Polen

Säkularer Kongress vereinigt die Linke

Am 21. und 22.Oktober tagte in Warschau der "Säkulare Kongress". Zum ersten Mal haben sich alle außerparlamentarischen linken Parteien auf eine grundsätzliche Idee geeinigt und die Forderung nach einem säkularen Staat bekräftigt und ein entsprechendes Manifest unterzeichnet.

Zwei Tage lang haben etliche Redner in kurzen Reden die verschiedenen Aspekte des Hauptthemas geschildert, wie:

  • Die Vorherrschaft der katholischen Kirche
  • Ist die öffentliche Schule ohne Religion möglich?
  • Warum das öffentliche Gesundheitswesen säkular sein sollte
  • Natur – Kirche – Staat
  • Religion als Faktor der politischen Entscheidungen
  • Die Kirche blockiert die gesetzlichen Regelungen der Gleichberechtigung der LGBTQ-Personen
  • Gewissenklausel – die polnischen und internationalen Regelungen
  • Die Rechte der Atheisten in Polen
  • Die jüngste Geschichte der Verminderung der Frauenrechte in Polen

und viele andere Themen.

Vor der Unterzeichnung des Manifest haben die anwesenden Parteivertreter die Einstellung ihrer Parteien zu der Idee des säkularen Staates geschildert. Keine der im Parlament anwesenden Oppositionsparteien hat die Einladung zum Kongress angenommen; die Kommentare der Kongressteilnehmer waren eindeutig: Sie wollen nicht gegen die Kirche auftreten, um die Unterstützung der Bischöfe in der Wahlkampagne nicht zu verlieren.

Für die Säkularen ist das eine ziemlich düstere Perspektive für die Nach-PiS-Zeit. Die ausländischen Gäste des Kongresses haben über die Säkularität in Belgien, Holland, Norwegen, Italien und Lateinamerika erzählt. In ihren Länder sind die Kirchen natürlich nicht so mächtig wie in Polen, aber immer noch hat sie zu viel zu sagen im politischen und gesellschaftlichen Leben.

Der Kongress hat kein Interesse seitens der öffentlichen als auch der kommerziellen Medien erweckt. Sie alle waren aber an dieses Wochenende zahlreich in Krakau anwesend. Denn dort hat das neue Oberhaupt des Krakauer Erzbistums, der ultrakonservative Bischof Marek Jędrzejewski, von den Händen des päpstlichen Nuntius das Pallium erhalten. Das Pallium ist das Symbol der Einheit mit dem Heiligen Stuhl und der Zuständigkeit des Papsts in Bistum.

Die Feierlichkeiten wurden nicht nur von den am Säkularer Kongress abwesenden Journalisten begleitet, sondern auch vom Staatspräsidenten, der Premierministerin und zahlreichen Ministern und Parlamentariern.

Manifest des Säkularen Kongress

Warschau, am 22. Oktober 2017

Wir, die Unterzeichnenden, bewusst in der Verantwortung für die Republik Polen, in Sorge um die Einhaltung der Rechte und der bürgerlichen Freiheiten, der Verfassungsordnung und um das internationalen Bild unseres Staates, widersetzen uns dem Klerikalismus des öffentlichen Lebens und der Bevorzugung jegliches Glaubens in der polnischen Rechtsordnung.

Wir erklären, dass unser Ziel der Bau eines demokratischen und säkularen Rechtstaates ist.

Wir sind der Auffassung, dass für das Erreichen dieses Ziels folgende Handlungen notwendig sind:

