dieser Befragung wurden nur 39 (!) Muslime befragt.
Arnulf Hopf am Permanenter Link
Zur o.g. Mitteilung: Es ist ein schwerwiegender Legitimationsmangel, wenn bei empirischen Aussagen die Stichproben- und Methodenwahl nicht geannt werden.
Martin Mair am Permanenter Link
Die Genauigkeit der Ergebnisse ist sicher weit geringer, aber derart grosse Unterschiede sind dennoch nicht durch die geringe Anzahl der Befragten erklärbar ...
Freilich: Vor hundert Jahren hätte eine Umfrage unter katholischen Lehramtsstudenten sicher ähnliche Werte ergeben.
Von 1910 bis 1967 mussten Priesteramtskandidaten einen ANTIMODERNISMUSEID ablegen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Antimodernisteneid
Arnulf Hopf am Permanenter Link
Als Hypothese mag das anzuerkennen sein; überhaupt aber sollten Anhänger einer wissenschaftlichen Gesellschafts- und Welterklärung zunächst nicht mehr daraus machen als eben nur eine unverifizierte " Beobachtu
malte am Permanenter Link
Vermutlich haben sie recht - in der Türkei wurde ja eine weitaus größere Anzahl befragt, und es ergab sich ein ähnliches Bild.
Jan Boelmann am Permanenter Link
Noch eine Ergänzung:
Weitere Informationen finden sich unter: https://fowid.de/.../akzeptanz-evolution-verschiedener...
Nimmt man übrigens die 2009er Daten, geben 21% der muslimischen Befragten, die in Deutschland studieren (N=37) an, dass sie die Evolutionstheorie als nicht stichaltig ansehen - zum Vergleich 18% der Protestanten (N=433) und 15% der Katholiken (N=528) sehen es ebenso. Es gibt in der Befragung auch eine Gruppe muslimischer Studerender aus der Türkei (N=236), von denen 53% Zweifel an der Evolutionstheorie haben.
Ich wäre also weit davon entfernt, aus denen für Deutschland erhobenen Ergebnissen eine Bildungskatastrophe oder drohende Gefahr abzuleiten.
Jakob Covet am Permanenter Link
Die Aussagekraft der Studie scheint mir eher gering ob der sehr kleinen Stichprobe. Zudem ist die Studie, wie auch Bartoschek schreibt, nicht neu: http://www.ruhrbarone.de/gbs-scheisst-auf-wissenschaft/137567
Wenn man das alles weiß und daraus trotzdem eine verallgemeinernde Schlagzeile über muslimische Lehrkräfte daraus bastelt, was dem Leser mehr als die befragten 39 Studierenden (die inzwischen wohl ihr Studium beendet haben) suggeriert, ist das einfach gesprochen: Fake-News
Frank Nicolai am Permanenter Link
Die GBS hat jetzt auf Vorwürfe geantwortet, sie hätte "unwissenschaftlich" gearbeitet.
http://www.ruhrbarone.de/gbs-erwidert-kritik/138194