Kommentar

Coronavirus – Ein Realitätscheck für die Religionen

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Ein schwieriges Verhältnis: Mensch – Gott – Coronavirus

Die Coronakrise bringt nicht nur die Wirtschaft ins Wanken, sondern auch die Religionen. Sie scheinen in diesen Zeiten weit mehr auf die Wissenschaft zu vertrauen als auf ihren eigenen Glauben. Eine Haltung, die zeigt, wie überflüssig und unglaubwürdig Religionen inzwischen selbst für ihre Anhänger geworden sind, findet der nigerianische Skeptiker, Humanist und Menschenrechtsaktivist Leo Igwe.

Das Coronavirus zwingt die Religionen samt ihrer vermeintlichen höheren Mächte zu einem Realitätscheck. Die Pandemie hat unter Gläubigen zu einer realitätsbasierten Nüchternheit geführt. Ein Virus als Test für die Götter, das nun alle übernatürlichen Mächte zum Gegenstand eines beispiellosen Gerichtsverfahrens macht. Das Coronavirus zwingt die religiösen Establishments, ihre Positionen und Lehren zu überdenken und ihre Rituale auf den Prüfstand zu stellen.

Dieser Mikroorganismus hat tatsächlich zur Verflüchtigung des Glaubens an die heilenden Kräfte des allmächtigen Gottes/Allahs geführt. Der Vatikanstaat befindet sich wie der Rest Italiens im Lockdown und der Papst, von dem Katholiken glauben, dass er der Stellvertreter Jesu auf Erden sei, wurde dabei beobachtet, wie er seinen Segen einem leeren Petersplatz offeriert. Die Kirchen in Italien haben das 'Weihwasser' an den Eingängen entfernt, um die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Der Papst, Bischöfe, Priester und andere Gesalbte des Herrn befolgen Vorsichtsmaßnahmen, die auf Beweisen und nicht auf Glauben fußen. Kleriker üben soziale Distanz und leisten medizinischen Ratschlägen Folge, um sicher, gesund und lebendig zu bleiben.

Mekka und Medina, in denen sich einige der heiligsten Stätten des Islam befinden, sind wie ausgestorben. Viele Muslime glauben, dass dort Allah anwesend ist. Um zu verhindern, dass das Virus sich im Land ausbreitet, hat die saudische Regierung Pilgerreisen verboten. Iran hat die Freitagsgebete gestrichen. Interessanterweise wurde keine dieser Maßnahmen als Beleidigung des Islam oder des Propheten Mohammed interpretiert oder als Angriff auf die religiösen Befindlichkeiten von Muslimen. Man fragt sich, ob islamische Länder hinsichtlich einer Heilung vielleicht nicht länger in Kontakt mit Allah stehen. Länder mit hohen Infektionsraten haben die Anhänger von Religionen aufgefordert, zu Hause zu beten.

In den sozialen Medien verbreitet sich derzeit eine Karikatur, die ängstliche Gottesmänner zeigt, die einen Wissenschaftler anflehen, möglichst schnell ein Heilmittel, einen Impfstoff zu finden. In der Hoffnung auf ein Heilmittel blickt die religiöse Welt voller Sorge auf zur Wissenschaft und zu den Wissenschaftlern. Würden wir nicht in einer Pandemie stecken, so hätten bestimmt einige diese Karikatur als Beleidigung oder Respektlosigkeit gegenüber religiösen Überzeugungen anderer verurteilt. Der Zeichner müsste mit einer Strafe rechnen und würde an einigen Orten der Welt sogar ins Gefängnis geworfen oder getötet.

Die Pandemie hat dazu geführt, dass der Vatikanstaat und die Kaaba menschenleer sind, sie hat dazu geführt, dass Kirchen, Moscheen und Tempel verwaist sind. Sie hat vor Augen geführt, wie nichtig und wirkungslos die angeblichen Mächte sind, für die diese religiösen Symbole, Orte und Institutionen stehen.

Denken Sie mal drüber nach! Zeigt es nicht einen ganz offensichtlichen Mangel an Glauben, dass Katholiken dem Petersplatz fernbleiben und sich dort nicht den päpstlichen Segen abholen? Der päpstliche Segen sollte sie schließlich vor dem Virus schützen. Oder etwa nicht? Der päpstliche Segen sollte für spirituelle Immunität sorgen. Er sollte ein spiritueller Impfstoff sein, den Dr. Jesus den Besuchern des Platzes verabreicht. Warum also beweisen Katholiken zur Zeit so wenig oder gar keinen Glauben? Ist das Coronavirus mächtiger als Gott? Gott lebt doch in der Person des Papstes im Vatikan. Was also soll das Coronavirus dieser Stadt Gottes anhaben können? Warum sollten Kirchenobere das Weihwasser entfernen? Ist dieser Akt nicht ein deutlicher Hinweis, dass die Angst vor dem Coronavirus und nicht die Angst vor dem Herrn der Weisheit Anfang ist?

Tief versunken in Zweifel und Unglauben betreffs der Macht Allahs folgen die saudische Regierung und die Gemeinschaft der Muslime (Ummah) derselben Weisheit. Warum sonst sollte die saudische Regierung Pilgerfahrten nach Mekka und Medina verbieten? Muslime glauben, dass Allah die Macht hat, das Virus aufzuhalten und jeden zu heilen, der versehentlich daran erkrankt. Wäre das nicht die Gelegenheit für Allah, seine heilenden Kräfte unter Beweis zu stellen, an die die Muslime glauben? Ist es nicht der Glaube an diese Macht Allahs, der Muslime in armen Ländern motiviert, sich Geld zu leihen und ihre Ersparnisse einzusetzen, um Pilgerreisen nach Mekka und Medina antreten zu können?

Also was ist bloß geschehen mit den angeblichen Heilkräften der diversen Gottheiten, die von den Menschen verehrt wurden und noch immer werden? Haben sie plötzlich ihr Haltbarkeitsdatum überschritten oder sind sie verschwunden? Wo sind all die verschiedenen Götter und Gottheiten, von denen Menschen so nachdrücklich behaupten, sie würden existieren und Einfluss nehmen auf weltliche Dinge? Schlafen sie? Sind sie im Urlaub? Hören sie nicht die Gebete, die die Gläubigen mit ihren Gesichtsschutzmasken sprechen? Was ist geschehen mit den vermeintlichen übernatürlichen Mächten, den transzendenten Wesen, in deren Namen Menschen getötet haben und getötet wurden, Menschen verstümmelt oder eingekerkert wurden? Warum können sie nicht erscheinen, ihre sogenannten Kräfte unter Beweis stellen und die Menschheit vor dieser Pandemie retten? Wenn diese Götter jetzt nicht auftauchen und ihre Macht nutzen, um die Menschheit zu retten, was sagt uns das über ihre vermeintliche Existenz und ihr heilbringendes Potential?

Ich frage mich, ob die Religionen diesen Realitätscheck durch das Coronavirus überleben werden.

Der Text erschien zuerst auf Englisch bei www.opinionnigeria.com. Übernahme und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzung: Daniela Wakonigg.

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