Wie "Lebensschützer" denken

Daniela Kuge ist CDU-Abgeordnete und sitzt im sächsischen Landtag. Sie ist zudem familien- und frauenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages sowie Mitglied des CDU-Landesfachausschusses Gesundheit. Und sie ist "Lebensschützerin", die offenbar eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung nicht für einen Abtreibungsgrund hält.

Auslöser für diesen Artikel, den Falko Pietsch zuerst bei Facebook veröffentlichte, war eine Diskussion um Abtreibung, in die sich Frau Kuge einbrachte:

Screenshot Facebook
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Wenn man die "Argumente", die immer wieder aus dem christlich-konservativen Lager zu lesen sind, zusammenfasst, wird es bitter. Man befürchtet bei denen, die zum Leben verpflichten und zwingen wollen, dass der Paragraph 219a angeblich "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche ermögliche.

Wofür die "Lebensschützer"-Fraktion wirbt, ließe sich in einem Spot zusammenfassen, der in etwa so klingt und aussieht:

Wir sehen einen weinenden Teenager auf dem Bett sitzen. Das Bettzeug ist noch etwas durcheinander, der Freund hat beim Aufbruch seine Zahnspangendose auf dem Nachttisch liegen lassen.

Eine verständnisvoll säuselnde Stimme aus dem Off:

Du bist 14 und beim zweiten Mal mit Deinem Freund ist das Kondom gerissen oder runtergerutscht? Du bist ganz schön erschrocken und hast Angst Deinen Eltern davon zu erzählen? Deine Freundinnen können Dir nicht helfen und Du schämst Dich, es ihnen gegenüber anzusprechen?

Du kannst im Internet nicht rausfinden, welche Ärzte Dich jetzt unvoreingenommen über Deine Optionen informieren würden?

Cut.

Vor einer weiß getünchten Kirchentür stehen Daniela Kuge, Stephan Degen und ein paar weitere sympathische Gesichter aus CDU- und Kirchenkreisen mit weit geöffneten Armen und leutseligem Grinsen:

Keine Sorge! Wir sind für Dich da! In neun Monaten ist der Spuk ja schon vorbei! Wir helfen Dir!

Kleingedruckt wie ein Apotheken-Beipackzettel rattert unten im Bild eine Textzeile durch: Wir nötigen Dich moralisch, aus einer gerade erst ein paar Mal geteilten befruchteten Ei-Zelle ein Kind werden zu lassen, weil wir selbst damals in Bio gepennt haben, den Unterschied zwischen einer Zell-Akkumulation und einem lebendigen Individuum nicht kennen und der Pastor halt immer erzählt hat, dass eine Eizelle schlagartig und auf magische Weise "beseelt" wird, wenn sie von einem hinzukommenden Spermium "sakralisiert" wird.

Cut.

Daniela Kuge flüstert dem verängstigten Mädchen verschwörerisch ins Ohr:

Lass Dich jetzt nicht von den Leuten verwirren, die von "Selbstbestimmung" über Deinen Körper reden. Die wissen nicht, was gut für Dich ist. Und woher solltest Du das in Deinem Alter auch wissen? So durcheinander, wie Du gerade bist? Gott hingegen hat sich dabei was gedacht! Und willst Du wirklich seinen weisen Ratschluss in Frage stellen und selbst darüber entscheiden, wann und wo und wie neues Leben in die Welt kommt? Na na, ein solches Aufbegehren, wäre jetzt sicher nicht angebracht.

Das Mädchen wimmert furchtbar und schlägt die Arme um ihren Oberkörper.

Cut.

Stephan Degen spricht mit nachsichtiger Güte in die Kamera:

Du musst das Kind, das Du nie wolltest, ja auch nicht großziehen! Ein bisschen Papierkram ist es halt, das Neugeborene zur Adoption freizugeben – aber da die Kinderheime so schrecklich leer sind, tust Du der Gesellschaft damit einen Gefallen!

