Ein harter Schlag für Bibelgläubige: Schon wieder eine Geschichte ihres heiligen Buchs, deren Wahrheitsgehalt im Lichte wissenschaftlicher Forschung dahin schmilzt. In diesem Fall die Geschichte von der heldenhaften Vernichtung der Kanaaniter – auch unter ihrem griechischen Namen "Phönizier" bekannt.
Laut biblischer Legende sind die Kanaaniter eines der vielen Völker des östlichen Mittelmeerraums, welche die Israeliten bei ihrer Besiedelung der Region vernichteten. Auf Geheiß ihres Gottes. So jedenfalls steht es in einer der weniger gern zitierten äußerst blutrünstigen Passagen der Bibel: Deuteronomium, Kapitel 20.
(10) Wenn du vor eine Stadt ziehst, um sie anzugreifen, dann sollst du ihr zunächst eine friedliche Einigung vorschlagen. (11) Nimmt sie die friedliche Einigung an und öffnet dir die Tore, dann soll die gesamte Bevölkerung, die du dort vorfindest, zum Frondienst verpflichtet und dir untertan sein. (12) Lehnt sie eine friedliche Einigung mit dir ab und will sich mit dir im Kampf messen, dann darfst du sie belagern. (13) Wenn der Herr, dein Gott, sie in deine Gewalt gibt, sollst du alle männlichen Personen mit scharfem Schwert erschlagen. (14) Die Frauen aber, die Kinder und Greise, das Vieh und alles, was sich sonst in der Stadt befindet, alles, was sich darin plündern lässt, darfst du dir als Beute nehmen. Was du bei deinen Feinden geplündert hast, darfst du verzehren; denn der Herr, dein Gott, hat es dir geschenkt. (15) So sollst du mit allen Städten verfahren, die sehr weit von dir entfernt liegen und nicht zu den Städten dieser Völker hier gehören. (16) Aus den Städten dieser Völker jedoch, die der Herr, dein Gott, dir als Erbbesitz gibt, darfst du nichts, was Atem hat, am Leben lassen. (17) Vielmehr sollst du die Hetiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter der Vernichtung weihen, so wie es der Herr, dein Gott, dir zur Pflicht gemacht hat, (18) damit sie euch nicht lehren, alle Gräuel nachzuahmen, die sie begingen, wenn sie ihren Göttern dienten, und ihr nicht gegen den Herrn, euren Gott, sündigt.
Dass die Israeliten den göttlichen Auftrag zum Genozid auch tatsächlich ausführten, darüber gibt Josua, Kapitel 11, Auskunft:
(1) Als Jabin, der König von Hazor, das hörte, schickte er Boten zu Jobab, dem König von Madon, zum König von Schimron, zum König von Achschaf (2) und zu den Königen im Norden auf dem Gebirge und in der Araba südlich von Kinneret, in der Schefela und auf den Höhen von Dor im Westen, (3) zu den Kanaanitern im Osten und im Westen, zu den Amoritern, Hetitern und Perisitern, zu den Jebusitern im Gebirge und den Hiwitern am Fuß des Hermon im Land Mizpe. (4) Da rückten sie aus mit all ihren Truppen, einem Heer so groß und zahlreich wie der Sand am Ufer des Meeres, dazu mit einer großen Menge von Pferden und Wagen. (5) Alle diese Könige taten sich zusammen, rückten heran und bezogen gemeinsam ihr Lager bei den Wassern von Merom, um den Kampf mit Israel aufzunehmen. (6) Der Herr sagte zu Josua: Fürchte dich nicht vor ihnen! Denn morgen um diese Zeit werde ich sie alle erschlagen Israel zu Füßen legen. Du wirst ihre Pferde lähmen und ihre Wagen in Brand stecken. (7) Da rückte Josua mit dem ganzen Heer an den Wassern von Merom plötzlich gegen sie vor und überfiel sie. (8) Der Herr gab sie in die Gewalt der Israeliten und die Israeliten schlugen sie und verfolgten sie bis Groß-Sidon und Misrefot-Majim und bis zur Ebene von Mizpe im Osten. Sie schlugen sie so vernichtend, dass keiner von ihnen übrig blieb, der hätte entkommen können.
Dass es tatsächlich zu einer Ausrottung der Kanaaniter kam, daran zweifeln Wissenschaftler schon eine ganze Weile, weil sich bislang kein archäologischer Nachweis für eine Vernichtung kanaanitischer Städte zwischen der Bronze- und Eisenzeit finden ließ. Wissenschaftler des Wellcome Trust Sanger Institute im britischen Hixton versuchten daher, die alte Frage nach dem Schicksal der Kanaaniter mit Hilfe der Genetik zu klären. Sollte sich die Ausrottung des Volkes tatsächlich so zugetragen haben, wie in der Bibel berichtet, so wäre die genetische Linie der Kanaaniter erloschen und es dürfte heute keine Nachfahren mehr von ihnen geben.
