Kommentar

Mutiert Bayern vollends zum Gottesstaat?

Als mir die Meldung "In jeder Behörde muss künftig ein Kreuz hängen" am 24. April erstmalig bei Spiegel Online begegnete, hielt ich sie für einen Aprilscherz, wenngleich für einen verspäteten.

Allerdings bezieht sich diese Nachricht auf Bayern und wie man sieht, ist dort offenbar alles möglich, auch wenn, nach einer Schätzung aus dem Jahre 2015, nur noch knapp 75 % der Bevölkerung des Bundeslandes einem der großen christlichen Bekenntnisse formal anhängen (deutschlandweit sind es nur noch 25 % der Bevölkerung laut einer ALLBUS-Studie).

Die Nachrichtenagentur dpa verlautbarte einen Beschluss des bayerischen Landeskabinetts: "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes im Freistaat ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten in Bayern und Deutschland anzubringen."

Diese Anweisung ist ein Skandal und eine unerträgliche Zumutung gleichermaßen.

Verstößt sie zum einen gegen die religiöse wie weltanschauliche Neutralität des Staates, zum anderen gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 16. Mai 1995. Die weltanschauliche Neutralität ist zwar keine Begrifflichkeit des Verfassungstextes, doch mit dem Bundesverfassungsgericht abzuleiten aus den Artikeln 3 III, 4 I, 33 III Grundgesetz und den Artikeln 136 I, IV und 137, I und VII der Weimarer Reichsverfassung in Verbindung mit dem Artikel 140 des Grundgesetzes. Letztlich bedeutet es nichts anderes, als dass der Staat des Grundgesetzes ein säkularer, religiös und weltanschaulich neutraler Staat ist. Diese Neutralität bedeutet dann aber eben auch das Verbot der Identifikation mit einer speziellen Religion.

Es kann nicht angehen, dass Bayern hier meint ausscheren zu dürfen und sich Sonderregelungen erlaubt. Die Landesregierung sollte doch spätestens nach dem Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts begriffen haben, worum es geht. Das Gericht erkannte seinerzeit: "Das Kreuz ist Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung und nicht etwa nur der Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur" (Bundesverfassungsgericht 93, 1 (42)). Und stellt weiter fest: "Ein staatliches Bekenntnis zu diesen Glaubensinhalten, dem auch Dritte bei Kontakten mit dem Staat ausgesetzt werden, berührt die Religionsfreiheit" (43).

Bundesrecht bricht Landesrecht sagt ebenso unmissverständlich das Grundgesetz in Artikel 31. Zu den Wirkungen des Christentums sei der Landesregierung Bayerns die zehnbändige "Kriminalgeschichte des Christentums" von Karlheinz Deschner als Hausaufgabenlektüre empfohlen. Es ist danach wohl nicht mehr fraglich, dass das Kreuz in den Gebäuden staatlicher Behörden nichts verloren hat.

Vielleicht hilft der bayerischen Landesregierung auch ein Blick auf den Artikel 20, Absatz III des Grundgesetzes: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden." Und wenn bayerische C-Politiker wiederholt meinen, die Tradition beschwören zu müssen, dann sollten sie sich eben auch mit dieser befassen. Die Geschichte jedenfalls erkennt das Kreuz nicht als exklusives Zeichen des Christentums, es findet sich in zahlreichen vorchristlichen Religionen und Kulturen. Nicht einmal ihr bekanntestes Symbol taugt zur Originalität.