Daniela Kuge, gelernte Pharmazeutin, ergänzt wissend:

Das sollte doch kein Problem für Dich sein – dann rennst Du halt einige Monate kotzend über die Schulflure und verpasst vielleicht ein paar Unterrichtsstunden. Klar, Dein Körper hat sich durch die Pubertät gerade erst auf seltsamste Weise geändert und Du versuchst noch, mit diesen Dingen klar zu kommen – aber da macht das bisschen Milch-Einschuss doch jetzt keinen Unterschied mehr, oder? Und sieh's mal so: Du bist dann sehr wahrscheinlich das Mädchen mit den größten Brüsten in Deiner Klasse! Ist das nicht toll?

Wir sehen, wie Daniela Kuge MdL, sich pantomimisch an die Brust fasst und grinsend imaginäre, riesige Schwangerschaftsbrüste schaukelt. Sie spricht weiter:

Ja, später fehlst Du mal ein paar Wochen in der Schule für die Geburt und Dein Körper wird ewige Spuren davon tragen. Aber manche Deiner Mitschüler haben doch vielleicht auch schon Narben von OPs und andere Achtklässler, die wegen Grippe oder Angina zwei Wochen nicht zur Schule gehen können, kriegen das doch auch hin.

Cut.

Wir sehen die jetzt noch verzweifelter weinende Teenagerin, die sich nun erst recht nicht traut, mit ihren FreundInnen, Eltern oder ÄrztInnen zu sprechen. Sie hält sich den Bauch, als müsste sie sich sofort übergeben.

Cut.

Die Bible-Belt-Fraktion tritt zu ihr ans Bett und spricht im Chor:

Nicht doch, nicht doch! Mein Kind, sei frohen Mutes!

Du musst auch kein schlechtes Gewissen haben, ein Kind in die Welt zu setzen, für das Du überhaupt nicht sorgen kannst.

Die 14-jährige krümmt sich nun heulend am Boden, in einer Montage sehen wir, wie alle ihre Träume und Wünsche für ihr junges Leben in kleinen Sequenzen auftauchen und zerplatzen, wie sie die Boyband- und Pferde-Plakate von der Wand reißt, um Platz für ein notdürftig zusammengeschraubtes Baby-Bett zu schaffen, das sie dann mit einem Hammer und Tränen der Wut wieder zerdrischt.

Der Chor der Lebensschützer setzt mit verheißungsvoll-ätherischen Stimmen an:

Sieh's mal so: Hat Gott sich je eine Platte darüber gemacht, dass sein Sohn bei einem Adoptiv-Vater aufwuchs? Und das ist doch auch super gelaufen. Immerhin reichlich 30 Jahre alt ist der Knabe dann geworden – und hätte er nicht diese fürchterlichen Kreuz-Beschwerden gehabt, wären ihm noch mehr Jahre vergönnt gewesen!

Wir sehen als nächstes, wie das junge Mädchen mit den Spick-Notizen für die letzte Mathe-Arbeit auf der Hand in einem Kreißsaal liegt. Sie hat noch etwas hartnäckigen Glitzer im Haar von der Feier ihres 15. Geburtstages am Wochenende.

Einige Menschen stehen mit dem Flick-Zeug für ihren Damm-Riss um das Bett.

Eine Krankenschwester trägt das schreiende Neugeborene weg, das nie entstehen sollte. Das Mädchen weint bitterlich und wird diese Stunden und die Rufe des Kindes nie vergessen.

Ein emotional völlig überforderter sechzehnjähriger blasser Lauch tritt hinzu, hält ihre Hand und zusammen geben sie das vollendete Bild zweier Menschen, die von Schuldgefühlen zerfressen sind und bestenfalls nach einigen Jahren Therapie darüber nachdenken werden, jemals wieder Sex zu haben. Nicht miteinander, versteht sich, denn die junge Beziehung hat diese Monate freilich nicht überstanden.

Cut.

Ein Kinderheim der Diakonie, das mangels ungewollter kleiner Menschen schon überflüssig geworden war und kurz vor der Schließung stand, feiert ein großes, rauschendes Fest.

Aus dem Off säuselt der Chor:

Klingt das nicht nach einem verlockenden Angebot?
Gern geschehen! Deine Lebensschützer.