Kriminalpsychologin Lydia Benecke bei "Skeptics in the Pub", Köln

Satanic Panic reloaded

Sie sind überall, sie verfügen über immensen Einfluss und sie begehen abscheuliche Verbrechen. Ihre Opfer werden mit perfiden Methoden eingeschüchtert, Mitwisser mundtot gemacht. Die Rede ist von weit verzweigten satanistischen Netzwerken, die angeblich in großem Stil Vergewaltigung, rituellen sexuellen Missbrauch und Menschenopfer betreiben und die Opfer durch Gehirnwäsche gefügig machen. Doch es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür. Und niemand konnte je die Story von der angeblichen satanistischen Weltverschwörung belegen.

All das spricht für eine waschechte Verschwörungstheorie. Menschen mit psychischen Problemen führen ihre Symptome auf vermeintlichen satanistischen Missbrauch zurück, erfahren aufrichtige Bestätigung von ihren Therapeuten, und Journalisten greifen die Geschichten nur allzu gern auf.

Doch das menschliche Gedächtnis ist unzuverlässig, wie man heute aus der "False-Memory"-Forschung weiß. Auch subjektiv als wahr empfundene Erinnerungen können trügen – ein fruchtbarer Nährboden für die "Satanic Panic", wie der Mythos von der satanistischen Weltverschwörung auch genannt wird.

Kriminalpsychologin Lydia Benecke hat sich eingehend mit dem Phänomen befasst. Einen Überblick gab sie am Dienstag in einem Vortrag in Köln. Die Veranstaltung gehört zur Reihe "Skeptics in the Pub", in der die Kölner GWUP-Regionalgruppe regelmäßig Speakerinnen und Speaker aus unterschiedlichen Fachgebieten ans Mikro holt.

Diesmal hatte sogar der Deutschlandfunk im Vorfeld für Werbung gesorgt – wenn auch unbeabsichtigt. Nach Ausstrahlung einer unkritischen "Doku" zum Thema hatten verschiedene Personen in einer Facebook-Diskussion sachliche Kritik geübt, die jedoch vom Sender abgeblockt wurde.

Als Erfolgsrezept für mediale Aufmerksamkeit funktionierte die Mixtur von Satan, Sex und Gewalt schon in den späten 1960ern. Lydia Benecke verfolgte ihn zurück bis zu Anton Szandor La Vey, der sich als Hohepriester seiner "Church of Satan" ablichten ließ, um den Verkauf seines Buch "The Satanic Bible" anzukurbeln. Wenig später lieferte der Kinofilm "Rosemarys Baby" (1968) weitere Elemente, die das Bild von der elitären Satanistensekte nachhaltig prägen sollten.

Leider blieb dieser Einfluss nicht auf die Welt der Fiktion beschränkt, wie Benecke im Vortrag darlegte. Nach Einschätzung von Lydia Benecke wird die "Satanic Panic" in Deutschland von einer kleinen Gruppe von Traumatherapeuten medienwirksam promotet. Auf Tagungen verbreiten sie den Mythos weiter, suggestive Befragungen von Klienten fördern neue vermeintliche Opfer zutage. Oft sind es Frauen aus problematischen Familienverhältnissen, die sich wegen psychischer Probleme in Therapie begeben.

Der neue Status als Satanismus-Opfer verschafft ihnen Aufmerksamkeit in einem Maß, das ihnen ansonsten verwehrt bleiben würde. Der Kontakt zu anderen vermeintlichen Betroffenen stärkt ihre Überzeugung. Die hochemotionalen Schilderungen bestätigen auch die Therapeuten darin, dass die schrecklichen Geschichten der Wahrheit entsprechen – obwohl ihre tatsächliche psychische Konstitution eine andere, fundierte psychologische Unterstützung erfordern würde.

Mehr zum Thema lesen Sie in Skeptiker 2/2018, der nächste Woche erscheint.

Video-Tipp: Verschwörungstheorie: Vom satanisch-rituellen Missbrauch - Lydia Benecke auf der SkepKon 2018: