Rezension

Frankreich zwischen Le Pen und Macron

Die "Spiegel"-Redakteurin Julia Amalia Heyer gibt in ihrem Buch "Frankreich zwischen Le Pen und Macron" einen Überblick zur aktuellen politischen Entwicklung im Nachbarland. Das kenntnisreich und locker geschriebene Buch ist eher personenfixiert angelegt und nicht unbedingt analytisch tiefgründig, liefert aber einen informativen Überblick zu den dortigen politischen Entwicklungen.

Im gegenwärtigen Frankreich hat es ein politisches Revolutiönchen gegeben. Dessen Dimension sind vielleicht noch gar nicht so richtig registriert worden: Aus Enttäuschung über die etablierte Politik wandten sich die Franzosen von den Großparteien ab und votierten bei den Präsidentschaftswahlen für "Außenseiter". Angesichts von Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung, Stillstand und Strukturproblemen konnte dies nicht verwundern. Bekanntlich wählte ein Drittel die Rechtspopulistin Marine Le Pen und zwei Drittel den Sozialliberalen Emmanuel Macron. Die Kandidaten der etablierten Parteien hatten nichts mehr zu sagen. Dies kann auf eine grundlegende Krise der parlamentarischen Demokratie hinauslaufen, sofern der als Demokratie- und Europafreund geltende neue Präsident mit seinem Reformprojekt scheitern sollte. All dies ist Grund genug, sich die entsprechende Entwicklung noch einmal genauer anzusehen. Dazu lädt Julia Amalia Heyer, Leiterin des "Spiegel"-Büros in Paris, in ihrem Buch "Frankreich zwischen Le Pen und Macron" ein.

Am Beginn steht die Erinnerung an die Präsidentschaft von Francois Hollande und Nicolas Sarkozy, die mit großen Aussagen gestartet waren, aber keine wirklichen Verbesserungen vorangebracht hatten. Leere Phrasen und hohle Worte hätten die Franzosen nur enttäuscht. Damit sei auch der Aufstieg des "Front National" befördert worden. Dessen Entwicklung steht danach im Mittelpunkt von Heyers Bericht über das gegenwärtige Frankreich. Dabei ist ihre Darstellung personenfixiert. Es geht zunächst um Marine Le Pen, die den "Front National" scheinbar mobilisiert hat. Danach steht Jean-Marie Le Pen, der Gründer des "Front National" im Zentrum. Bekanntlich gab es zwischen Tochter und Vater ein heftiges Zerwürfnis. Die formale Mäßigung deutete er als Verrat, dessen Radikalität hatte eine abschreckende Wirkung. Der familiäre wie politische Konflikt wird von der Autorin mit treffender Ironie als ein Remix von Shakespeare und Denver-Clan kommentiert. Und dann geht es später auch noch um die wieder radikalere Nichte Marion Maréchal Le Pen.

Zwischen diese Personenportraits "packt" Heyer dann Ausführungen zur Professionalisierung des "Front National". Er ist das Werk von Strategen wie Florian Philippot. Auch die "Graswurzelstrategie", womit das Land über die Lokalpolitik erobert werden soll, findet große Aufmerksamkeit. Die Autorin fragt an dieser Stelle denn auch danach, inwieweit sich die Partei nicht nur vom Erscheinungsbild, sondern auch von der Grundausrichtung verändert habe. Sie ist hier aber nicht richtig eindeutig, hält die Partei auch nicht für "rechtsextrem" wie die DVU oder NPD in Deutschland (vgl. S. 75). Erst gegen Ende geht es dann um den politischen Gegner der Le Pens, den neuen Präsidenten Macron. Auch er konnte von der Missstimmung über das Versagen der politischen Elite profitieren. Mit ironisierenden, aber treffenden Bildern wird er charakterisiert: "Macron … hält Frankreich für Dornröschen und sich selbst für den Prinzen" (S. 151) oder "Selbst eine Waschmaschine habe mehr Programme als Macron, hieß es in einer Satiresendung im Radio" (S. 158).

Heyer ist bedingt durch ihre besondere berufliche Perspektive gut mit den politischen Entwicklungen in Frankreich vertraut. Sie schreibt eingängig und locker und liefert damit einen interessanten Rückblick auf die letzten Jahre im Nachbarland. Insbesondere die Rekonstruktion des Aufstiegs und Wandlungsprozesses des "Front National" verdient dabei Interesse. Gleichwohl ist die Darstellung doch insgesamt recht oberflächlich geraten. Das ist der Nachteil einer Personenfixierung. Andere Aspekte mehr struktureller Natur finden demgegenüber nicht so große Aufmerksamkeit. Die Krise der "politischen Klasse" erklärt sich ja nicht nur durch Hollandes fehlende persönliche Glaubwürdigkeit, was sicherlich Heyer nicht so meint, aber sie geht die Gründe dafür auch nicht differenzierter und näher an. Insofern fehlt dem Buch die dafür nötige Systematik und Tiefe. Gleichwohl muss man dies auch nicht immer von einem journalistischen Produkt erwarten. Lehrreich ist es allemal, zumal es ja in anderen Ländern wie Österreich ähnliche Entwicklungen gibt.

Julia Amalia Heyer, Frankreich zwischen Le Pen und Macron, München 2017 (Deutscher Taschenbuchverlag), 188 S., ISBN 978-3-423-26156-2, 14,90 Euro