Happy Birthday! Vier Dekaden Barbarei im Iran

Zum vierzigsten Mal schon jährte sich im Februar 2019 ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung. Die gegenwärtige postmoderne Phase, in der Aufklärung und Humanismus als despotisch diffamiert werden und einem Relativismus weichen, der Theorien und Ideologien gleichwertig nebeneinander stellt, kann ohne die Islamische Revolution von 1979 im Iran nicht verstanden werden.

Wie zuletzt Oliver M. Piecha gezeigt hat, stehen die Geschehnisse von 1979 zwischen der 68er-Bewegung, die soziale und kulturelle Veränderungen brachte, und den politischen Umwälzungen des Jahres 1989, die den Untergang des realexistierenden Sozialismus besiegelten.1 1979 ist der politische Islam erstmals Praxis geworden, und in den folgenden Jahren konnte er sich als dystopische Ideologie in dem geistigen Vakuum ausbreiten, das der Sozialismus bei seinem Niedergang hinterließ. Die Islamische Revolution war eine Voraussetzung für Al-Qaida in den 2000ern und für den Islamischen Staat in den 2010ern. Konfrontiert mit den Widersprüchen der Moderne fand 1979 zum ersten Mal eine größere Bewegung – bestehend aus Islamisten, Linken und weiteren Gegnern der korrupten Schah-Diktatur, deren wichtigster Kitt die islamische Terminologie und Denkweise war – den vermeintlichen Ausweg in die archaische Barbarei. Der "islamische Kompromiss" zwischen Religiösen und Linken führte nicht nur in Vorderasien zu einer massiven Schwächung der progressiven Kräfte. In Europa trägt das theoretische Unvermögen, das sich in der Nicht-Auseinandersetzung mit dem Islam offenbart, nach wie vor zum Erfolg rechter Bewegungen bei.

Aktuell feiert das iranische Regime also seinen vierzigsten Geburtstag, wie viele muss die Welt noch ertragen? Sofern man keinen "diplomatischen Gepflogenheiten" unterworfen ist und Glückwunsch-Telegramme nach Teheran senden muss wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier2, bietet das Jubiläum eine gute Gelegenheit, um sich die Entwicklung des Iran in den vergangen vier Dekaden vor Augen zu führen und eine Zwischenbilanz zu ziehen. Betrachtet man die Geschichte der Islamischen Republik, wird deutlich, dass ihre Stärke auf einem Wechselspiel von Starrheit und einer gewissen Anpassungsfähigkeit basiert.

Die Islamische Revolution von 1979

In vielen Berichten wird die islamische Revolution von 1979 anlässlich ihres Jahrestags mit dem gleichen Foto veranschaulicht: Ein greiser Mann im traditionellen Mullah-Gewand steigt die Gangway eines Flugzeugs herab und betritt nach Jahren des Exils wieder iranischen Boden. Dieser Geistliche, Ruholla Chomeini, der zuletzt in Frankreich untergekommen war, hatte sein ganzes Leben nur Schund von sich gegeben. Häufig wird sein Werk Hokumat-e Eslāmi ("Die islamische Herrschaft") genannt, in dem er schon Jahre vor seiner Machtübernahme das Konzept des Welāyat-e Faqih ("Die Statthalterschaft der Geistlichkeit") entwickelt hat. Seltener wird auf die anderen geistigen Ergüsse des "Großayatollahs" hingewiesen, die auf einer Stufe mit seinem Hauptwerk stehen. So beschäftigte er sich in seinen theologischen Abhandlungen mit der Art zu urinieren und Kot zu entleeren, mit der Menstruation sowie mit der "jüdischen Weltherrschaft". Bei seiner glorreichen Ankunft in Teheran wurde Chomeini von einem Pöbel hunderttausender Anhänger empfangen. Lange hatten sie die Rückkehr ihres Messias ersehnt.

