Keine Religionsfreiheit an den Schulen im Norden

Die Fraktion des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) im Landtag von Schleswig-Holstein fordert die Landesregierung auf, für Religionsfreiheit an öffentlichen Schulen im Lande zu sorgen. Eine kleine Anfrage deckte einen rechtswidrigen Zustand auf, der konfessionsfreie Schüler diskriminiert.

Angesichts meterhoher Gorillaskulpturen vor dem Landeshaus in Kiel könnte man auf die Idee kommen, dass eine Diskussion zu Grundrechten für Menschenaffen auf der Tagesordnung steht. In der aktuellen Sitzung ging es aber um ein anderes wichtiges Thema.

Im hohen Norden unseres Landes besteht eine erhebliche Asymmetrie zwischen dem Angebot an konfessionsgebundenem Religionsunterricht und einem gleichwertigen Ersatzunterricht.

Eine kleine Anfrage des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) ergab, dass lediglich an 315 öffentlichen Schulen Philosophie unterrichtet wird, aber an 714 Schulen evangelische Religion. Dies Ergebnis ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass das Oberverwaltungsgericht des Landes bereits 2001 klargestellt hat, dass Schulen die Pflicht haben, gleichwertigen Ersatzunterricht anzubieten.

Der SSW ist die Partei der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein und ist nicht an die 5-Prozent-Hürde gebunden. Zurzeit ist der SSW mit drei Abgeordneten die kleinste Fraktion im Landtag.

Folgerichtig fordert der SSW die Landesregierung in einem Antrag auf, dass die Religionsfreiheit in den Schulen sichergestellt wird und damit endlich eine rechtskonforme Unterrichtsgestaltung hergestellt wird. Am 5. September 2018 hat der Landtag über den Antrag debattiert.

Als konfessionsfreier Mensch fragt man sich ohnehin, wie es um die Neutralitätspflicht des Staates im Hinblick auf die Privilegierung der christlichen Kirchen bestellt ist. Gerade die Indoktrination durch den konfessionsgebundenen Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen missachtet die Religionsfreiheit der Schüler, die einseitig den Glaubensvorstellungen der Religion ihrer Eltern ausgesetzt werden. Von einer freiwilligen Entscheidung der Kinder, man denke nur einmal daran, dass es hierbei auch um Grundschulkinder im Alter von 6–10 Jahren geht, kann wahrlich nicht die Rede sein. Immerhin scheint dies dem ein oder anderen Parlamentarier aufzufallen zu sein und in diesem Sinne ist der aktuelle Antrag des SSW von Bedeutung, der klar und deutlich das Grundrecht auf Religionsfreiheit thematisiert.

In ihrem Redebeitrag wies Jette Waldinger-Thiering (evangelisch) vom SSW darauf hin, dass zu weiteren Punkten der kleinen Anfrage keine Daten erhoben werden und somit keine Antwort der Regierung vorläge.

Sie hat mit vielen Eltern Gespräche geführt und hörte immer wieder, dass man sich zieren würde, das Recht auf Ersatzunterricht einzufordern, da die Eltern nicht als diejenigen dastehen möchten, die zusätzlichen Aufwand generieren.

Nicht überraschend erklärte Tobias Loose (evangelisch) von der CDU, dass die Überschrift mit dem Begriff "Religionsfreiheit" falsch gewählt sei. Er sei ausdrücklich ein Befürworter des konfessionsgebundenen Religionsunterrichts, was doch gerade ein Ausdruck der Religionsfreiheit sei. Weiter führte er aus, dass die CDU die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts erreichen möchte und einen entsprechenden Staatsvertrag anstrebt. Allein die islamischen Verbände (DITIB etc.) seien als Vertragspartner ungeeignet.

Dass an immerhin 315 Schulen Philosophieunterricht angeboten wird, stellt für ihn eine hohe Anzahl dar.

