REGENSBURG. (hpd/bfg) Der BfG Bayern begrüßt ausdrücklich den Abschlussbericht der Kommission "Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat" der Partei Bündnis90/Die Grünen, weist aber auch auf Defizite an entscheidenden Punkten hin.
Viele der formulierten Reformvorschläge decken sich mit lange erhobenen Forderungen des BfG Bayern wie sie z.B. im Grundsatzprogramm dargelegt sind. Ähnlich wie die Säkularen Grünen und die SPD-Laizisten erhebt der BfG Bayern an entscheidenden Stellen jedoch deutlich weitergehende Forderungen: Vor allem bei den Themen "Kirchensteuer", "Ablösung der Staatsleistungen" und "Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts".
Dabei muss natürlich hervorgehoben werden, dass angesichts der Zusammensetzung der Kommission, der auch Vertreter der beiden großen Großkirchen in Deutschland angehörten, weitergehende Forderungen vor allem zu diesen Themen nachvollziehbarerweise nicht möglich waren.
Immerhin geht es bei der Kirchensteuer um ca. 10 Mrd Euro jährlich, und jede echte Reform an dieser Stelle könnte schnell finanzielle Einbußen in dreistelliger Millionenhöhe erzeugen, auch wenn es nur der indirekte Effekt wäre, dass sich so manche Karteileiche bei einer Umstellung des Verwaltungssystems endlich zu einem Austritt durchringt. Auch bei den Staatsleistungen und dem Status der Körperschaft könnte es schnell um Beträge in ähnlicher Größenordnung gehen (bei den Staatsleistungen direkt, bei der Körperschaft durch wegfallende Steuerprivilegien).
Angesichts dessen erscheinen die tatsächlich aufgestellten Forderungen bei den finanziell weniger relevanten Themen zwar begrüßenswert, aber bilden nur einen in der Öffentlichkeit bereits im Wesentlichen vollzogenen Bewusstseinswandel ab.
Fazit:
Bei den "weichen" Themen, die gesellschaftlich sowieso nicht mehr vermittelbar sind (kirchliches Arbeitsrecht, stille Feiertage, Blasphemieparagraph,…), aber auch bei Themen, die den finanziellen Bereich am Rande betreffen (rechtssicherer Kirchenaustritt ohne Gebühren, Besteuerung glaubensverschiedener Ehen, …) zeigen sich die kirchennahen Kommissionsmitglieder reformfreudig, bei den harten finanziellen Themen (Kirchensteuer, Staatsleistungen, …), bei denen es an die finanzielle Substanz geht, bleibt das Papier deutlich hinter den Forderungen der säkularen Organisationen in Deutschland zurück.
Vorreiter sind die Grünen damit trotzdem insofern, als die Positionen zu den erstgenannten Themen auch Vertretern der Großkirchen in der Kommission abgerungen wurden und damit das Potenzial zum Parteiprogramm, mittelfristig auch zur Umsetzung, haben.
Im Gegensatz dazu blieben frühere sogar weitergehende Forderungen in anderen Parteien auf die säkularen Splittergruppen innerhalb dieser Parteien beschränkt.
Echte Vordenker wären die Grünen, wenn sie sich an die harten finanziellen Themen gewagt hätten, aber dann hätte ihnen der Gegenwind der lobbystarken und sehr gut organisierten Großkirchen auch voll ins Gesicht geweht. Dass das Papier sowohl auf katholischer als auch auf evangelischer Seite neutral bis wohlwollend besprochen wird, zeigt allzu deutlich, dass den Kirchenvertretern die Reformvorschläge bei den Themen, die nicht an die finanzielle Substanz gehen, in Wahrheit gleichgültig sind. Die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland hätten die Grünen mit weitergehenden Forderungen zwar überholt, damit aber vielleicht auch den Anspruch in Frage gestellt, zweistellige Ergebnisse bei Wahlen einfahren zu können.
Der langsame gesellschaftliche Säkularisierungstrend, der sich unter anderem in einer konstanten Austrittsrate aus den Großkirchen zeigt, wird diese weitergehenden Forderungen aber in den nächsten Jahrzehnten immer wieder ins Blickfeld rücken, und in den dann zu erwartenden Rückzugsgefechten werden die Großkirchen alles in die Waagschale werfen, um ihre Besitzstände zu sichern. Es ist noch ein weiter Weg, auf dem die Grünen mit ihrem richtungsweisenden Bericht innerhalb des parlamentarischen Parteienspektrums vorangehen.
3 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Herr Schmid, Sie haben vergessen zu erwähnen, dass (meines Wissens) der Staat für das zwngsweise Kassieren der Kirchensteuer 10% Verwaltungsgebühr einbehält. Immerhin 1.000.000.000 (eine Milliarde!) Euro.
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Meines Wissens beträgt die Gebühr für das Kirchensteuerinkasso nur 3%.
Zudem ist die Kirchensteuer vollständig von der Steuer absetzbar und fügt dem Staat so jährlich 3,5 Milliarden Mindereinnahmen an Steuern zu. Wenn man bedenkt, dass die Kirchen die Kirchensteuern nicht entsprechend gemeinnützig einsetzen, muss die vollständige steuerliche Absetzbarkeit in Frage gestellt werden.
Caritas und Diakonie holen sich die Ausgaben schliesslich bei den Kunden und Sozialversicherungen wieder, und erhalten ca. 48 Milliarden jährlich aus Steuergeldern da sie öffentliche Aufgaben übernehmen. Die kirchlichen Wirtschaftsbetriebe im Pflege- und Betreuungsbereich sind eben keine Wohltaten an der Allgemeinheit auf Kosten der Kirchen, sondern kommerzielle Dienstleister wie anderen auch.
Da diese also nicht mit Kirchengeld betrieben werden sondern aus dem Geld aus Sozialversicherungen, allgemeinen Steuern und von Kunden ist es schon sehr anrüchig wenn die Kirchen dafür steuerfreiheit und Einschränkungen von Grundrechten (Vgl. kirchliches Arbeitsrecht) beanspruchen. Nach dem Motto wer zahlt schafft an müssten die kirchlichen Privilegien im Pflege-Gesundheits-Betreuungsbereich gekippt werden.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Im Gedächtnis ist mir eine Zahl um 2%.
Fakt ist, dass das, was der Staat bekommt, nicht ausreicht, um die Kosten zu decken. Das hat ein Vergleich mit Österreich ergeben, bei dem die Kirche eine eigene Behörde hat, die um ein Vielfaches höhere Kosten verursacht.