Kükenschreddern

STEISSLINGEN. (hpd) Gerade in dieser Woche, da die Christenheit an die Passion des Jesus von Nazareth erinnert, sollten wir auch von einem anderen Leiden und Sterben sprechen, über das soeben in den Medien berichtet worden ist.

Jedes Jahr werden allein in Deutschland über 20 Millionen Eintagsküken bei lebendigem Leib geschreddert und zerhackt - weil sie männlich sind und wirtschaftlich uninteressant, denn sie werden keine Eier legen und gelten als Abfallprodukt, das entsorgt werden muss.

Noch kein einziger Papst hat sich zu solchen und ähnlichen Vorgängen der alltäglichen Tierfolter geäußert, von einer "Tier-Enzyklika" ganz zu schweigen. Vermutlich ist es den Päpsten egal, wie Menschen sich zu Lebewesen verhalten, die nach offizieller Lesart Gottes Geschöpfe sind. Haben wir wirklich keine Tränen für das Leid der Tiere?

Die Sozialpsychologin Melanie Joy aus Boston nennt das Verhalten der Menschen den Tieren gegenüber Karnismus. Damit meint sie ein grundsätzlich gewaltbereites Glaubenssystem: Wir sind mit der Vorstellung aufgewachsen, dass es grundsätzlich richtig ist, Tiere zu töten. Eine soziale Norm, an der kaum gerüttelt wird.

Der allgemeine Karnismus, ein System von erlernten Überzeugungen, das Tiere in die Kategorien essbar und nicht essbar, verwertbar und nicht verwertbar, wirtschaftlich wichtig oder unwichtig sortiert, soll dies erlauben. Ähnlich erlaubt soll es sein, sich von dem Mitgefühl für die betroffenen Tiere zu distanzieren und durchgängige Apathien einzuüben. Zu den wichtigsten Mechanismen gehören ein Prozess, der Tieren ihre Individualität nimmt, sowie die parallel verlaufende Abstraktion von Tieren zu Gruppen. Und männliche Eintagsküken bilden nun einmal eine solche Gruppe.

Individualität? Ist diese nicht von einer Kirche bestritten worden, die Tieren ausdrücklich eine Seele abgesprochen hat? Blieb die "Seele" nicht für die so genannte Krone der Schöpfung reserviert?

Das ist Treulosigkeit gegenüber den Tieren. Diese verhalten sich uns gegenüber hilfreich und freundlich. Wir nehmen ihre Dienste gern und ausgiebig in Anspruch. Doch wir nehmen diesen Dienst entgegen, als sei er selbstverständlich. Noch mehr: Wir verraten die Tiere Tag für Tag: Wir beuten sie aus und foltern sie sogar bis in ihren Tod hinein.

Würden Menschen behandelt, wie sie Tiere behandeln, sähen sie vielleicht ein, was sie gedankenlos, rücksichtslos, gefühllos an diesen tun. Solange "tierisch" ein abwertendes Adjektiv ist und "menschlich" keines, wissen wir, was zu tun ist. Tiere haben das Recht, ihre spezifische Identität zu verwirklichen, ihr Leben zu leben, ganz sie selbst zu sein. Dieses Recht wird ihnen nicht von den Menschen gewährt. Nur versagt.

Der gegenwärtige Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hat im Übrigen angekündigt, bis Ostern einen Plan zum Stopp des Massentötens von Küken vorzulegen. Ein Schritt in die richtige Richtung.