Der Politikwissenschaftler Yascha Mounks beschreibt in seinem Buch "Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht" die Gründe für entsprechende Wirkungen in der westlichen Welt. Mit leichter Hand macht er auf die gemeinten Bedingungsfaktoren und Entwicklungsprozesse aufmerksam und liefert auch Betrachtungen zu Gegenmitteln – wodurch eine notwendige öffentliche Debatte angeregt werden könnte.
Die liberale Demokratie ist gegenwärtig vielfältigen Gefahren ausgesetzt – und zwar sowohl von den Eliten wie den Populisten. An ihre Stelle könnte ein undemokratischer Liberalismus oder eine illiberale Demokratie treten. Darauf macht der 1982 in München geborene Politikwissenschaftler Yascha Mounk, der politische Theorie an der Harvard University lehrt, in seinem Buch "Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht" aufmerksam. Dort wird daran erinnert, dass das moderne Demokratieverständnis eben auch eine liberale Komponente hat. Demnach geht es ebenso um Grundrechte für Minderheiten und nicht nur um Entscheidungen der Mehrheit. Während die Eliten dazu neigten, Entscheidungen über das Volk hinweg zu treffen, votierten Populisten dafür, den Pluralismus über den Volkswillen aufheben zu wollen. Demnach werde die Demokratie von beiden Seiten in die politische Zange genommen. Angesichts eines ansteigenden Desinteresses an der liberalen Demokratie in der Bevölkerung wachse die Gefahr für das Überleben der Demokratie.
Diese Auffassungen bilden den Ausgangspunkt von Mounks politikwissenschaftlichen Reflexionen. Dabei geht er in jeweils drei Kapiteln auf drei verschiedene Komplexe ein: Zunächst fragt der Autor danach, inwieweit man überhaupt von einer Krise der liberalen Demokratie sprechen könne: Er beschreibt die Erfolge von Populisten in vielen Ländern, welche das Recht mit angeblichem Volkswillen brechen wollten. Er problematisiert aber auch das Agieren der Regierungsbürokratie, welche Entscheidungen ohne ausreichende Verkopplung mit dem Volk umsetzen wolle. Beides führe in Kombination miteinander zu einer Entkonsolidierung der Demokratie, was sich auch im Meinungsbild von jüngeren Wählern zeige. Der Autor konstatiert zugespitzt: "Der Liberalismus und die Demokratie fügen sich nicht annähernd so natürlich zusammen, wie die meisten Bürger – und auch viele Experten – denken. Da der Volkswille zunehmend mit dem Rechtsstaat in Konflikt gerät, löst sich die liberale Demokratie in ihre Bestandteile auf" (S. 116 f.).
Die Gründe dafür erblickt er in drei Prozessen auf unterschiedlichen Ebenen: Bezogen auf die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in den westlichen Ländern könne keineswegs mehr von einem kontinuierlichen Fortschritt ausgegangen werden, prägten doch Krisen und Umbrüche die Alltagswahrnehmung vieler Menschen. Durch das Internet bestehe auch keine Qualitätskontrolle mehr über das verbreitete Wissen, kursierten so doch die dubiosesten Behauptungen neben seriösen Recherche-Ergebnissen in der öffentlichen Wahrnehmung. Und schließlich habe man es auch immer mehr mit einer multiethnischen Demokratie zu tun, löse sich doch die diesbezügliche Homogenität der Nationalstaaten immer mehr auf. Durch die Agitation reagierten Populisten auf derartige Veränderungen. Mounk will aber auch Gegenmittel benennen: So solle ein ausgrenzender Nationalismus durch einen integrierenden Patriotismus ersetzt werden. Es bedürfe auch einer Rückkehr zum klassischen Wohlfahrtsstaatsverständnis. Und der Glaube an die Demokratie und das Vertrauen in die Politik müsse wieder hergestellt werden. Eine Gefahr bedeutete noch keinen Untergang.
Der Autor beschreibt und kommentiert die erwähnten Entwicklungen mit leichter Hand, ohne in platte Übertreibungen oder Zuspitzungen zu verfallen. Eine Forderung wie "Die Wirtschaft sanieren" ist verständlicherweise leicht aufgestellt und umso schwieriger auch in der Praxis umzusetzen. Gleichwohl würde eine solche Kritik die Notwendigkeit einer Umsetzung nicht in Zweifel ziehen. Mounk beeindruckt durch sein differenziertes Problembewusstsein. Er macht auch auf das häufig ignorierte Spannungsverhältnis von Demokratie und Liberalismus aufmerksam, welches erst jetzt wieder stärker in die öffentliche Wahrnehmung kommt. Der Autor betont auch, dass eine multiethnische Demokratie keineswegs unproblematisch sein muss. Er verweist auf die Notwendigkeit der Regelung, womit auch gegenüber kulturellen Identitäten die Priorität der rechtsstaatlichen Prinzipien verbunden sei. Dies sieht er als einen Ausdruck des Ideals eines inklusiven Patriotismus an. Nicht nur damit liefert Mounk anregenden Stoff für notwendige Kontroversen in Öffentlichkeit wie Wissenschaft.
Yascha Mounk, Der Zerfall der Demokratie. Wie der Populismus den Rechtsstaat bedroht, München 2018 (Droemer-Verlag), 350 S., ISBN: 978-3-426-27735-5, 22,99 Euro
3 Kommentare
Kommentare
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Interessant, wie hier der Zerfall eines bestehenden Systems betrauert wird und wie hier versucht wird, ein altes System zu retten und eine neue politische Entwicklung aufzuhalten.
Nein, ich sollte mich nicht darüber lustig machen. Inhaltlich bin ich ja in vielem einer Meinung mit dem Autor: Ich sehe ebenfalls große Gefahren im Populismus, in der Desinformationsgesellschaft, in der Xenophobie und in der Mehrheitsdiktatur.
Komisch ist nur: Wenn ich neue politische Strömungen kritisch betrachte, dann wir mir schnell Realitätsverweigerung, rückwertsgerichtete Weltsicht, Verklärung der Vergangenheit, Blockierung des Fortschritts, reaktionäre Grundhaltung und sonst noch allerlei vorgeworfen. Jetzt betrachtet der hpd (oder zumindest das hier positiv rezensierte Buch) neue politische Strömungen selbst kritisch. Willkommen in der konservativen Welt!
Okay, zugegeben, Populismus ist keine neue Strömung, den gab es schon bei den antiken Römern. Aber insgesamt ist die Tendenz des Artikels: ZURÜCK! Zurück zum Wohlfahrtsstaat, zum Glauben an die Demokratie, zu den Minderheitenrechten.
Ich will halt in manchen Bereichen noch etwas weiter zurück. Das Zurück-Wollen alleine möge mir in Zukunft nicht mehr angekreidet werden. Viel interessanter als die Frage nach einer Lieblingsjahreszahl ist ohnehin die Frage: Wie sieht die ideale Gesellschaft aus?
Gondel am Permanenter Link
"Wie sieht die ideale Gesellschaft aus?"
Zumindest so, wie sie den Ansichten eines Kardinal Marx und Konsorten diametral entgegensteht.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Die Demokratie schafft sich selbst ab, wenn sie an den Schulen Wertebildung abschafft. Ethik für Säkulare, Reli für Noch-Christen! Ethik rauswerfen, weil alle Fächer Werte vermitteln, ist Quatsch.