Protest gegen die Verleihung des Freedom of Speech Awards an Sadegh Zibaklam

Offener Brief an die Redaktion der Deutschen Welle

Am 3. Mai 2018 teilte die Deutsche Welle mit, dass dem iranischen Politologen Sadegh Zibakalam der diesjährige Freedom of Speech Award verliehen werden soll. Gegen diese Verleihung haben sich mehr als 300 Exil-Iraner mit einem Offenen Brief an die Deutsche Welle gewandt. Zu den Erstunterzeichnern gehört auch Mina Ahadi.

Wie am 03.05.2018 vom staatlichen Auslandsfunk Deutsche Welle (DW) bekannt gegeben wurde, soll der diesjährige Freedom of Speech Award dem iranischen Politologen Sadegh Zibakalam am 12. Juni von DW-Intendant Peter Limbourg auf dem Global Media Forum in Bonn überreicht werden.

Zur Begründung der Auszeichnung Zibakalams schreibt DW, Sadegh Zibakalam sei zu einem prominenten Vertreter der kritischen Zivilgesellschaft geworden; wiederholt habe er sich mit Hardlinern des Regimes auseinandergesetzt.

Limbourg selbst äußert sich dazu wie folgt: Zentrales Anliegen der Deutschen Welle sei es, Menschen in Ländern mit eingeschränkter Meinungs- und Pressefreiheit Zugang zu verlässlichen Informationen zu verschaffen. Zu diesen Ländern zähle der Iran, da man dort den Menschen Informationen von außerhalb vorenthalte. Die Verleihung des Freedom of Speech Award 2018, so Limbourg weiter, sei gleichermaßen Ermutigung an die iranische Zivilgesellschaft und Mahnung an die politisch Verantwortlichen in Teheran.

Nur drei Tage später wird öffentlich bekannt, was die "iranische Zivilgesellschaft" schon lange wusste: Zibakalam stand sein ganzes politisches Leben an der Seite des islamischen Regimes im Iran und gehörte niemals zu zivilen Teilen - oder gar einer kritischen Bewegung gegen die islamischen Machthaber.

So sagt Sadegh Zibakalam in einem Interview mit der Internet-Seite Iranwire: "Heute am 16.02.1397 (06.05.2018) wiederhole ich nochmal, dass ich, Sadegh Zibakalam, mit Leib und Seele die Existenz dieses Regimes verteidige. Ich gehe sogar einen Schritt weiter und sage, wenn dieses Regime bedroht wird, gestürzt zu werden, und wenn ich Regime sage, meine ich das islamische Parlament, den obersten religiösen Führer (Ali Khamenei), den Wächterrat, die Zeitung Keyhan und so weiter, wenn also dieses Regime in Konflikt geraten sollte oder bedroht wird, gestürzt zu werden, sei es durch die Revolution von Menschen im Iran oder durch Angriffe der USA oder Israel - tut mir leid für euch und alle Menschen im Iran, ich werde mit Leib und Seele dieses Regime verteidigen. Ich hasse Waffen und Munition, aber wenn es nötig ist, werde ich mich bewaffnen und diese Regime so verteidigen, dass es nicht gestürzt wird."

Wir wenden uns daher an Herrn Limbourg und alle Veranwortlichen des Freedom of Speech Awards: Es liegt an Ihnen, zu entscheiden und vor der iranischen Zivilgesellschaft zu rechtfertigen, wem dieser Preis verliehen wird!

Sollen wir glauben, dass Sie nicht wussten, dass Zibakalam Jahre lang an der Seite der islamischen Regierung gestanden hat und offensichtlich immer noch steht?

Ein Jahr nach der Revolution ging Zibakalam nicht als Tourist nach Kurdistan, sondern war Teil einer Truppe von Khomeinis Pasdaran - die Verantwortlichen für die Ermordung zahlreicher Kurden nach der Revolution.

Sollen wir wirklich glauben, dass Sie nichts davon gewusst haben, dass Zibakalam über Jahre an der Seite von Präsident Rafsandjani stand?

