Charlie Hebdo und der Islam

BERLIN. (hpd) Der Erste Vorsitzende des Bundes für Geistesfreiheit (BfG) Erlangen hielt am Samstag auf einer Solidaritätsveranstaltung für die Opfer des Terroranschlags auf die Zeitung Charlie Hebdo eine Rede. Diese Rede führte bereits zu “Radau von religiöser Seite”, wie der Autor dem hpd gegenüber mitteilte.

Der hpd dokumentiert die Rede in vollem Wortlaut:

Liebe Erlanger Mitbürger, liebe Freunde,
mein Name ist Theodor Ebert, ich spreche hier für den Bund für Geistesfreiheit Erlangen, der sich als Vertretung kirchenfreier Menschen versteht und der sich in seiner Satzung ausdrücklich zu den Werten der Meinungs- und Redefreiheit bekennt. Über den feigen und verbrecherischen Mordanschlag in Paris sind wir entsetzt und empört. Wir trauern mit den Hinterbliebenen der Ermordeten.

Der Angriff auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo hat zu Recht weltweit Protest und Empörung ausgelöst. Dass zwölf Personen bei diesem Massaker umgebracht wurden, dass eine Reihe weiterer z. T. schwer verletzt worden sind, macht diesen Angriff tatsächlich zu einem Fanal, zu einem bisher unerhörten Angriff gegen das Recht der Meinungs- und Redefreiheit.

Dieser Angriff auf Charlie Hebdo war der bislang blutigste, aber er war nicht der erste, und es ist sinnvoll, sich die Geschichte der Auseinandersetzung von Charlie Hebdo mit seinen Gegnern kurz vor Augen zu führen.

Im Jahre 2006 gehörte Charlie Hebdo zu den nicht gerade zahlreichen französischen Zeitschriften, die den Mut hatten, die Mohammed-Karikaturen aus der dänischen Jyllands-Posten nachzudrucken. Daraufhin ging der Conseil français du culte musulman (CFCM), der Dachverband der französischen Muslime, vor Gericht, verlor den Prozess aber deutlich. Der CFCM übrigens hat den jetzigen Mordanschlag sehr nachdrücklich verurteilt.

BfG-Logo

Natürlich waren es nicht nur Muslime, die an den frechen Karikaturen von Charlie Hebdo Anstoß nahmen, aber es sind so gut wie immer Organisationen aus dem religiösen Spektrum: So verklagte auch eine katholische Organisation, die “Allgemeine Allianz gegen Rassismus und für Respekt der französischen und christlichen Identität” (Agrif), Charlie Hebdo. Sie nahm daran Anstoß, dass in einem Artikel zum Papstbesuch in Frankreich 2008 das Jesuswort “Lasset die Kinder zu mir kommen” in einen pädophilen Kontext gerückt worden sei. Sie verlor ihren Prozess 2010 ebenso.

Aber es blieb eben nicht bei gerichtlichen Auseinandersetzungen. Am 2. November 2011 wurde das Blatt Ziel eines Brandanschlags, bei dem zwar keine Person zu Schaden kam, aber ein enormer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wurde. Vor allem waren alle Computer etc. zerstört. Auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe war eine Mohammed-Karikatur zu sehen. Auch wurde die Internetseite gehackt, statt des Titelbildes gab es ein Bild von der Hadsch und einen Text:
“Unter dem Deckmantel der Pressefreiheit greift ihr mit euren gehässigen Karikaturen den großen Propheten des Islam an. Der Fluch Gottes soll euch treffen. Wir werden in der virtuellen Welt euer Fluch sein. Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet.”

Das alles hat die Redaktion von Charlie Hebdo nicht von weiterer Religionskritik abgehalten. Leider wird das Recht auf Meinungsfreiheit aber nicht überall mit solcher Konsequenz verteidigt. Die Facebook-Seite von Charlie Hebdo ist gesperrt worden, weil Charlie Hebdo keine Person sei!