  • Abschaffung des Art.196. des Strafgesetzbuches über die Beleidigung der s.g. religiösen Gefühle oder eine Änderung dieser Vorschrift, die die Rechte und die Empfindlichkeit von nichtgläubigen Personen berücksichtigt;
  • Festsetzung des Rechts der Bürger über die Kontrolle und Einsicht in die Personaldaten, die von den Kirchen und Glaubensgemeinschaften gesammelt und verarbeitet werden;
  • Abschaffung der gesetzlichen Finanzprivilegien aller Kirchen und Glaubensgemeinschaften;
  • gesetzliche Gleichstellung der Kirchen und Glaubensgemeinschaften mit den säkularen Weltanschauungsorganisationen; auch bezüglich der Besteuerung;
  • Kündigung des Konkordats, das die katholische Glaubensgemeinschaften bevorzugt, oder seine Neuverhandlung um die übermäßige Bevorzugung der römisch-katholischen Kirche zu mildern;
  • Beenden der Finanzierung der Kirchen, der Glaubensgemeinschaften, der kirchlichen Institutionen und des Priestertums aus der Staats- und den Gemeindekassen. Wenn die Finanzierung in irgendeiner Form verbleiben sollte, muss sie voll transparent, offensichtlich und kontrollierbar sein;
  • Einführen des säkularen Models der öffentlichen Schulen mit Respekt für die weltanschauliche und religiöse Neutralität. Das Schulwesen soll auf den wissenschaftlichen Errungenschaften, auf dem von den polnischen Bürgern und der Weltgemeinschaft in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte anerkannten Wertsystem, auf dem Recht der Europäischer Union und auf die polnische Verfassung gestützt sein;
  • das Religionsunterricht darf nicht im obligatorischen Schulzeitplan bestehen und soll mit anderen fakultativen Schulfächern gleichgesetzt werden;
  • Einführung eines Antidiskriminierung-Unterrichts, mit der Berücksichtigung der weltanschaulichen und kulturellen Vielfalt;
  • Gewährleistung des allgemeinen, praktischen und ökonomischen Zugangs zu Verhütungsmitteln;
  • Milderung des Abtreibungsgesetzes und die Einführung eines Faches "Sexualerziehung" in die Schulen;
  • die Finanzierung der in-vitro-Prozedur, als Methode der Heilung der Unfruchtbarkeit, durch den Staat;
  • Änderung oder Abschaffung der in Art. 39. des Gesetzes über den Arzt- und Dentistenberuf genannten s.g. "Gewissenklausel", weil sie das Recht der Patienten an die medizinischen Leistungen begrenzt;
  • Gewährleistung des Rechts für alle auf ein menschenwürdigiges Sterben, unabhängig von Glauben und Anschauung der Ärzte und des medizinischen Personals;
  • Einführung der ehelichen Gleichheit. Schaffung der Institution der Partnerschaftbeziehung für Personen, die die traditionelle Form der Ehe nicht brauchen, das gilt auch für Paare des gleichen Geschlechts;
  • Gewährleistung der bedingungslosen Freiheit des Denkens, Gewissens und Glaubens; der Gleichheit vor dem Gesetz und gleiche Betrachtung seitens der Behörden für alle, unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Weltanschauung;
  • Respektierung des Verfassungsrechts für die Nichtoffenbarung der Weltanschauung und des Glaubens sowie der Angehörigkeit zu einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft;
  • Herstellung des säkularen Charakters aller öffentlichen Institutionen, darunter auch Schulen und Kindergärten, staatlichen Ämter, Zivil- und Militärdienste sowie staatlicher Zeremonien und Feierlichkeiten;
  • Unterstützung des Staates für nichtstaatliche Organisationen, die sich für die Einhaltung der Menschen-, Frauen-, Kinder- und Behindertenrechte und für die Gewaltopfer einsetzen;
  • strenge Bestrafung beim Verstoß gegen Frauenrechte – das beinhaltet auch Sexual- und Reproduktionsrechte;
  • wirksame Einführung und Einhaltung des Übereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt;
  • Verbreitung der Vorschriften über Naturschutz und Tierrechte und ihre wirksame Durchsetzung bezüglich der Tierhaltung, der wissenschaftlichen Forschung und der religiösen Praktiken. Sicherung für die Tieren der Wohlfahrt und Minimierung ihres Leidens;

In Anerkennung, dass die Freiheit des Denkens, Gewissens und Glaubens mit der Trennung der Kirche und des Staates, mit der Anwesenheit der Religion in der Öffentlichkeit eng verbunden ist, erklären wir, dass wir alle Anstrengungen unternehmen werden, eine wissenschaftliche Institution zum Leben zu erwecken. Sie wird Einhaltung der die Säkularität des Staates garantierten Gesetze beobachten; den Einfluss der Religion und der Kirchen auf das gesellschaftliche und politische Leben in Polen erforschen; die politischen und rechtlichen Veränderung in Polen anregen, die den wirksamen Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger, den säkularen Charakter des Staates und die Demokratie in Polen gewährleisten.