Die Frage, ob im Staatsdienst – Verwaltung, Polizei, Armee, Gerichte, Schule – von den Angestellten oder Beamten religiöse Symbole getragen werden dürfen, ist eine politische Frage. Die Frage ist durch das muslimische Kopftuch, das in bestimmten Glaubensausprägungen des Islam für Frauen aus religiösen Gründen verpflichtend ist, brisant geworden. Zurecht gibt es hierzu inzwischen in den meisten Bundesländern gesetzliche Regelungen.
Diese Regelungen dürfen die Grenzen, die durch die in der Verfassung festgeschriebenen Grundsätze der Religions-/Weltanschauungsfreiheit, der Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen und der staatlichen Neutralität gegeben sind, nicht überschreiten. Dies war bislang nicht immer der Fall. Zurecht hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung im Schulgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, die Lehrern das Tragen religiöser Symbole des Christen- und Judentums erlaubte, das Tragen der Symbole anderer Religionen oder Weltanschauungen aber untersagte, für verfassungswidrig erklärt (Urteil v. 27.01.2015, Az. 2 BvR 471/10).
Die Frage, wie mit religiösen Symbolen von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst umzugehen ist, ist politisch sehr umstritten (Vgl. z.B. zur Lage in Berlin die Berichterstattung im Tagesspiegel, im Deutschlandfunk und in der Süddeutschen Zeitung).
Auch die Rechtsprechung zu dieser Frage ist bislang uneinheitlich. So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 24.09.2003 (Az. 2 BvR 1436/02) zwar die Nichteinstellung einer muslimischen Lehrerin, die ein Kopftuch tragen wollte, in Baden-Württemberg für verfassungswidrig erklärt. Dies aber nur, weil es für ein entsprechendes Verbot keine gesetzliche Grundlage gab. Grundsätzlich hat es eine gesetzliche Regelung, die Lehrern das Tragen religiöser Symbole untersagt, für zulässig gehalten.
Mit Beschluss vom 27.01.2015 (Az. 2 BvR 471/10) zum Schulgesetz in NRW hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass eine Regelung, die es Lehrern verbietet, aus religiösen Gründen eine Kopfbedeckung zu tragen, jedenfalls dann unverhältnismäßig und nicht zulässig ist, wenn sie lediglich auf eine "bloß abstrakten Eignung zur Begründung einer Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität" abstellt. Erforderlich sei vielmehr eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität.
Unter Berufung auf das erste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das Verwaltungsgericht Osnabrück am 18.01.2017 (Az. 3 A 24/16) die Klage einer Beamtenbewerberin für den Schuldienst, die nicht eingestellt wurde, weil sie ein Kopftuch trug, abgelehnt. Die Bewerberin hatte Schadensersatz nach dem AGG verlangt, weil sie sich wegen ihrer Religion diskriminiert sah. Das Gericht sah in dem Verbot religiöser Kopfbedeckungen in § 51 Abs. 3 SchulG Niedersachsen jedoch keine Diskriminierung. Dem Gericht reichte die abstrakte Möglichkeit aus, dass ein offen getragenes religiöses Symbol den Schulfrieden möglicherweise gefährden könnte.
Unter Berufung auf das zweite Urteil des Bundesverfassungsgericht hat das Landesarbeitsgericht Berlin mit Urteil vom 09.02.2017 (Az. 14 SA 1038/16), einer muslimischen Lehrerin, die im Land Berlin aufgrund der Regelung in § 2 Neutralitätsgesetz Bln als Lehrerin nicht eingestellt worden war, weil sie im Unterricht ein Kopftuch tragen wollte, jedoch eine Entschädigung nach dem AGG zugesprochen. Das Land Berlin hat sich entschieden, dagegen keine Revision zum BAG einzulegen. Damit kann in Berlin von Lehrerinnen an öffentlichen Schulen nicht mehr verlangt werden, kein Kopftuch zu tragen.
Der EUGH hat sich bislang zu religiösen Symbolen im öffentlichen Dienst nicht geäußert. Im Bereich der Privatwirtschaft hat er – meines Erachtens zu Unrecht – in dem Verfahren Achbita gegen G4S (v. 14.03.2017, Az. C 157/15) solche Verbote in weitem Umfang für zulässig erklärt (vgl. hierzu meinen Kommentar auf hpd).
Unstrittig ist aber, dass es sich bei dem Problem religiöser Bekleidung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst um einen grundsätzlich anderen Fall handelt, als um das Kreuz im Klassenzimmer, welches aufgrund einer staatlicher Anordnung angebracht wird.
Auch innerhalb der säkularen Scene und der humanistischen Verbände gibt es keine einheitliche Meinung. Gerhard Czermak hat sowohl das zweite Kopftuchurteil des BverG, als auch das Urteil des Berliner Landgerichtes kritisiert. Auch Jaqueline Neumann vertritt die Position, dass Lehrerinen in der Schule kein Kopftuch tragen sollen.
Ich möchte hier nicht wieder in die Diskussion der Rechtsprechung einsteigen. Am Problemfall des Kopftuchs wird ein grundlegenderer Konflikt in der säkularen Szene deutlich: Es gibt keine einheitliche Meinung zu der Frage, wie weit die Trennung von Staat und Religionen/Weltanschauungen gehen soll (vgl. hierzu meinen Beitrag "Pro Humanismus!"). Soll Deutschland ein laizistischer Staat werden? Soll es Kooperationen geben, und wenn ja, wo sind die Grenzen einer Zusammenarbeit von Staat und Religionen/Weltanschauungen? Und letztlich: Wie weit ist es zuzulassen, dass Religiosität und Weltanschauung in staatlichen Bereichen sichtbar werden?
Die Humanisten, kommend aus der aufklärerischen und freidenkerischen Tradition, haben von Anfang an Religionskritik geübt. Religionskritik war ein wesentliches Moment der bürgerlichen Bewegung. Ohne sie wären Wissenschaft und Demokratie nicht möglich gewesen. Erst die Einsicht, dass wir die Existenz eines transzendenten Wesens nicht beweisen, wohl aber die Gesetze der Natur erkennen können (Kant) und die Erforschung der sozialen Funktion der Religionen (Feuerbach, Marx) haben beides möglich gemacht.
Die Humanisten haben nicht nur die Religionen kritisiert, sondern sie haben in Europa auch gegen die gesellschaftliche Dominanz der herrschenden christlichen Religion und gegen ihre Verbindung mit dem Staat angekämpft – und tun dies bis heute. Dieser Kampf war – und ist – aus zwei Gründen erforderlich.
Zum einen ist er erforderlich, um das Projekt der Aufklärung, den Ausgang der Menschen aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit (Kant), zu vollenden. Alle Menschen sollen sich ihres eigenen Verstandes bedienen und sich in ihrem Leben nicht einer imaginierten Instanz unterstellen. Nur eine über sich selbst aufgeklärte Religiosität, die um ihre eigene Geschichtlichkeit und Relativität weiß, kann diesem Anspruch menschlicher Autonomie genügen. Daran mangelt es ganz überwiegend bis heute (vgl. Waldhoff, Recht und Konfession. Konfessionalität im Recht?).
