Der Journalist Justus Bender beschreibt und kommentiert in seinem Buch "Was will die AfD? Eine Partei verändert Deutschland" die Entwicklung der neuen politischen Kraft in Deutschland. Es handelt sich um eine journalistische Arbeit, welche insbesondere von den interessanten persönlichen Erfahrungen und Reflexionen des Autor geprägt ist – eine wissenschaftliche Gesamtdarstellung darf man daher nicht erwarten.
Wie ist die "Alternative für Deutschland" (AfD) einzuschätzen – als rechtsextrem, rechtskonservativ oder rechtspopulistisch oder ganz anders? Diese Frage wird von Journalisten, Politikern und Wissenschaftlern kontrovers diskutiert. Eine Antwort ist auch abhängig von dem Wissen um deren Ziele.
"Was will die AfD?" lautet diesbezüglich auch der Buchtitel einer neuen Veröffentlichung. Sie stammt von dem Journalisten Justus Bender, der bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung für die Berichterstattung über die AfD zuständig ist. Er wurde offenbar hauptsächlich dafür abgestellt, was ihm entsprechende Schwerpunktsetzungen seiner Tätigkeit erlaubt. Bender beobachtet einzelne Aktivitäten, spricht mit Funktionären und Mitgliedern und reist zu Konferenzen und Parteitage. Diese genauen persönlichen Beobachtungen machen den Reiz seines Werks aus. Es ist ein journalistischer, kein wissenschaftlicher Blick, der auf die Partei geworfen wird. Formulierungen wie "Ich glaube zum Beispiel …" (S. 23) machen dies deutlich.
Bender berichtet zunächst über eigene Erfahrungen mit Parteimitgliedern, die sich nicht selten bei seiner Namensnennung umdrehen. Seine Arbeitsthese, "es handle sich bei der AfD um eine rechtspopulistische Partei mit radikalen Strömungen" (S. 11), fände dort nicht viel Verständnis. Nach einführenden Bemerkungen dazu geht es aber direkt um die Beantwortung verschiedener Fragen wie "Warum die AfD die Demokratie gefährdet – obwohl ihre Mitglieder glauben, eine Tyrannei zu bekämpfen" (S. 21). Hier bemüht der Autor Platon, um zu einer Antwort zu kommen.
Danach geht es um "Wie in der AfD immer die Radikalen gewinnen – und warum das keine Verschwörung einzelner Funktionäre ist" (S. 53). Dabei beschreibt er die internen Debatten, wobei der Internetnutzung eine verschärfende Wirkung zukomme. Und dann heißt es "Wie die Vordenker der AfD den Populismus verteidigen – und welches Deutschland sie dabei im Sinn haben" (S. 83). Dem "Institut für Staatspolitik" der "Neuen Rechten" wird dabei ein hoher Stellenwert zugeschrieben.
Dem folgend fragt Bender "Warum es in der Partei keine Flügelkämpfe mehr gibt – und warum es bei den ständigen Querelen wirklich geht" (S. 111). Er meint dabei, dass die inhaltlichen Differenzen durch den Bruch mit dem Lucke-Flügels weggefallen seien. Konflikte hätten andere Hintergründe, meist bezogen auf die Konkurrenzen um Einfluss und Posten. Danach geht es um ein Szenario, das die Partei an der Regierung sieht. "Was die AfD wirklich will – und wie Deutschland aussähe, wenn sie an der Macht wäre" (S. 127): Hierbei hat es André Poggenburg – und nicht Frauke Petry – ins Bundeskanzleramt geschafft. Ganz zum Schluss geht es noch um die Gegenstrategien: "Warum so viele Strategien gegen die AfD wirkungslos bleiben – und vor welchen Fragen die Funktionäre wirklich Angst haben" (S. 175). Eine solche Frage wäre das "Wie": Wie will man bestimmte Forderungen überhaupt umsetzen. Gerade dieses schliche Nachhaken mache die Unklarheit vieler Vorstellungen überdeutlich. Gleiches gelte für das Gedankenspiel von deren Verallgemeinerung.
Das Buch ist von persönlichen Beschreibungen und Reflexionen geprägt. Sie sind auch nicht immer zur selbstgestellten Frage und auch nicht immer in der Konsequenz zu Ende gedacht. Es gibt keine geschlossenen und strukturierten Informationsblöcke, springt der Autor doch mit leichter Hand hin und her. Gleichwohl liefert Bender interessante Beobachtungen und Überlegungen. Allein schon der Ansatz, den AfD-Erfolg über die Demokratiekritik von Platon zu untersuchen, steht für ein beachtliches Gedankenspiel. Bei den Begriffen zur Einordnung der Partei (vgl. S. 118f.) wird es ein wenig diffus. Aber dafür ist das journalistische Buch eben auch ein journalistisches Buch. Man muss nicht allen Einschätzungen und Thesen zustimmen. Gleichwohl lohnt die Auseinandersetzung damit, um Debatten und Einschätzungen zum Thema voranzutreiben. Berücksichtigt man den Ausgangspunkt, dann kann man mit dem Fragmentarischen als Leser leben. Kurzum: Die Bewertung des Buchs ist auch stark von der Erwartungshaltung abhängig.
Justus Bender, Was will die AfD? Eine Partei verändert Deutschland, München 2017 (Pantheon), 206 S., ISBN: 978-3-570-55353-4, 14,99 Euro
4 Kommentare
Kommentare
Rudi Knoth am Permanenter Link
Ausgerechnet Platon für die Kritik an der AfD heranzuziehen erstaunt mich. Denn dieser Mann ist ja nach Karl Popper ein Feind der offenen Gesellschaft.
little am Permanenter Link
@ rudi knoth und zu:
Eventuell (!) handelt es sich um ein Missverständnis. Es geht ja vermutlich(!) um Platons Argumentation bezüglich seiner ABLEHNUNG der Demokratie.
Der verehrte Rezensent hätte das ev. etwas klarer rüberbringen können. Denn (gefühlt) keiner mehr unterhalb des Renteneintrittsalters scheint derzeit mehr als sagenhafte Kenntnisse über Popper oder gar "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. (Teil 1)" zu besitzen. Es taugt für vielen "Neo-cons" gerade mal als Propaganda-Schlag-Wort-Keule ohne weitere Argumentation.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Ich bin 61. Es stimmt, dieser Name ist nicht bei allen Menschen bekannt. Ud sein Werk oft auch nur dem Namen nach. Dies ist mein Gefühl.
Rudi Knoth am Permanenter Link
Nach meiner ersten Kritik noch eine positive Anmerkung. Es ist der Punkt der Auseinandersetzung mit der AfD oder ihren Anhängern.