Die Forscher um Marc Haber sequenzierten Genome, die sie aus den Skeletten von fünf kanaanitischen Menschen gewannen, welche vor rund 4000 Jahren im heutigen Sidon gelebt hatten. Sie verglichen die gewonnene DNA mit jener von 99 Menschen, die heute in dieser Region des Libanon leben.
Das Ergebnis: Das Volk der Kanaaniter erfreut sich noch immer bester Gesundheit. Offenbar sind die heutigen Libanesen direkte Nachkommen der Kanaaniter. Ihr genetischer Hintergrund stimmt zu über 90 Prozent mit dem der alten Skelette überein. Für eine seit jahrtausenden umkämpfte Region eine erstaunliche genetische Kontinuität, erklärten die Forscher vergangene Woche im American Journal of Human Genetics.
20 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Die Geschichte der Landnahme wurde schon im 19. Jh. heftig bezweifelt und im 20 Jh. durch archäologische Grabungen (vgl. Silberman, Finkelstein et al) eindrucksvoll widerlegt.
Fakt ist, dass die Apr, Apiru, Hebräer oder Israeliten immer auch Kanaaniter waren - zumindest Stämme der Levante. Von diesen kanaanitischen Stämmen gab es natürlich mehr, als die kabbalistisch geforderten zwölf Stämme. Und natürlich gab es regelmäßig Streit zwischen diesen. Doch die Exodus/Landnahme-Story wurde erst in Babylon in ihre endgültige Form gebracht - als Trostmärchen, weil man sich in einer ähnlich beschissenen Lage fühlte wie die angeblichen hebräischen Sklaven in Ägyptenland.
Und die wurden ja auch dank mirakulöser Taten eines wagemutigen Mose gerettet. Warum sollte so ein Messias nicht auch nach Babylon marschieren, die Wüste teilen, das babylonische Herr im Sand versinken lassen und im 40-jährigen Marsch Gottes Volk gen Jerusalem führen, wo die daheim gebliebenen Gattinnen schon mit dem Mittagessen warten.
So hatte man das erhofft und als Kyros II. kam und das neubabylonische Reich eroberte, hielt man ihn tatsächlich für eine gewisse Zeit für den Messias. War aber nix, weshalb die Juden bis heute auf ihren Erlöser warten.
Seien wir also froh im Namen der Kanaaniter, dass sie das bibelgesponnene Schicksal nie erleiden mussten und schieben wir die Mär der Landnahme auf die überbordende, blutrünstige Allmachtfantasie der damaligen machtlosen Bibelautoren.
So bleibt mir eine Frage: Wann kommen die Psychologen, die auf Basis der Bibeltexte ein psychologisches Gutachten zu den Erfindern des Monotheismus erstellen? Das würde die Sache abrunden - beeindrucken würde das jedoch Gläubige auch nicht. Gottes Wege sind schließlich unerforschlich...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Könnte Wasser auf die Mühlen jener sein, die meinen, die Bibel (v.a. die blutrünstigen Stellen) nicht wörtlich nehmen zu dürfen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich halte das eher für Wasser auf die Mühlen derjenigen, die deutlich machen wollen, dass die Erfinder des Monotheismus in blutrünstigen Allmachtfantasien schwelgten, als sie ihre Bücher verfassten.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich meinte das schon wie geschrieben, ist aber nicht ganz simpel und hat Ecken und Kanten.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Es ist auf jeden Fall ein weiterer Beweis dafür, dass die Bibel ein Märchenbuch ist, vom Wahrheitsgehalt vergleichbar mit Grimms Märchen, nur eine Schippe inhumaner und barbarischer - so wie Geistgläubige das anschein
Kay Krause am Permanenter Link
Genau das - lieber Herr Trutnau - ist meine Erfahrung in der Diskussion mit Mono(-pol) Gläubigen: dass jeder von ihnen sich seinen Glauben so zurecht legt, wie es ihm gefällt.
Wolfgang am Permanenter Link
Aus eigenen Erfahrungen habe ich immer wieder festgestellt, mit gläubigen Christen kann man nicht diskutieren, vernünftig reden, denn zu ihnen gehört die Dummheit, die Angst und jegliches Selbstvertrauen.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Mangelnde Funktionalität in den Aussagen der "Heiligen Bücher" lassen die märchenhaften Seifenblasen ihrer Erzählungen zum Bersten bringen.
Maximilian am Permanenter Link
Mathäus 21-28:
Jesus machte sich wieder auf den Weg und zog sich in das Gebiet von Tyrus und Sidon
Laut Bibel wurden die Kanaaniter also nie ausgerottet (siehe Passage oben)
Ihr kennt weder die Bibel noch kennt ihr Gott.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Laut Bibel wurden die Kanaaniter also nie ausgerottet (siehe Passage oben)"
Da die Hebräer selbst die Kanaaniter sind, wurden sie natürlich nicht ausgerottet. Und auf Widersprüche in der Bibel hinzuweisen ist müßig angesichts ihrer tausend Widersprüche.