Zum Zweiten kämpfen die Humanisten um ihre weltanschauliche Integration in ihre Gesellschaften. Obwohl humanistische Positionen – wie z.B. die Gewährung von Grundrechten für alle Menschen, gleiche politische Teilhabemöglichkeiten, gleiche Bildungschancen und soziale Absicherungen im Alter, bei Krankheit, Armut und Arbeitslosigkeit – inzwischen in den bürgerlichen Gesellschaften herrschend sind, werden die weltanschaulichen Humanisten immer noch diskriminiert. Die ihnen gesetzlich zustehende Gleichstellung mit den Religionen, insbesondere den Kirchen, wird ihnen bis heute nicht in vollem Umfang gewährt und muss immer noch erstritten werden (vgl. Thomas Heinrichs Weltanschauung als Diskriminierungsgrund – Begriffsdimensionen und Diskriminierungsrisiken). Solange dies jedoch so ist, kann von einer vollen Integration der Humanisten in unsere Gesellschaft nicht die Rede sein.
Die humanistische Religionskritik wandte sich zwar immer gegen Religionen im allgemeinen, konkret aber bekämpfte sie vor allem das Christentum, weil dies die dominante Religion war, die in den Staat integriert und in der Gesellschaft vorherrschend war. Humanistische Religionskritik war daher bislang faktisch ganz überwiegend eine Kritik, die der Befreiung aus der Dominanz des Christentums diente.
In dem Moment, wo sich diese Kritik auch gegen Religionen richtet, die, wie der Islam, in unseren europäischen Gesellschaften nicht dominant sind, sondern im Gegenteil selber diskriminiert werden, ändert sich ihr Charakter. Humanistische Religionskritik läuft in diesem veränderten sozialen Kontext Gefahr, von einer Kritik mit dem Ergebnis der Befreiung von religiöser Bevormundung zu einer Kritik mit dem Ergebnis der Unterdrückung von Religiosität zu werden.
Dies darf jedoch nicht sein. Zum humanistischen Wert der Religionsfreiheit gehört die positive Religionsfreiheit genauso, wie die negative Religionsfreiheit. Eine humanistische Religionskritik muss einhergehen mit der Akzeptanz individueller Religiosität. Es ist aus humanistischer Perspektive nicht akzeptabel, einzelnen ihre Religiosität abzusprechen.
Daher ist es erforderlich, genau zu unterscheiden zwischen der Kritik, die wir als Humanisten an jeder Religion und Religiosität üben müssen, und den Fällen, wo es um die Frage der Beschränkung der Religionsausübung Einzelner geht. Denn Letztere ist im Rahmen der Religionsfreiheit zu Recht genauso geschützt wie die Freiheit, keine Religion zu haben.
Für den Problemfall der religiösen Bekleidung im öffentlichen Dienst bedeutet dies, dass man im Einzelfall abwägen muss zwischen dem Grundsatz der staatlichen Neutralität und der positiven wie negativen Religionsfreiheit der Einzelnen. Es geht nicht an, eine religiöse Bekleidung im Staatsdienst generell zu untersagen ohne dass es dafür gute Gründe gäbe.
Für den öffentlichen Dienst (zur besonderen Lage in der Schule s.u.) ergibt sich daher meines Erachtens Folgendes: Soweit der Staat für seine Bediensteten eine Uniform – wie z.B. bei der Polizei – oder eine Berufstracht – wie z.B. in den Gerichten – vorschreibt, sind religiöse Bekleidungen damit unvereinbar. Der Staat hat durch die Uniform- bzw. Berufstrachtpflicht klar gemacht, dass in diesen Bereichen der neutrale Eindruck seiner Bediensteten von größter Bedeutung ist. So muss z.B. Recht ohne Ansehen der Person gesprochen werden. Die Robe des Richters bringt diese staatliche Neutralität zum Ausdruck und schließt es generell aus, dass beim Bürger schon durch die Kleidung des Richters der Verdacht aufkommen könnte, der Richter sei nicht neutral. In diesem eng begrenzten Bereich reicht die abstrakte Gefahr einer Verletzung der staatlichen Neutralität bereits für ein Verbot religiöser Bekleidung aus.
Überall sonst im öffentlichen Dienst sind dagegen religiöse Bekleidungen statthaft, sofern sie eine gewisse Dimension nicht überschreiten und die Aufgabenwahrnehmung nicht konkret beeinträchtigen. Das vertretbare Maß religiöser Bekleidung wird da überschritten, wo der Eindruck entsteht, nicht mehr einem neutralen Staatsdiener gegenüber zu stehen – der wie viele andere auch seine private Religion hat –, sondern dem Vertreter einer Religionsgemeinschaft. Ein Staatsdiener in christlicher Ordenstracht, im Kaftan und mit Schläfenlocken der orthodoxen Juden, in oranger Bhagwantracht eines Sannyasins oder in Burka oder Niquab einer Muslimin ist nicht mehr akzeptabel.
Ob die Wahrnehmung der Aufgaben beeinträchtigt wird, ist im Einzelfall zu prüfen. So behindert z.B. ein Gesichtsschleier bei einer Staatsbediensteten generell den für ein vertrauensvolles Verhältnis zum Bürger wichtigen persönlichen Kontakt. Im konkreten Einzelfall könnten auch öfters auftretende Konflikte mit Bürgern, die durch eine religiöse Bekleidung ausgelöst werden, die Aufgabenwahrnehmung so beeinträchtigen, dass entsprechende Verbote notwendig werden.
Im übrigen muss und kann der Staat von allen seinen Bediensteten verlangen, dass ihre private, religiös- weltanschauliche Orientierung bei der Ausübung ihrer Aufgaben im Staatsdienst keine Rolle spielt. Selbstverständlich ist auch, dass Staatsbedienstete keine Werbung für ihre Religion oder Weltanschauungen machen dürfen. Ein Button mit der Aufschrift "Jesus liebt dich!" würde gegen die staatliche Neutralität verstoßen. Ob dies eingehalten wird oder nicht hängt jedoch nicht an einem religiösen Kleidungsstück. Sollte es ein Staatsbediensteter im Einzelfall an der erforderlichen Neutralität fehlen lassen, so ist mit Mitteln des Disziplinarrechts bzw. Arbeitsrechts dagegen vorzugehen.
Die Schule ist im öffentlichen Dienst ein Sonderfall.
Ob die Schule so weit wie möglich neutral sein soll, oder ob sich in ihr die gesellschaftliche Pluralität widerspiegeln soll wird schon immer kontrovers diskutiert. Bislang herrschte in Deutschland die Auffassung vor, dass die Schule kein gesellschaftsferner Sonderraum sein könne, sondern dass in ihr die Pluralität der Gesellschaft abgebildet werden solle und es Teil des erzieherischen Auftrags der Schule sei, den Heranwachsenden diese Pluralität zu vermitteln. Schule soll die Heranwachsenden befähigen, die unterschiedliche religiös- weltanschauliche Einstellungen nicht nur zu akzeptieren, sondern die bei uns vorhandene Pluralität auch wertzuschätzen. Dazu gehört auch, dass Schüler wie Lehrer in ihrer Unterschiedlichkeit wahrnehmbar sind.
Wo im Einzelfall die Grenze zwischen der notwendigen Neutralität und der sinnvollen Pluralität zu ziehen ist war schon vor den Kopftuchdebatten strittig. Vielleicht noch bekannt ist die Debatte um die "Stoppt Strauß"-Plakette, die einer Schülerin in Bayern 1980 einen Schulverweis eingebracht hatte. Auch schon 1988 hatte das Bundesverwaltungsgericht (Az. 2 B 92/87) entschieden, dass es einem Lehrer untersagt werden kann, sich durchgängig in bhagwantypischen Rottönen zu kleiden.