An der Seite von Leuten wie Rafsanjani und dem religiösen Führer Ali Khamenei, die im Mykonosprozess neben dem Auftragsmörder hätten auf der Anklagebank sitzen sollen. Für ihre Verantwortung am politisch motivierten Mord von vier Kurden in Berlin wurden sie für schuldig erklärt.

Und welche politische Verantwortung übernehmen Sie nun, welche Konsequenzen ziehen Sie jetzt, nach der Nominierung, wo Sie in Kenntnis seiner eindeutigen Äußerungen sind?

Niemand zwingt Zibakalam zu solchen Äußerungen! Es ist eine Lüge, dass er unter Druck solche Äußerungen macht. Er ist, wie seine Worte und Taten in der Vergangenheit wiederholt deutlich machten, ein Regierungsanhänger!

Warum und weshalb bekommt so ein Mann einen solch wichtigen Preis verliehen? Es ist ein Skandal! Warum verdienen es nicht auch die Menschen im Iran so behandelt zu werden wie die Holocaust - Opfer nach der Vergabe des Echos 2018 an den als antisemitisch kritisierten Rap von Kollegah und Farid Bang? In diesem Fall hieß es, man wolle keinesfalls, dass dieser Musikpreis als Plattform für Antisemitismus, Frauenverachtung, Homophobie oder Gewaltverharmlosung wahrgenommen werde. Wie die Preisverleihung des Echos an Kollegah und Farid Bang, ist auch die Verleihung des Freedom of Speech Awards an Sadegh Zibaklam nichts weiter als eine Blamage!

Herr Zibakalam erhält diesen Preis, obwohl er die ganze iranische Regierung inklusive der Hardliner in Schutz genommen hat.

Eine solche Preisverleihung ist gewaltverharmlosend, da Zibaklam gewillt ist, ein gewalttätiges Regime notfalls auch mit Waffengewalt gegen die eigene Bevölkerung zu schützen.

Eine solche Preisverleihung ist frauenverachtend, da Zibaklam ein Regime schützt, dass seit 39 Jahren die Frauenrechte mit Füßen tritt!

Eine solche Preisverleihung ist antisemitisch, da Zibaklam sich auf die Seite eines antisemitischen Regimes stellt!

Es gibt zahlreiche Arbeiteraktivisten, die sich für Arbeiterrechte und Menschenrechte eingesetzt haben und dafür sogar im Gefängnis sitzen. Beispielweise Reza Shahabi, der Blogger Satar Beheshti und viele andere. Es gibt zahlreiche AktivistIinnen, die wegen ihrer Bestrebungen für Demokratie und Menschenrechte ermordet wurden. Warum geht dieser Preis nicht an hunderte von bekannten Persönlichkeiten der Frauenbewegung im Iran?

Wir fordern die Zuständigen der DW und deren Redaktion auf, von einer Überreichung des Freedom of Speech Awards an Sadegh Zibaklam wegen seiner Unterstützung eines diktatorischen Regimes, das seit 39 Jahren auf Folter, Freiheitsberaubung, Hinrichtungen und Terror basiert, abzusehen.

Wir haben bereits einen offene Brief auf persisch veröffentlicht, in dem wir diese Forderungen formuliert haben. 300 Iraner und Iranerinnen haben diesen bereits unterschrieben.

Wir fordern daher:

  1. Die Absage der Preisverleihung an Herrn Sadegh Zibakalam.
  2. Die Bekanntgabe aller Hintergründe zu dieser Preisverleihung und der Person Sadegh Zibaklam, sowie Transparenz darüber, ob die Lobbyisten der islamischen Regierung die Deutsche Welle unter Druck gesetzt haben.
  3. Eine offizielle Entschuldigung gegenüber all den Menschen in der iranischen Bevölkerung, die tagtäglich unter der barbarischen, frauenfeindlichen, aggressiven und terroristischen Regierung leiden und sich nur unter Einsatz ihres Lebens dagegen stellen können.