"Ihr kennt weder die Bibel noch kennt ihr Gott."
Die Bibel kennen Atheisten oft besser als Gläubige und "Gott" können wir mangels dessen Existenz nicht kennen. Da wiederum tun sich Gläubige leichter, die glauben jeden Unsinn...
Karlheinz B. am Permanenter Link
Das beweist eher, dass bei den Schreiberlingen die rechte Hand nicht wußte,was die linke tat.
Matthäus hätte besser einmal im besagten Deuteronomium nachschlagen sollen, bevor er
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Was willst Du uns damit sagen? Das Alte Testament lügt wie gedruckt, das Neue aber nicht?
Roland Fakler am Permanenter Link
Was sollte mit dieser Untersuchung bewiesen werden? Dass man die Bibel nicht wörtlich nehmen darf! Wer hätte das gedacht?
Die Menschen haben sich seit tausenden von Jahren vermischt. Es gibt keine reinrassigen Völker. Weder Hebräer, noch Kanaaniter, noch Germanen haben ihren Genpool „rein“ erhalten.
hans am Permanenter Link
die bibel sagt uns doch eindeutig, dass die juden damals nicht gehorsam waren und eben diesen befehl gottes, diese völker auszurotten, also die kanaaniter, nicht befolgten ..also kein wundern, wenn es die noch geben s
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Der hier zitierte Text aus Deuteronomium, Kapitel 20 macht wieder einmal deutlich, welche finstere, verurteilungswürdige Gestalt dieser Gott Jahwe ist.
Gott selbst ist es, der sich gern zum Kriegsherrn erklärt und Eroberungskriege führt, die meist mit der Aufforderung verbunden sind, die Besiegten »ohne aufsteigendes Mitleid« zu töten, zu Sklaven zu machen oder wenigstens auszuplündern. Diese Form der Landnahme hat mit Sicherheit in späteren Jahrhunderten – man denke nur an die Spanier oder die Portugiesen – als von höchster Stelle legitimiertes Vorbild gedient. Das Alte Testament bietet hier zudem Formulierungen, die als Gottes Wort in ungezählten Kriegen der letzten Jahrhunderte als segnender Schlachtruf anfeuernde und gewissensberuhigende Verwendung fanden, z.B. Deuteronomium 3, 22: »Ihr sollt sie nicht fürchten; denn der Herr, euer Gott, ist es, der für euch kämpft.«
Die christlichen Militärseelsorger in der Bundeswehr finden im Alten Testament gewiss genügend Anregungen für aufmunternde und anfeuernde Predigten. Ob diese Texte gefälscht oder erfunden wurden, ist dabei egal. Zweckbestimmte Märchen sind es allemal.
Wilhelm Brehm am Permanenter Link
Heinrich August Winkler schreibt: Am Anfang (der Entstehung des Westens) war ein Glaube: der Glaube an einen Gott.
Gernot am Permanenter Link
Mein Ratschlag: Man sollte die Bibel erst lesen, bevor man sie kritisiert!
Ich verstehe nicht, wie man Theologie studieren konnte, ohne dabei die Bibel wenigstens gelesen zu haben.
Außerdem: "Phönizier" ist nicht der griechische Name der Kanaaniter, sonder nur der kanaanitischen Sidonier.
Kay Krause am Permanenter Link
Danke für den Artikel, Daniela Wakonigg! Ich habe in jungen Jahren das Alte Testament gelesen.
Fragen kann man sich nur immer wieder: wie kann es sein, dass Menschen, die heilige Lieder singen, mit gefalteten Händen die Augen demütig zum Himmel heben und ihren Nächsten lieben wie sich selbst, gleichzeitig die Augen vor diesen biblischen Völkermord-
Geschichten verschließen und inbrünstig an diese Religion, an diesen Gott glauben???
Wohl dem, der sich von dieser Schizophrenie distanziert. Finanzieren muß er (sie) trotzdem.
Dismas am Permanenter Link
Schade, daß die Autor den zitierten Abschnitt aus dem Buch Josua selbst nicht gelesen hat.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Man darf also weiter grübeln, was an den Legenden im Buch Josua historische Wahrheit ist und was nicht."
Nein, das muss man im Grunde nicht.
"Für einen im wissenschaftlich-historisch präzisen Bericht hält dieses Buch eh niemand."
Bis auf sehr viele Gläubige, die sich selbst als gläubig ansehen. Z.B. Zeugen Jehovas, Evangelikale, aber auch manche Katholiken und Protestanten. Nur mit Abnahme der Gläubigkeit wächst die Bereitschaft, ein Märchenbuch auch Märchenbuch zu nennen...