Die Kopftuchdebatte in der Schule ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dem erwähnten Urteil von 2003 ausdrücklich auf diese zwei unterschiedlichen Modelle von Schule bezogen. Es hat es dem Gesetzgeber frei gestellt, ob er den sozialen Wandel hin zu einer Pluralität der Religionen und Weltanschauungen zum Anlass nimmt, die schulische Neutralität stärker zu gewichten, oder ob er weiter die Auffassung vertritt, der Umgang mit anderen Religionen und Weltanschauungen müsse in der Schule eingeübt werden und Religionen und Weltanschauungen müssten daher auch in der Schule sichtbar sein.
Wenn man die Schule als Raum sieht, der die Pluralität der Gesellschaft abbilden soll, dann bleibt es auch für die Schule bei dem, was ich oben für den öffentlichen Dienst allgemein ausgeführt habe. Religiöse Bekleidungen sind statthaft, sofern sie eine gewisse Dimension nicht überschreiten und die Aufgabenwahrnehmung nicht konkret beeinträchtigen. Zu letzterem gehört in der Schule auch, dass der Schulfrieden gewahrt bleibt. Und auch hier gilt: Wenn Lehrer sich nicht neutral verhalten, ist mit Mitteln des Disziplinar- und Arbeitsrechts dagegen vorzugehen.
Wenn man dagegen die Auffassung vertritt, dass die Schule ein möglichst neutraler Raum sein soll, in den soziale Problemlagen möglichst wenig präsent sein sollen, dann kann man das Tragen religiöser Bekleidung wie im Bereich von Uniform- und Berufstrachtträgern im öffentlichen Dienst auch bereits dann untersagen, wenn es nur die abstrakte Gefahr gibt, dass es möglicherweise zu einer Verletzung der Neutralität oder des Schulfriedens kommen könnte. Eine solch abstrakte Gefahr dürfte bei der derzeit nicht immer konfliktfrei ablaufenden religiös-/weltanschaulichen Pluralisierung unserer Gesellschaft zu bejahen sein.
Ich bin der Auffassung, dass die Schule die Pluralität der Gesellschaft abbilden soll. Wenn man den anderen Ansatz vertritt und meint, Kinder sollten in der Schule möglichst frei von allen sozialen und weltanschaulichen Unterschieden aufwachsen, dann landen wir letztlich bei der Schuluniform. Aber z.B. England mit seinen Schuluniformen hat ein elitäres Bildungssystem. Es ist faktisch nicht möglich, Schule neutral zu gestalten. Spätestens auf dem Schulhof ist mit der Neutralität Schluss.
Wo, wenn nicht in der Schule, sollen Heranwachsende den friedlichen Umgang miteinander lernen. Hier kommen alle zusammen, weil alle in die Schule müssen. Hier müssen sie lernen miteinander auszukommen, auch wenn sie unterschiedliche politische und religiös-/weltanschauliche Auffassungen haben oder aus unterschiedlichen sozialen Klassen kommen.
Das Land Berlin 2006 hat den verpflichtenden Ethikunterricht für alle ab der siebten Klasse eingeführt, weil es dadurch die Integration der Mitglieder unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen in die Gesellschaft fördern wollte. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat dazu mit Urteil vom 23.11.2006 (Az. 8 S 78/06) ausgeführt, dass ein solcher Unterricht erforderlich ist, damit "sich die Schüler unabhängig von ihrer jeweiligen Herkunft gemeinsam konstruktiv mit grundlegenden kulturellen und ethischen Problemen des individuellen Lebens und in der Gesellschaft auseinander setzen" können, um so "die Grundlagen für ein selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes Leben sowie soziale Kompetenzen, interkulturelle Dialogfähigkeit und ethische Urteilsfähigkeit zu erwerben". Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 15.03.2007 (Az. 1 BvR 2780/06) bestätigt, dass ein solcher Unterricht die effizienteste Möglichkeit ist, die Integration aller Schüler und die Bildung von Toleranz zwischen den Schülern unterschiedlicher Religion oder Weltanschauung zu fördern.
Der beste Ethikunterricht nützt aber nichts, wenn aus der Schule im übrigen Religionen und Weltanschauungen herausgedrängt werden und die Schüler den Eindruck gewinnen müssen, dass ihre Lehrer die Regeln ihrer Religion in der Schule nicht befolgen dürfen. Wenn muslimische Schüler sehen, dass ihre muslimische Lehrerin kein Kopftuch tragen darf, dann werden sie das als Beschränkung ihrer Religiosität durch den Staat auffassen. Es gibt muslimische Lehrerinnen mit und ohne Kopftuch, christliche, jüdische, humanistische, konfessionsfreie und viele andere mehr, das ist die Pluralität unserer Gesellschaft. Sie gehört in die Schule hinein, damit die Schüler, wenn sie aus der Schule herauskommen, gelernt haben, friedlich damit umzugehen.
27 Kommentare
Kommentare
David Z am Permanenter Link
"Wenn muslimische Schüler sehen, dass ihre muslimische Lehrerin kein Kopftuch tragen darf, dann werden sie das als Beschränkung ihrer Religiosität durch den Staat auffassen."
Warum sollten sie das so auffassen? Warum wird Muslimen automatisch unterstellt, sie seien ultra-religiös? Vielleicht fassen Sie es auch einfach so auf, wie es gedacht ist. Nämlich als Ausdruck der Trennung von Staat und Religion, so wie es Jahrzehnte auch in der Türkei gelebt wurde.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ein interessante, ausführliche Darstellung von "Religion im öffentlichen Raum".
"Es geht nicht an, eine religiöse Bekleidung im Staatsdienst generell zu untersagen, ohne dass es dafür gute Gründe gäbe."
Dieser Satz stimmt zu 100%. Jedoch vermisse ich in der Darstellung eine notwendige Differenzierung, die zu einem solchen guten Grund führen könnte: Religion ist nicht gleich Religion, genauso wie Weltanschauung nicht gleich Weltanschauung ist. Die Differenz erzeugt deren jeweiliger Inhalt.
Ginge es bei religiöser Bekleidung nur um das Tragen bunter Stoffe oder metallener Abzeichen ohne ideologischen Kontext, dann gäbe es m.E.n. überhaupt keine Diskussion um "religiöse Symbole/Kleidung". Erst die ideologische Aufladung erzeugt Aversion - von dumpfbackigen, rechtsgerichteten Rassisten, Antisemiten oder Islamophobikern abgesehen, die für ihre Fremdenfeindlichkeit keinerlei Begründung brauchen.
Gerade der Islam präsentiert sich in seiner reinen Form als antidemokratische Ideologie, die die eigenen Mitglieder im Wesentlichen in zwei Gruppen unterteilt: 1. die Sippe/Familie (daher ist die muslimische Gesellschaft tribalistisch/familialistisch) und 2. die Umma (das große Ganze der muslimisch konditionierten Menschen weltweit). Die Abstufung nach unten, also das Individuum, ist unbekannt; genauso wie die Zwischenstufe zwischen Familie und Weltgemeinschaft, also die Nation, der Staat.
Da für beides "göttliche" Gesetze existieren und nicht-muslimische Gemeinschaften abgelehnt werden (Häuser des Krieges), sind Konflikte mit demokratischen Staaten und ihrem individuellen Lebensstil vorprogrammiert. Sicher schildere ich hier die "Idealform" des Islams, die im individuellen Verhalten einzelner Muslime weniger deutlich ausfallen mag oder sogar nicht vorhanden ist.
