Rezension

Ausbreitung von "Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit"

Die Sozialwissenschaftler Andreas Zick, Beate Küpper und Daniela Krause präsentieren in "Gespaltene Mitte. Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016" die Ergebnisse einer Umfrage zu entsprechenden Auffassungen in der Bevölkerung. Aufgrund der Einheitlichkeit und Kontinuität ihrer Erhebungen verdient auch diese Bestandsaufnahme großes Interesse, was nicht die Kritik an Details wie etwa der Item-Nutzung ausschließt.

Wie weit verbreitet sind antisemitische, autoritäre, fremdenfeindliche, muslimenfeindliche, oder nationalistische Einstellungen in der Gesellschaft, und welche Menschen neigen ihnen mehr und welche Menschen neigen ihnen weniger zu? Antwort auf diese Fragen gibt die empirische Sozialforschung zum Thema. Die meisten Studien dazu sind allerdings einmalige Angelegenheiten. Ihre Ergebnisse lassen sich schwer mit anderen Untersuchungen vergleichen. Denn die jeweiligen Erhebungsmethoden unterscheiden sich dazu zu sehr. Anders verhält es sich bei den Arbeiten des Bielefelder "Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung", die meist jährlich oder doch zumindest zweijährlich nach dem Ausmaß von "Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" (GMF) fragen. Dies geschieht auch in der meist von den Mitarbeitern Andras Zick, Beate Küpper und Daniela Krause verfassten Beiträgen des Bandes "Gespaltene Mitte. Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016", der im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt wurde.

Darin präsentieren sie auf der Grundlage einer Befragung von 2.000 Personen zwischen dem Juni und August 2016 ihre Ergebnisse zur Abwertung und Ausgrenzung von Gruppen oder Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeiten. Nach Aussagen zur Datenbasis und dem Umfragedesign geht es um eine Betrachtung der Entwicklung der "Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" zwischen 2002 und 2016. Hier konstatieren die Forscher in der Gesamtschau einen leichten Rückgang, wobei man aber auch differenzieren müsse: "Eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung stimmt den menschenfeindlichen wie auch rechtspopulistischen und erst recht rechtsextremen Einstellungen nicht zu. Erfreulich ist die insgesamt geringe Zustimmung zu Rassismus, Sexismus und insbesondere zur Abwertung von Menschen mit Behinderung. Das Bild trübt sich allerdings ein, weil subtile Abwertungen wie der sekundäre Antisemitismus und negative Meinungen über asylsuchende und langzeitarbeitslose Menschen ausgesprochen hohe Zustimmungen finden" (S. 209f.).

Bezogen auf die sozialen Besonderheiten der gemeinten Gruppe heißt es: "Unter den Befragten aus der schwächsten Einkommensgruppe sind menschenfeindliche Einstellungen durchweg zumindest in der Tendenz weiter verbreitet als unter jenen der Einkommensmitte beziehungsweise Wohlhabenderen, während letztere in keiner Facette die höchsten Zustimmungswerte aufweist" (S. 59). Besonderes Interesse in der Untersuchung finden auch die Einstellungen zu Flüchtlingen, wobei ebenfalls ein differenziertes Bild entsteht: Um die 80 Prozent standen der Aufnahme von Flüchtlingen zumindest eher positiv gegenüber. Bei den anderen 20 Prozent bestünde indessen eine ausgeprägte Abneigung, die bis hin zur Feindschaft übergehe. Insbesondere bei der AfD-Wählern seien derartige Einstellungen verbreitet und hätten sich in den letzten beiden Jahren noch verschärft. Ganz allgemein sehen die Forscher eine Radikalisierung des Einstellungspotentials, das sie bis hin zur Gewaltneigung der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zuschreiben.

Durch die einheitliche und kontinuierliche Datenerhebung können die Einstellungsentwicklungen in der Gesellschaft gut nachvollzogen werden. Da dem "Institut für Konflikt- und Gewaltforschung" dies bereits seit längerem möglich ist, entstehen so nicht nur beachtenswerte Erkenntnisse über den Bestand, sondern auch über die Verlaufsformen. Darüber hinaus wird immer wieder etwa bezogen auf die formale Bildung oder die soziale Lage nach den jeweiligen Zusammenhängen gefragt. Allein dies macht den Blick in diese Studien unverzichtbar. Nach wie vor kann man die Frage stellen, ob auch jedes genutzte Item das Gemeinte misst, was etwa für die Einstellungen zum israelbezogenen Antisemitismus gilt. Aber in der Gesamtschau überzeugt auch hier das Konzept. Erfreulich ist, dass die Autoren der Kritik an den Arbeitsbegriffen "Islamophobie" bzw. "Islamfeindlichkeit" nachgekommen sind. Jetzt ist korrekt von "Muslimfeindlichkeit" die Rede. Auch hier hat man es mit einer beachtenswerten Bestandsaufnahme zu den Einstellungspotentialen in der Gesellschaft zu tun.

Andreas Zick/Beate Küpper/Daniela Krause, Gespaltene Mitte. Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016. Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer, Bonn 2016 (J. H. W. Dietz-Verlag), 238 S., ISBN 978-3-8012-0488-4, 12,90 Euro