Worum geht es? Es geht um das Recht, auch Religionen und ihre Gründer, ihre Amtsträger, ihre heiligen Schriften, ihre Lehren zu kritisieren, und das auch mit den Mitteln der Ironie und des Spottes und der Karikatur. So richtig es ist, eine unter dem Deckmantel der Religionskritik vorgetragene rassistische und ausländerfeindliche Hetze, wie sie gerade Pegida betreibt, zu bekämpfen und sich von dieser Bewegung zu distanzieren, so sehr muss umgekehrt am Recht festgehalten werden, auch Religionen zu kritisieren. Und zwar, wie gesagt, auch in der Form des satirischen Spottes. Und Kritik am Islam ist nicht Islamophobie, ein Wort, das ja in Analogie zu Homophobie = Schwulenhass soviel heißen soll wie Muslimenhass. Es gibt auch keinen “antimuslimischen Rassismus”, weil die Muslime keine Rasse sind.

Mit solchen Redeweisen wird gerade ein wesentlicher Unterschied zwischen Religionskritik und rassistisch konnotierter Ausgrenzung von Personengruppen verwischt. Die Kritik an der Religion kann im Prinzip immer an die Einsichtsfähigkeit jener Menschen appellieren, deren Überzeugungen sie kritisiert, nicht so der Rassismus. Von der Zugehörigkeit zu einer Religion können Menschen sich lösen, von der Zugehörigkeit zu einer Rasse nicht, und gerade das macht den Rassismus bei den Rassisten so beliebt.

Dass bei dem Mordanschlag vom 7. Januar religiöse, muslimische Fanatiker am Werk waren, lässt sich nicht leugnen. Wer “Allahou Akbar” ruft und “wir haben den Propheten gerächt”, der signalisiert jedenfalls, dass er sich selber als Muslim versteht. Und leider gibt es im Koran eben Stellen, die die Tötung von Ungläubigen rechtfertigen. Dass nicht alle Muslime so denken und der Großteil der bei uns lebenden Muslime schon gar nicht, schafft diese Stellen nicht aus dem Koran weg.

Daher ist die Behauptung, dieser Anschlag habe mit dem Islam nichts zu tun, einfach falsch. Wenn dieser Anschlag mit dem Islam nichts zu tun hat, dann haben wohl auch die Attacken auf das World-Trade-Center nichts mit dem Islam zu tun, und die Kreuzzüge und die Hexenverbrennungen nichts mit dem Christentum. Nein, die monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum, Islam haben sich, ganz im Gegensatz den Naturreligionen der Antike, im Lauf ihrer Geschichte immer auch als Brutstätten des Fanatismus erwiesen, das Christentum wohl mehr als die beiden anderen. Dass das Christentum durch die europäische Aufklärung in gewissem Umfang domestiziert wurde, ist nicht das Verdienst dieser Religion. Schließlich sind die zivilisatorischen Errungenschaften unserer (Rechts-)Kultur ganz wesentlich einer kritischen Auseinandersetzung mit der Religion des Christentums und seinen Machtansprüchen zu verdanken.

Darum müssen sich auch die hier lebenden, die liberalen Muslime und ihre beredten Verteidiger unter den Nicht-Muslimen fragen lassen, wie sie mit jenen Auffassungen im Islam umgehen wollen, die mit unseren rechtsstaatlichen Werten nicht im Einklang stehen. Wie steht es um das Recht, eine Religion auch zu verlassen? Wie mit den Rechten der Frauen?

Weil die Meinungsfreiheit und die Freiheit der religionskritischen Rede höher steht als die religiösen Gefühle von leicht beleidigten Religionsanhängern, darum sollte auch der ominöse § 166 StGB, der Gotteslästerung unter Strafe stellt, ersatzlos abgeschafft werden. Tatsächliche Beleidigungen lassen sich mit den bestehenden Gesetzen ahnden. Aber jemanden unter Strafandrohung zu stellen, der eine Religion oder eine Kirche, wie es schwammig genug im Gesetz heißt, “in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören”, das sollte in einem Staat, der sich säkular versteht, nicht erlaubt sein. Damit wird nur der Richterwillkür Vorschub geleistet. Daher hat Michael Schmidt-Salomon, der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, das Verbrechen des 7. Januar 2015 zum Anlass genommen, an den Deutschen Bundestag eine Petition zu richten, mit dem Ziel, diesen Paragrafen aus unseren Gesetzen zu streichen.

Mit der Abschaffung dieses Paragrafen und der Forderung danach würden wir wohl dem Andenken der ermordeten französischen Karikaturisten und Journalisten am besten gerecht werden.

In diesem Sinne: Nous sommes tous Charlie Hebdo! [1]

Dr. Theodor Ebert
Erster Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit Erlangen


  1. franz.: Wir sind alle Charlie Hebdo!  ↩