Fakt ist jedoch, dass die muslimische Frauenbekleidung (den Aspekt der Frauendiskriminierung, der hier ebenfalls bedeutsam wäre, lasse ich zur Vereinfachung weg) als Symbol für die Ideologie des Islams steht, ungeachtet der persönlichen Einstellung der Trägerin. Hier stellt sich also nicht die Frage, ob z.B. eine Lehrerin lediglich in Innenräumen eine Kopfbedeckung tragen will - was an sich schon kurios ist -, sondern was sie damit zum Ausdruck bringt (ob wissentlich oder unwissentlich). Würde ich ein Symbol der "Deutschen Christen" aus der Zeit des Nationalsozialismus tragen wollen (also die Kombination aus Christenkreuz und Hakenkreuz), wäre die Reaktion eindeutig: Das geht nicht!
Doch warum sollte das Tragen eines Symbols (Kopftuch) erlaubt sein, das eindeutig für ein faschistoides System ohne individuelle Entfaltung und ohne Anerkennung demokratischer rechtsstaatlicher Prinzipien steht? Das Verbot eines solchen Symbols wäre kein Eingriff in die Religionsfreiheit der Trägerin, denn unabhängig ihrer persönlichen Einstellung zeigt sie ein Symbol für eine antidemokratische Ideologie. Dies ist für mich nicht mehr durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, denn auch das Tragen z.B. einer Hakenkreuzbinde oder des Kreuzes der Deutschen Christen ist aus gutem Grund in Deutschland verboten.
Es kann also nicht darum gehen, Schülern zu vermitteln, in Deutschland dürfe man auch Symbole von Ideologien tragen, die gegen den verfassten Staat gerichtet sind. Die exzessiven Maßregelungen islamisch konditionierter Bürger (Beschneidung, Gebetsriten, Speise- und eben auch Bekleidungsregeln) sind gerade ein Kennzeichen des politischen Islams, der damit sein Vormachtstellung nach außen und innen dokumentiert sehen möchte.
Besonders im "Westen" werden diese bewusst als konfrontative Mittel eingesetzt, um Aversionen in der nicht-muslimischen Gesellschaft zu schüren, damit es eine deutlich sichtbare Trennlinie zwischen muslimischer Community und der Mehrheitsgesellschaft gibt. D.h. ein Verbot dieser Symbole würde in erster Linie diesen Islam treffen, dem an einer Ablehnung/Überwindung demokratischer Strukturen gelegen ist.
Der spirituelle Teil des Islams - also der Teil, den man als Religion bezeichnen könnte -, wäre von diesem Verbot prinzipiell unberührt. Niemandem wird verwehrt, an Geister im Weltraum zu glauben und zu ihnen zu sprechen. Vielleicht sollten sich Muslime, die ihre Religion wirklich nur in diesem spirituellen Sinne leben wollen und sich von allen politischen Ambitionen fernhalten, neue Symbole überlegen, die nicht mehr für Frauendiskriminierung, Geschlechterapartheit, Sexualfeindlichkeit und antidemokratische Bestrebungen stehen.
Diese Symbole könnten dann auch gerne von Lehrern in Schulen getragen werden, um Pluralität zu demonstrieren. Nur das antidemokratische und letztlich auch antipluralistische Kopftuch und ähnlich belastete Symbole sollten nicht mehr getragen werden dürfen. Die Botschaft, die sie transportieren, ist Sprengstoff für eine freiheitliche Gesellschaft und muss von dieser nicht toleriert werden...
Horst Groschopp am Permanenter Link
Kopftuch, "das eindeutig für ein faschistoides System ohne individuelle Entfaltung und ohne Anerkennung demokratischer rechtsstaatlicher Prinzipien" steht: Geht's noch? Wieso eindeutig?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Kopftuch, "das eindeutig für ein faschistoides System ohne individuelle Entfaltung und ohne Anerkennung demokratischer rechtsstaatlicher Prinzipien" steht: Geht's noch? Wieso eindeutig?
Ja, es geht noch. Die Ziele des politischen Islams sollten sich inzwischen herumgesprochen haben. Ich habe ja nicht geschrieben - und meine das auch nicht - dass jeder Muslim diese Ziele gutheißt. Es sind vermutlich die weitaus wenigsten. Jedoch erkennt man an den saudi-arabisch-wahabitisch gesteuerten Aktionen (Moscheebau, Imame etc.) und der von der türkischen Religionsbehörde gesteuerten Ditib, dass hier in der Tat politische Interessen im Vordergrund stehen.
Und warum sollte man das Kopftuch vom Kopf reißen? Bei einer Hakenkreuzbinde würde man es auch über eine Anzeige versuchen. Im Ernst: Es geht um eine Differenzierung im politischen Umgang mit dem Islam. Beide Seiten verhalten sich nicht klug, wenn es ihnen wirklich um Deeskalation und eine friedliche Lösung geht. Die Islamistinnen (wie Arzu Toker Kopftuchträgerinnen nennt) nicht, weil sie mit ihren Aktionen und Prozessen eskalierend wirken wollen und die pauschalen Diskriminierer nicht, die ohne genaue Begründung gegen "das Fremde" sind.
Mir geht es um eine Ächtung des Symbols, nicht um eine Ächtung der Menschen. Doch um dies in die Wege zu leiten, muss man erst einmal erkennen und dann anerkennen, wie der politische Islam und seine Vertreter ticken. Diese Erkenntnis würde die Debatte erheblich entspannen und diejenigen, die einen spirituellen Islam (den von Prof. Khorchide sogenannten "humanistischen Islam") leben wollen, die also zu Reformen bereit sind, könnten sich anders positionieren, als mit den Islamisten permanent in einen Topf geworfen zu werden.
So, wie es zurzeit gehandhabt wird, sehe ich nur endlose Konfrontation zum beiderseitigen Schaden, die nur einen Gewinner kennt: Die AfD...
Ilse Ermen am Permanenter Link
Das Kopftuch ist vor allem in der islamischen Welt ein deutliches Symbol der Frauenunterdrückung.
Es hat im Schuldienst nichts zu suchen, genauso wenig wie andere religiöse Zeichen.
Asinello am Permanenter Link
@lse Ermen: "Das Kopftuch ist vor allem in der islamischen Welt ein deutliches Symbol der Frauenunterdrückung."
Stimmt - und zwar dann, wenn es nicht aus eigenem Willen getragen wird. Den Apsekt, dass es hier in Deutschland auch Gründe geben könnte, die nicht mit Zwang zu tun haben, sondern Ausdruck eigener Entscheidung sind, vermisse ich regelmäßig, wo die Unterjochung thematisiert wird.
Asinello am Permanenter Link
@Bernd Kammermeier
Eine solche Aussage ließe sich zu Katholizismus, Buddhismus, Judentum, Hinduismus, etc. ebenso plausibel begründen (und auch anhand aktueller regionaler Ausprägungen belegen). Mit etwas Fleiß bliebe am Ende keine Religion und vermutlich auch keine Weltanschauung übrig, deren Bekenntnis durch Zurschaustellung von Symbolen an Dienst-, Amts- und Arbeitsplätzen statthaft wäre - was den so entstandenen "Neutralismus" als nächsten Kandidaten für diese Übung qualifizieren dürfte.
Die Prämisse "Religion ist nicht gleich Religion" ignoriert tapfer den Gottesbezug im Islam. Auch eine Definition als Ideologie macht die Definition von Religion / Weltanschauung nicht ungültig.
2. Der politische Islam trägt totalitäre Züge. Aber er ist nicht identisch mit dem "ganzen" Islam (es gäbe da zB noch einen spirituelle, eine tranzdentente, eine mystische, eine rituelle Ausprägung sowie unzählige lokale Colorite) oder gar allen Muslimen (egal wo sie mit welcher Intensität welcher Ausprägung anhängen).