Martin Habersaat (evangelisch) von der SPD wies darauf hin, dass der Religionsunterricht der Glaubensvermittlung dient und die Kirchen in den Schulen Kinder zu guten Christen erziehen dürfen. Er findet dies falsch. Diese Position ist insoweit bemerkenswert, da Herr Habersaat kirchenpolitischer Sprecher der SPD und Mitglied des Fördervereins christlicher Pfadfinder in Barsbüttel ist.

Für die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben (evangelisch), sorgt der Philosophie- und der Religionsunterricht für die Vermittlung von wichtigen gesellschaftlichen Werten. Sie sieht das Problem, dass zu wenig Philosophielehrer und Lehrkräfte für andere Religionen zur Verfügung stehen. Es fehlten insgesamt 200 Lehrer für Philosophie.

Des Weiteren kritisierte sie die Aufteilung der Schüler nach den Religionen im Unterricht und spricht sich für die Einführung eines Ethikunterrichts für alle aus. Leider ließe dies aber die Verfassung nicht zu.

Anita Klahn (evangelisch) von der FDP sieht die Religionsfreiheit nicht bedroht und hält die Formulierung im Antrag für übertrieben, schließlich würde doch kein Schüler gezwungen werden. Außerdem könne Philosophieunterricht nur stattfinden, wenn genügend Schüler teilnähmen. Sie spricht sich für Verbesserungen aus, die aber nicht bis zum nächsten Schuljahr zu schaffen sind. Sie wies darauf hin, dass der Religionsunterricht weiterhin stark nachgefragt sei, da über 50 % der Schüler daran teilnähmen. Mittlerweile gäbe es auch Angebote für Moslems, so werde an 17 Schulen Islamkunde unterrichtet. Es soll aus ihrer Sicht Verständnis für das Religiöse geweckt werden.

Dr. Frank Brodehl (evangelische Freikirche) von der AfD sieht den Lehrermangel als Problem. Er meinte aber, dass die Lücke zwischen Philosophie- und Religionsunterricht kleiner werden sollte. Er sieht die Religionsfreiheit nicht eingeschränkt. Ethikunterricht ist ihm wichtig, konfessionsgebundener Religionsunterricht ist ihm sehr wichtig.

Zum Abschluss der Debatte gibt die Bildungsministerin Karin Prien ihr Statement ab und zitiert dazu Böckenförde: "Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann." Der Religionsunterricht und Philosophie hätten in diesem Sinne eine wichtige Rolle. Der evangelische Unterricht hätte im Übrigen einen interreligiösen Ansatz.

Sie ist der Überzeugung, dass starke Religionen eine entscheidende Rolle für die Demokratie einnehmen.

Die Ministerin erklärte, dass die Verfassung den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen garantiert. Sie wies auf das Problem zu weniger Lehrer hin. Dieses Problem gebe es in allen Fächer. Die Schulen hätten die Verpflichtung, über die Wahlmöglichkeiten zwischen Religion und Philosophie zu informieren. Sie will auf den Schulleiterkonferenzen nochmals darauf hinweisen.

Auch wenn man den Eindruck hatte, dass insbesondere die Regierungsfraktionen CDU und FDP das Problem banalisieren wollen, so hat der Landtag dann einstimmig beschlossen, den Antrag in den Bildungsausschuss zu überweisen. Dort wird es die Möglichkeit von Anhörungen geben, so dass sich säkulare Organisationen zu Wort melden können. Davon sollte umfänglich Gebrauch gemacht werden.

Es scheint dringend geboten, einige Irrtümer auszuräumen. So bezieht sich der Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes eben nicht auf alle Schulen, sondern lediglich auf Bekenntnisschulen. An bekenntnisfreien Schulen ist der Religionsunterricht eben nicht zwangsläufig ein ordentliches Schulfach.

Basierend auf diesem Irrtum scheint sich keine Partei an das eigentlich anzugehende Thema, die Abschaffung des missionarischen Religionsunterrichts, zu trauen.