Der Säulenheilige

TRAIN. (hpd) Bernhard Grzimeks (1909–1987) Name ist eng verknüpft mit dem Frankfurter Zoo, den er von 1945 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1974 leitete. Tatsächlich wäre der 1858 eröffnete Tiergarten - der zweitälteste Deutschlands - ohne das unermüdliche Engagement Grzimeks längst Geschichte.

Das Gelände des Frankfurter Zoos war bei einem Bombenangriff im Frühjahr 1944 nahezu völlig zerstört worden. Noch vor dem offiziellen Ende des Krieges überredete der "aus dem Nichts" in der Stadt aufgetauchte Veterinärmediziner Grzimek die US-Behörden, ihn als Planungsdirektor für einen außerhalb der Stadt neu zu errichtenden Zoos zu berufen. Er versprach, den Besatzern würden keinerlei Kosten entstehen, woraufhin er freie Hand erhielt. Tunlichst verschwieg er den Amerikanern, dass er kurz zuvor noch als Regierungsrat im NS-Reichsernährungsministerium tätig gewesen war; selbstredend auch den Umstand, dass er 1933 der SA und 1937 der NSDAP beigetreten war.

Anstatt nun die Pläne eines Zoos außerhalb der Stadt zu verfolgen, ließ er die Bombentrichter auf dem alten Zoogelände beseitigen und ein paar der zerstörten Gehegehäuser provisorisch instand setzen, so dass er schon am 1. Juli 1945 den Zoo wiedereröffnen konnte. Bei den vorgezeigten Tieren handelte es sich um Manegentiere des Zirkus Hoppe, der in Frankfurt gestrandet war und auf dem alten Zoogelände einquartiert wurde. Grzimek organisierte Tanzveranstaltungen, Modeschauen und Revuen und erzielte damit so großen Zuspruch in der Frankfurter Bevölkerung, dass er die Zustimmung der US-Behörden zum Weiterbetrieb in der Innenstadt erhielt.

Er erweiterte sein Angebot um jede nur denkbare Rummelplatzattraktion: es gab Karussells, eine Achterbahn, dazu die Auftritte fahrender Zirkus-, Jahrmarkt- und Menagerieschausteller; selbst Boxkämpfe und Wahlveranstaltungen politischer Parteien fanden auf dem Zoogelände statt. Grzimek ließ ein Kino einrichten, und noch vor der Währungsreform entstand eine Veranstaltungshalle, in der Operetten, Ballettabende, Theatervorführungen und Konzerte stattfanden.

Zum Wiederaufbau einer attraktiven Tiersammlung wurde Tombolen und Spendenaktionen veranstaltet, die derart hohe Überschüsse erzielten, dass ab 1953 in rascher Folge eine Vielzahl neuer Gehegehäuser errichtet werden konnte. Tiere wurden in großem Stil über die Ahlener Firma Hermann Ruhe bezogen, die als seinerzeit weltgrößtes Tierhandelsunternehmen jedes gewünschte Tier aus jedem noch so entfernten oder abgelegenen Teil der Erde importierte; zugleich ging Grzimek höchstpersönlich auf "Expeditionsreisen" nach Afrika, um Wildtiere für seinen Zoo einzufangen.

Kein Platz für wilde Tiere

In seinem 1956 vorgestellten Dokumentarfilm Kein Platz für wilde Tiere prangerte Grzimek die akute Bedrohung des afrikanischen Wildtierbestandes durch die massive Übervölkerung des Kontinents an. Er hatte dabei keine Scheu, sich fortgesetzt und in penetrant postkolonialer Allüre betont rassistischer Begriffe und Klischees zu bedienen: immer wieder ist da von "Schwarzen" und "Urwaldnegern" die Rede, die sich ungehindert ausbreiteten. Angehörige der Mbuti-Pygmäen bezeichnete er als "Waldzwerge", die in einem Übergangsfeld zwischen Mensch und Tier zu verorten seien. Selbst über "Rassenvermischung" zwischen "Negern" und "Pygmäen" machte er sich Gedanken: "Die Urwaldneger werden allmählich hellhäutiger und kleiner, ein Volk von Bastarden, und die reinblütigen Pygmäen müssen immer stärker abnehmen. Sie werden ohnedies über kurz oder lang ganz verschwinden, und gerade deshalb war es für uns so reizvoll, sie noch kennen zu lernen." (1)

Tatsächlich ging es auf der Expeditionsreise, die er Anfang der 1950er nach Belgisch Kongo unternahm und die den Hintergrund für seinen Film abgab, in erster Linie darum, Wildtiere für den Frankfurter Zoo einzufangen. Die willkürliche "Entnahme" von Tieren aus ihren natürlichen und sozialen Bezügen rechtfertigte er mit der Notwendigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse über sie zu gewinnen, die es erlauben würden, sie ohne große Verluste in Zoos halten bzw. nachzüchten zu können.

Der Film, ausgezeichnet mit dem Bundesfilmpreis und dem Goldenen Bären, schuf die Grundlage für die später weltweite Popularität Grzimeks; zugleich diente er dazu, Besucher in die nach dem Krieg wiedereröffneten heimischen Zoos zu locken, wo die auf der Leinwand gezeigten Tiere leibhaftig zu besichtigen waren. Dem gleichen Zweck diente auch der 1959 vorgestellte Streifen Serengeti darf nicht sterben über die bedrohte Tierwelt Tanganyikas, für den Grzimek sogar einen “Oscar” erhielt.