Folglich kann "DER" Islam als gesamte Religion nicht als faschischische Organisation betrachtet werden. Die Gleichsetzung des muslimischen Kopftuchs mit einem Nazi-Symbol ist daher unzulässig.
3. "ein Verbot dieser Symbole würde in erster Linie diesen Islam treffen, dem an einer Ablehnung/Überwindung demokratischer Strukturen gelegen ist."
Aus dem Blickwinkel der zuvor zweifach justierten Scheuklappen ist diese Annahme folgerichtig. Ebenfalls folgerichtig ist daher auch die Sichtweise, anstelle von Menschen, die ihr verbrieftes Grundrecht auf Bekenntnisfreiheit geltend machen, "Islamistinnen" wahrzunehmen, die "mit ihren Aktionen und Prozessen eskalierend wirken wollen".
4. "Der spirituelle Teil des Islams - also der Teil, den man als Religion bezeichnen könnte -, wäre von diesem Verbot prinzipiell unberührt."
Sicher, die Leute dürfen ja glauben was sie wollen - Hauptsache, sie bekennen es nicht sichtbar. Oder wenn schon, dann bitte mit Symbolen, die nicht mehr für alles Schändliche stehen, was der Autor im Islam erblickt.
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Eingangs werden die "guten Gründe" für ein Verbot religiöser Kleidung darin gesehen, dass der Islam inhaltlich anders sei. Daher gehe es ja eigentlich gar nicht um um religiöse, sondern um ideologische Symbole. Am Ende des Textes dürfen sich die braven Frömmler immerhin neue Symbole einfallen lassen, die sie von den faschistoiden Umstürzlern sichtbar unterscheiden.
Kurzum, der Kommentar verlangt nicht weniger als bedingungslose absolute Assimilation. Immerhin ohne das unhaltbare Versprechen, dass "die Fremden" dann nicht mehr als Fremdlinge ausgesondert, sondern in den Kreis der Freien und Edlen aufgenommen werden -- die es sich leisten können, sich nach Gusto auszusuchen, für wen ihre unversellen Rechte wann gelten. q.e.d.
Wer nun glaubt, ich könne mich dem nicht anschließen, ahnt richtig.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Es geht nicht an, eine religiöse Bekleidung im Staatsdienst generell zu untersagen, ohne dass es dafür gute Gründe gäbe."
Alles Andere öffnete Tür & Tor für die wiederholte, endlose Diskussion darüber, was 'gewisse Dimension / vertretbares Maß / Eindruck' bedeutet.
Nach dem Motto Ordenstracht und Burka nein, aber Kippa und ganz kleines Kopftuch ja, zum Beispiel.
Horst Groschopp am Permanenter Link
Ganz kleines Kopftuch? Wie klein ist klein? Es sollten für diese Situationen vielleicht kleine Abzeichen eingeführt werden, die Frau an der Bluse tragen kann. Die Farbe kann variieren..., aber besser nicht.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ironie nicht verstanden? Ich schrieb "für sämtliche ... geltend."
Horst Groschopp am Permanenter Link
... war als solche nicht kenntlich, jedenfalls nicht für mich. Das ist das Problem jeder Ironie, sie wird selten erkannt, wohl auch meine nicht. Da müssen wir besser werden.
Horst Groschopp am Permanenter Link
1. Ein aufgeklärter Standpunkt, an dem sich die Geister wieder scheiden an der Frage, welcher Strategie man anhängt: Pluralität oder Neutralität.
hj_allemann am Permanenter Link
Viel Jura-Sprech auf falscher Grundlage
Das Kopftuch ist kein religiöses Symbol! Es ist (zumindest hier im westlichen Europa) ein Symbol für die Verachtung unserer Kultur.
Darauf weist z.B. auch die Initiative Liberaler Muslime Österreich hin, die im offenen Brief an den österreichischen Bundespräsidenten schreiben: "Die Kopftuch-Heuchelei muss endlich aufhören. Im Koran gibt's weder Kopftuch Hijab, Niqab, Burka, Tschador oder eine Ganzkörperverschleierung, das sind Symbole radikaler Islamisten, um Frauen zu unterdrücken und zu versklaven. Es ist verwunderlich, dass bestimmte Politiker und manche Journalisten das unterstützen." Juristen auch, möchte ich ergänzen.
Wenn Juristen also Kopftuch-Entscheidungen treffen, sollten sie zuerst die Frage behandeln und entscheiden: Wird dieses Symbol der Verachtung unserer Kultur, der Unterdrückung und Bestrafung (z.B. Iran, Saudi Arabien) von Frauen, zu einer religiösen Pflicht, nur weil es einige/viele (?) Imame fordern?
Hilfreich wäre die Überlegung, wie man mit hinduistischen Trägern eines Hakenkreuzes in Deutschland umgehen würde. In Indien sieht man es überall als Symbol des Glücks. Ich glaube nicht, das man das hier akzeptieren könnte und die Hindus, die in Deutschland leben, tragen es aus Respekt auch nicht.
Horst Groschopp am Permanenter Link
"Unsere Kultur" – das sind Behauptungen.
Das Problem ist doch – jetzt zur "Szene" – erstens, dass die rigorosen Laizisten im Land mit ihrer Grundforderung der unbedingten Neutralität des Staates (statt Pluralität) erneut eine Niederlage werden hinnehmen müssen, aus Menschenrechtsgründen, denn Gleichbehandlung der Religionen wird auch Muslimen staatliche Förderungen bringen. Das Problem ist zweitens, dass die Laizisten auch gegen Weltanschauungsfinanzierungen sind. Das wird von der christlichen Lobby im Staat gern gehört und dieser Wunsch wird flott erfüllt. Auf diesem Feld, wenn es gegen organisierten Humanismus geht, haben deshalb Laizisten Erfolge.
Was das Kopftuch betrifft, damit zur Kultur, so wird dies verschwinden, wie es meine Mutter und meine Großmutter in den 1950ern abgelegt haben. Man trug es immer, wenn man aus dem Haus ging, wie Männer ihre Kopfbedeckung trugen, immer, bis „ohne“ üblich wurde. Meine Mutter und Großmutter legten das Kopftuch ab, weil es die „Vertriebenen“ trugen und sich so gegenseitig erkannten und man selbst war ja einheimisch. Dann wollten die Fremden auch dazugehören und ihr Anderssein anders zeigen. Das sind komplizierte Kulturzusammenhänge und diese haben auch immer religiöse Komponenten – und auch hier gilt: „Leitkultur“, auch die sog. humanistisch-aufklärerische, ist Politik und Ideologie und fern von dem, wie Kulturen funktionieren.
Auch die Unterdrückungen durch Symbole sind kompliziert. Ein passendes Beispiel hierfür ist ab 1933 die Pflicht für NSDAP-Mitglieder, das Parteiabzeichen zu tragen. Wer das „Bonbon“ am Revers hat, meckert nicht öffentlich über Hitler. Die umgekehrte Funktion hatte der Judenstern. Der machte vogelfrei.
Schon mal darüber nachgedacht, dass das Kopftuch in unseren Breiten auch eine Gruppenerkennungs- und Schutzfunktion hat? Das sagt viel über die deutsche Gesellschaft und die möglichen Gründe, wann das mit dem Kopftuch hier seinen Zweck verliert. Mehr Gelassenheit und Wissen in Kulturfragen.
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
".....Das Problem ist doch – jetzt zur "Szene" – erstens, dass die rigorosen Laizisten im Land mit ihrer Grundforderung der unbedingten Neutralität des Staates (statt Pluralität) erneut eine Niederlage
Genau da liegt das Interesse eines Teils der säkularen Szene. Sie genießt selbst solche staatliche Förderung. Kein Wunder also, wenn sie und ihre Vertreter ganz entschieden darum kämpfen, dass Laizisten ihnen diese Einnahmen nicht versauen. Es könnte existenzbedrohend werden. :)
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Ein passendes Beispiel hierfür ist ab 1933 die Pflicht für NSDAP-Mitglieder, das Parteiabzeichen zu tragen. Wer das „Bonbon“ am Revers hat, meckert nicht öffentlich über Hitler.
Hätte das Kopftuch die Symbolkraft des Judensterns (der als gelber Ring schon im Mittelalter durch Christen eingeführt wurde), dann hätten Musliminnen ihr Symbol im freien "Westen" längst abgelegt. Also ist es wohl doch eher mit dem anderen Symbol Ihres Beispiels vergleichbar...
Im Übrigen:
"Man trug es immer, wenn man aus dem Haus ging, wie Männer ihre Kopfbedeckung trugen, immer, bis „ohne“ üblich wurde."
Wenn man aus dem Haus ging! Richtig. Wer aber hat je ein Kopftuch IM Haus getragen? Außerdem ist es im Islam keine Modeerscheinung, die eine Frau ohne Repressionen einfach so ablegen kann. In nicht-muslimischen Ländern schon eher und da tragen es auch immer weniger Musliminnen. Doch auch da ist der Druck durch die Familie noch immer gewaltig.
Und noch einen Unterschied gibt es: Es gab bei "christlichen" Kopftüchern nie einen Zwang, dass sämtliche Haare unter dem Stoff verborgen sein müssten. Und man hat - meines Wissens nach - nie kleinen Mädchen erzählt, dass sie für jedes Haar, dass man noch sehen könne, im Jenseits eine Schlange auf den Kopf bekämen.
Vielleicht wäre einmal eine Beschäftigung mit dem Kopftuch und seinen sozio-kulturellen Implikationen ganz lehrreich...
hj_allemann am Permanenter Link
Behauptung?
Ja und?
Richtig oder Falsch?
Für mich ist es keine Frage, daß unsere Kultur christlich-jüdisch fundiert und glücklicherweise seit wenigen Jahrhunderten von der Aufklärung geprägt ist. Leider nicht genug. Aber immerhin gehören dazu Werte wie Gleichberechtigung und auch Religionsfreiheit.
Und wenn wir über die Schutzfunktion des Kopftuches in unseren Breiten nachdenken, dann ist das genau der Punkt, den ich anspreche: Wovor soll denn das Kopftuch schützen? Kann schon sein, daß "in anderen Breiten" Frauen angefallen werden, wenn sie kein Kopftuch tragen. Aber hier?
Und die Gruppenerkennungsfunktion? Genau! Sagt da das Kopftuch: "Ich bin keine deutsche Schlampe!"?
Sicher sagt es das nicht immer, aber es sagt garantiert nicht: Ich bin Deutsche/Europäer und ich bin integriert.
Horst Groschopp am Permanenter Link
„Wovor soll denn das Kopftuch schützen?“ Auf diese Frage kann nur das Kopftuch tragende Subjekt selbst antworten, wenn es das Geheimnis einem andren Subjekt gegenüber überhaupt lüften möchte.
Es gibt seit Entstehen der Ethnologie, die auf Georg Forster zurückgeht, immer die gleiche Debatte, nämlich, inwieweit „Fremde“ überhaupt in der Lage sind, andere Kulturen zu verstehen. Es gab und gibt diese Debatte auch hinsichtlich West- und Ostdeutschland, gerade heute wieder begonnen, wo man doch meinen könnte, deutsch seien beide. Sind sie auch, aber immer noch verschieden.
Gerade Leitkulturanhänger meinen, sie wüssten, wie es funktioniert, als seien sie drin in der islamischen Kultur in Deutschland, wo es sicher auch mehrere gibt.
Es sind die Gewissheiten, die wir für „wahr“ halten, wie andre ihre Kultur, ihre Gewissheiten. Das „Eigene“ ist andren ebenso heilig ist wie uns das unsrige Eigene (fast wörtlich Max Weber).
Am Anfang des Diskurses, wenn man ihn will, steht der Wunsch zu verstehen, sicher, auf allen Seiten. Das ist Aufklärung. Der erste Adressat sind wir selbst. Das lässt sich sehr gut seit fast zwanzig Jahren an der Kopftuchfrage verfolgen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Es gibt seit Entstehen der Ethnologie, die auf Georg Forster zurückgeht, immer die gleiche Debatte, nämlich, inwieweit „Fremde“ überhaupt in der Lage sind, andere Kulturen zu verstehen."
Diese Binse geht m.M.n. völlig an der "Kopftuch-Debatte" vorbei. Es geht nicht darum, ob es "besser oder schlechter" ist, wenn man sich z.B. zur Begrüßung umarmt, die Hand gibt oder die Nasen reibt.
"Gerade Leitkulturanhänger meinen, sie wüssten, wie es funktioniert, als seien sie drin in der islamischen Kultur in Deutschland, wo es sicher auch mehrere gibt."
Auch das ist eine Binse und auch die hat aus meiner Sicht nichts mit dem Thema zu tun.
"Am Anfang des Diskurses, wenn man ihn will, steht der Wunsch zu verstehen, sicher, auf allen Seiten. Das ist Aufklärung. Der erste Adressat sind wir selbst. Das lässt sich sehr gut seit fast zwanzig Jahren an der Kopftuchfrage verfolgen."
Ja, so ist es. Aber was will man verstehen? Wie das Kopftuch gewickelt wird? Aus welchem Stoff es besteht? Welche Farben es haben darf? Gemustert oder uni? Es kann doch nur um den ideologischen Hintergrund gehen. Und der ist nach eigener Aussage der Kopftuchverteidiger ein religiös-kultureller.
Sicher spielt hier der Effekt mit hinein, dass es Gewohnheiten gibt, die als unverzichtbar angesehen werden. Es gibt heute nicht wenige junge Frauen, die ungeschminkt das Haus nicht verlassen, weil sie sich sonst nackt vorkämen. Es geht also auch um das "Wohlfühlen" und will ich niemandem nehmen.
Das könnte hinter dem "Schutzbedürfnis" vieler kopftuchtragender Musliminnen stehen. Dies ist subjektiv richtig und sollte auch ernstgenommen werden.
Doch mein Ansatz geht weiter:
Was transportiert das Kopftuch unabhängig der persönlichen Einstellung seiner Trägerin? Steht das Kopftuch für eine weltoffene, tolerante Welt des Pluralismus? Also für das, was Kopftuchbefürworter gerne als Kennzeichen einer Welt ansehen, die Musliminnen ihr Kopftuch tragen lassen will?
Um dies zu beurteilen, sollte man sich den Islam genau anschauen und einmal Muslimen oder Ex-Muslimen zuhören - genau zuhören -, was die dazu zu sagen haben. Mina Ahadi stammt aus einem Land mit rigidem Kopftuchzwang, Arzu Toker hat einen anderen Hintergrund und Hamed Abdel-Samad sieht dies als einst muslimisch sozialisierter Mann inzwischen sehr analytisch. Deren Positionen sind nicht vom Hass gegen Muslime geprägt und daher für mich wertvoll und nachvollziehbar.
Das Kopftuch ist das Symbol des politischen Islams - ob die Trägerin das so sieht oder nicht. Sie trägt ja eben kein Schild um den Hals: "Ich trage zwar Kopftuch, bevorzuge aber eine weltoffene pluralistische Gesellschaft ohne Geschlechterapartheit und Frauenunterdrückung!" Dieses Kopftuch zeigt: Ich gehöre zur muslimischen Community und nicht zur ungläubigen Gesellschaft - ich bin keine Schlampe!
Das heißt, es geht nicht um kulturelle Unterschiede oder abweichende Gewohnheiten. Es geht um den ideologischen Kampf gegen genau das, dessen Vorhandensein die Voraussetzung für diesen Kampf ist: die weltoffene tolerante und pluralistische Gesellschaft.
Gerade in den meisten islamischen Ländern finden wir diese freiheitliche Gesellschaft nicht vor. Dort herrscht rigider Monokulturalismus ohne die geringste Religionsfreiheit. Dort ist das Kopftuch eindeutig Zwang - weshalb sich über die Jahrhunderte dieses Gefühl der Scham, wenn man ohne Kopftuch geht, herausgebildet hat.
Das kann man nicht beseitigen, indem man das Nichttragen von Kopftüchern nur erlaubt und auch nicht, indem das Tragen von Kopftüchern einfach verboten wird. Trotzdem müssen wir eine gesellschaftliche Antwort darauf finden, wie wir die Propaganda für eine monokulturelle und antipluralistische und damit antifreiheitliche Gesellschaftsform in ihre Schranken verweisen können.
Der Anfang wäre für mich, das Kopftuch nicht als "ein Stück Stoff" zu verharmlosen, wie auch in der Beschneidungsdebatte die Vorhaut gerne als "nur ein Stück Haut" verharmlost wurde. Es geht um wesentlich mehr, auch wenn dies - wie gesagt - vielen Musliminnen unbekannt sein sollte...
Asinello am Permanenter Link
@Bernd Kammermeier: "Was transportiert das Kopftuch unabhängig der persönlichen Einstellung seiner Trägerin?"
In Deutschland transportiert es bei einer Trägerin, die mindestens 14 Jahre alt ist, in erster Linie den Gebrauch ihres Rechts, selbst über ihre Religiosität und deren Bekenntnis zu entscheiden. Kein Staat, keine Sittenpolizei erzwingt hier Tun oder Unterlassen. Schließlich geht es um ein Grundrecht.
Derweil gibt es etwa ein Dutzend Gründe, die bestenfalls wenig mit Freiwilligkeit zu tun haben, und etwa zwei Dutzend Gründe, von denen nur wenige religiöse Motive beinhalten. Aber da wären wir ja bei der persönlichen Einstellung der Trägerin.
Hinzu kommen noch etliche Möglichkeiten, das Signaltuch zu interpretieren, die mit Situation, Intention und Realität der Trägerin nicht das Mindeste zu tun haben brauchen. Da wären wir dann beim Thema Projektion.
Insgesamt sind wir bei der Frage, wer hier über Frauen und ihre Kopfbedeckung entscheiden darf: Selbsternannte Hüter einer Moral (sei sie nun reaktionär-patriarchalisch oder freiheitlich-leitkulturell) - oder die Trägerin des Kopfes?
Asinello am Permanenter Link
@Horst Groschopp
> "Unsere Kultur" – das sind Behauptungen. ... „Leitkultur“, auch die sog. humanistisch-aufklärerische, ist Politik und Ideologie und fern von dem, wie Kulturen funktionieren.
DANKE!
Ich konnte meiner schlesischen Familie in den 60ern zusehen, wie sie Hüte und Kopftücher erst noch zum Kirchgang beibehielt, um dann in den 70ern "auf jung" zu machen und gänzlich "oben ohne" zu gehen. Die "katholischen Kopftücher" blieben auf den gesalbten Häuptern derer, die für ihre Frömmigkeit bekannt sein wollten. Die Sorte war es auch, woran ich das Wort "bigott" sofort begriff.
Heute bin ich ihnen dankbar, sie haben in diesem Knaben -ungewollt- den Grundstein für tolerante humanistische Agnostik gelegt. Und weil ich damals, eingeklemmt zwischen frommen Kirchenturnern, deren Freudengesang so abgestanden klang wie das Weihwasser roch, diese Kopftücher zutiefst verabscheut habe, bin ich heute sehr froh darüber, das besonders fromme Frauen so etwas wieder tragen. Ich finde, für Männer sollte ebenfalls eine solche Pflicht her. In jeder Religion. Damit man sie schon von Weitem erkennt.
Die Backfische zähle ich da übrigens nicht mit. Die ziehen an, was ihre Lieblingfeinde am meisten ärgert. Und in der radikal-ethischen Phase hilft ein Symbol kräftig mit, sich der eigenen moralischen Überlegenheit gewiss zu sein. Das wächst sich aus. Bei anderen wächst es ein. Dort bin ich froh um ein zuverlässiges, weithin sichtbares Signal.
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Der Argumentation des Autors kann man über weite Strecken zustimmend folgen.
Zwar weist er in seinen Ausführungen ganz zu Recht auf wichtige Unterschiede betreffs religiöser Bekleidungsvorschriften hin. Aber wohl wg. fehlender Urteilskraft in der Frage unterrichtlicher Relevanz religiöser Bekleidung, was es gerade für pubertäre Jugendliche bedeutet, mit religiös motivierter Bekleidung einer Lehrperson konfrontiert zu werden, kommt der Autor zu falschen Schlussfolgerungen hinsichtlich des Bedeutungshorizontes, der sich mit dem religiösen Kopftuch verbindet.
Dieses Kopftuch, das in den letzten Jahren bei Muslimas - nicht nur in Deutschland - eine immense Verbreitung gefunden hat (nicht bloß wg. des Spätsommers 2015) nimmt der Autor aus seiner Liste von nicht akzeptablen religiös motivierten Bekleidungen öffentlicher Funktionsträger heraus.
Weiter oben hat er aber - in Anlehnung an Kant - zu Recht betont, dass “ nur eine über sich selbst aufgeklärte Religiosität, die um ihre eigene Geschichtlichkeit und Relativität weiß”, dem Anspruch “menschlicher Autonomie” genügt.
Dem Autor fehlt es gerade hier - beim religiösen Kopftuch an Schulen - an der entscheidenden Perspektive des Anderen - des jugendlichen Schülers, der im Schulbetrieb von der mit Weisungsbefugnis ausgestatteten Lehrperson abhängig ist. Ist diese Lehrperson mit einem religiös motivierten Kopftuch bekleidet (von der politisch-religiösen Dimension einmal abgesehen), ist weder die geforderte Neutralität gegeben noch findet das für jugendlich Abhängige geltende Überwältigungsverbot Beachtung.
Und Pluralität in der Schule?
Gerade weil in öffentlichen Schulen in Deutschland Pluralität hoch geschätzt wird - Pluralität von Meinungen, von Werturteilen, wie im GG niedergelegt - von Freiheitsrechten, dazu gehört auch die Religionsfreiheit - gerade deshalb darf die Lehrperson weder in ihrer religiösen Überzeugung noch mit ihrer religiös motivierten Bekleidung im Unterricht Partei sein, sondern neutral. Pluralität hat im Unterricht ihren Platz, in der Debatte, nicht in der religiös anmutenden Bekleidung der Lehrperson. Das religiöse Kopftuch ist keine Bekleidung wie jede andere, sie ist Ausdruck einer religiösen Überzeugung. Gerade aber die sollte nicht in der Autoritätsperson der Schule Ausdruck finden, sondern in den unterrichtlichen Debatten von Schule. Gerade wenn eine Lehrperson tiefgreifende religiöse Sozialisation z. B. im Kopftuch ausdrückt, zeigt sich bei ihr nicht irgendeine ideologische Ausrichtung, sondern eine existentielle. Affektiv ist eine solche tiefgreifende Überzeugung Jugendlichen durchaus zugänglich, auch wenn es ihnen an intellektueller Spannweite fehlt. Die Konversionstäter, Jugendliche der 3. Generation von Türken in Deutschland (“Deutsch - Türken”) die sich als islamistische “Gotteskrieger” gerieren, sind aktueller und schlimmer Ausdruck dieser Affekte.
Der Denkfehler, nicht bloß Wertungsfehler, in der Argumentation des Autors fällt ins Auge, wenn er die grundgesetzlich geforderte Neutralität im Unterricht aufgeben will , zugunsten einer Pluralität verschiebt, ja aufgibt, die sich seiner Meinung nach in der Bekleidung der Unterrichtenden abbilden soll, gerade auch einer religiös motivierten im Kopftuch.
Zu Ende gedacht könnten dann etwa die von ihm weiter vorne genannten - und als nicht akzeptabel beurteilten religiösen - Bekleidungen vom orthodoxen Juden mit Schläfenlocken, der Ordensfrau im schmucken Ornat, ja und auch der Burka- Dame als öffentliche Funktionsträger, dann nicht auch der Pluralität im Sinne des Autors Gestalt geben? Hier schließt sich der Kreis - der logische Zirkelschluss. Tausch von Neutralität gegen Pluralität? Pluralität muss in den schulischen Debatten ihren Platz haben, nicht in der religiös motivierten Bekleidung der Unterrichtenden. Sonst gäbe man die geforderte Neutralität von Lehrpersonen auf. Die darf aber im Europa humanistischer Aufklärung nicht aufs Spiel gesetzt werden.
Asinello am Permanenter Link
Bei einer Lehrerin, die so tief im Glauben verwurzelt (sprich: konservativ) ist, dass sie sich zum Tragen des Kopftuchs verpflichtet fühlt, sei statt Neutralität Parteiergreifung gegeben - eine neutrale Unterrichtsges
Warum wird die Bewertung, im schulischen Raum der Neutralität die Pluralität vorzuziehen (die von den von den Karlsruher Richtern stammt, die ihrerseits die bisherige Linie des Gesetzgebers nachzeichnen) allein dem Autor als "Denkfehler" ausgelegt?
Warum wird gefordert, Pluralität müsse statt in der Kleidung, "in den schulischen Debatten ihren Platz haben"? Ahnt der Kommentator (der sich als im Schulbetrieb erfahrener denn der Autor des Artikels gibt) nicht, dass religiös motivierter Dresscode damit aus der schulalltäglichen Erfahrung verdrängt und zu theoretischem (schulnoten-belastetem) Unterrichtsstoff würde, was das Thema Pluralität in Schülerherzen so verhasst machen könnte wie so manche literarische Perle?
Warum wird beiläufig eine rhetorische Gerade vom Kopftuch zu Gotteskriegern eingeflochten?
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Statt weiter auf dem Kopftuch herum zu reiten, das als äußerliches Zeichen für Integrationsbereitschaft in säkulare Gesellschaften angesehen wird, ein paar Daten aus der Integrationsforschung.
Dass der Islam in der Lage sei, die "Probleme unserer Zeit zu lösen, findet mehr als ein Drittel der Türkischstämmigen zustimmungswürdig. Ebenso die "Rückkehr zu einer Gesellschaftsordnung wie in Zeiten des Propheten Mohammed" (32%).
Asinello am Permanenter Link
@Dr. Thomas Heinrichs
Schön, dass endlich mal "Pluarität" in einer Weise präsentiert wird, die nicht nach bekifften Traumtänzern klingt. Danke. Auch schön, dass dem positiven Wert "Glauben" der positive Wert "Neutralität" entgegengesetzt wird. Wenn dieser längst schon alle Symbole jeder Religion beträfe, wäre das überzeugend, es bräuchte nicht debattiert werden.
Leider wird die Neutralitätspflicht stets dann aus der Mottenkiste geholt, wenn Symbole die bestehende "Ordnung der Dinge" in kirchlichen oder weltlichen Aspekten in Frage stellen. Und leider setzt die dann gepriesene Neutralität eine Trennung von Religion und Staat voraus, die in diesem Land nicht vorhanden ist. Und dann wird unter Absingen von "Wir sind ja unparteiisch" parteiisch etwas verboten.
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Das Problem sind übrigens nicht Kleidungsstücke, nicht "die" Muslime und nicht "der" Islam.
Das Problem ist "der politische Islam", also machtorientierte Menschen, die fundamentalistisch argumentieren (und ihren Nachwuchs aus Fundamentalisten und Fanatikern rekrutieren) und die es darauf anlegen, Macht zu erringen und auszuüben.
Fundamentalismus und Fanatismus kommt man nicht bei, indem man ein paar Symbole verbietet. Im Gegenteil, damit manifestiert man Differenz.
Das mag angehen, um fundamentalistische Auswüchse (wie Vollverschleierung) auf ein gesellschaftlich akzeptables Maß (wie beim Nonnenhabit) zurückzustutzen.
Aber mit Verboten erreicht man weder die Köpfe noch die Herzen.
Ein Jammer, dass es nötig ist, in einem humanistischen Forum auf diese Selbstverständlichkeit hinzuweisen.
Asinello am Permanenter Link
@Dr. Thomas Heinrichs
Ich kann nachvollziehen, wenn bei Vertretern strenger Glaubensauslegung (die sich zum Tragen religiös motivierter Kleidungsstücke verpflichtet sehen) die Befähigung zu neutralem Handeln bezweifelt würde, da sie ihren religiösen Werten und Pflichten einen auffällig hohen Stellenwert beimessen.
Aber auch an Halbmond, Davidstern oder Kreuz an Ohrring oder Halskettchen erkenne ich Vertreter einer Religionsgemeinschaft. Gemeinsam ist das öffentliche Bekenntnis zu einer Glaubensrichtung, der Unterschied ist graduell.
Daraus folgt: Eine Grundsatz-Diskussion um Zulässigkeit von sichtbaren Glaubensbekenntnisen im öffentlichen Dienst (öD) geht - wenn sie als Ja-Nein-Frage behandelt wird - an der Praxis vorbei.
Praktisch wird der Augenschein dezenter Frömmelei im öD und an Schulen kommentarlos geduldet, augenfälliger orthodoxer Traditionalismus schon nicht mehr, Fundamentalismus soll ausgeschlossen sein.
Die eigentliche Kernfrage scheint mir daher zu sein, welchem Grad religiöser Intensität Kopftuch / Hijab zugeordnet werden sollten.
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
"Ich kann nachvollziehen, wenn bei Vertretern strenger Glaubensauslegung (die sich zum Tragen religiös motivierter Kleidungsstücke verpflichtet sehen) die Befähigung zu neutralem Handeln bezweifelt würde, da sie
Nicht nur das.
Die Studie der Uni Münster (2016): "Integration und Religion aus der Sicht von Türkischstämmigen in Deutschland" kommt zu Ergebnissen, die mit der Abstimmung türkischstämmiger Wahlbürger zum Erdogan - Referendum in hohem Maße kompatibel ist:
Dass der Islam in der Lage sei, die "Probleme unserer Zeit zu lösen, findet mehr als ein Drittel der Türkischstämmigen zustimmungswürdig. Ebenso die "Rückkehr zu einer Gesellschaftsordnung wie in Zeiten des Propheten Mohammed" (32%).