Natürlich bildete der islamische Mob nur einen Teil der revolutionären Bewegung im Iran. Gegen die neuen Verhältnisse hatte es auch Widerstand gegeben, so etwa in der Provinz Kordestān, wo es zu einem langen und blutigen Aufstand kam. Schon wenige Jahre nach dem Systemwechsel beteuerten sogar viele, die Chomeini zuvor noch zugejubelt hatten, dass sie nicht wussten, was der Geistliche wollte, und nicht gedacht hätten, dass seine Bande die Regierung übernimmt. Sicher lehnte ein Großteil der Bevölkerung die islamische Herrschaft ebenso ab wie das repressive Regime des Schahs, der 1953 allein mit Unterstützung des britischen und US-amerikanischen Geheimdiensts wieder auf den Pfauenthron gelangen konnte ("Operation Ajax"). Die Ablehnung beider Diktaturen sei den Revolutionären von damals zugestanden, ihre Beteuerungen sind unterdessen nur Ausdruck ihrer geistigen Ohnmacht. Einen "Raub der Revolution" durch die islamische Bande hat es nie gegeben, vielmehr handelte es sich um einen eigentlich absehbaren Transformationsprozess vom Schah-Regime zur Mullah-Herrschaft, wie Farshid Feridony schon vor Längerem gezeigt hat.3

Eine wesentliche Bedingung für diese Transformation war der Zusammenschluss, der weiter oben bereits als "islamischer Kompromiss" bezeichnet wurde. Linke Kräfte, allen voran die aus Moskau gelenkte kommunistische Tudeh-Partei, gingen einen Bund mit den Islamisten ein, wobei sie den schiitischen Pfaffen so weit entgegenkamen, dass sie sogar ihren Jargon übernahmen: Statt "Genosse" und "Genossin" (rafiq) hieß es immer öfter "Bruder" (barādar) und "Schwester" (ḫāhar) und anstelle von "Klassenfeind" (došman-e tabaqāti) wurde mitunter sogar "Ungläubiger" (kāfar) gesagt. Auf ideologischer Ebene setzten sich die Kommunisten mit voller Überzeugung und Tatkraft für ihren eigenen Untergang ein, so dass man von einer Art Märtyrer-Suizid sprechen muss: Die Partei unterstützte bedingungslos den von Chomeini gegründeten "Islamischen Revolutionsrat", während dieser umgekehrt der Tudeh die Anerkennung verweigerte und jedwede Zusammenarbeit mit nichtreligiösen Kräften ausschloss. Darauf angesprochen verwies der Generalsekretär der kommunistischen Partei, Iraj Eskandari, auf die Autorität Chomeinis, um vielleicht doch noch dessen Wohlwollen zu gewinnen.4 Ideologische Grundlage für diese devote Haltung war das bis heute verbreitete (und immer noch lückenhafte) Konzept des Antiimperialismus, das aus Gegnerschaft zur USA so hochgehalten wurde, dass man blind für die islamische Gefahr war, denn die Religiösen galten schließlich als Antiimperialisten. In den nächsten Jahren basierten die Aktivitäten der Tudeh auf einer Strategie der "loyalen Opposition" innerhalb der Islamischen Republik Iran.5 Im Laufe der Zeit wurde die Partei so stark dezimiert, dass sich ihre letzten Überreste endlich erbarmten und ihre Gegnerschaft zum System erklärten. Die theoretische Unfähigkeit der Tudeh wird daran deutlich, dass sie selbst bei ihrem Übergang in die Illegalität noch ihre falschen Denkmuster beibehielt und die Mullahs als neue Kapitalisten betrachtete, ohne den Bruch der Islamisten mit der Moderne zu erkennen.

Der "islamische Kompromiss" zwischen Religiösen und Linken stärkte allein die Mullahs und erschwerte jeglichen Wiederstand gegen die Re-Islamisierung. Als 1979 über 100.000 Frauen gegen die neuen misogynen Verordnungen (wie die Zwangsverschleierung) protestierten, hatten die reaktionären Kräfte bereits die Hegemonie im Staat übernommen. In kurzer Zeit wurden die autoritär durchgesetzten Modernisierungsmaßnahmen des Schahs zurückgedrängt. Nur die Methoden der Herrschaftskonsolidierung wie Verfolgung, Folterung und Hinrichtung politischer Gegner bildeten eine Ausnahme, denn diese wurden unter den neuen Machthabern noch ausgeweitet, so dass der Betrieb im berüchtigten Evin-Gefängnis mit neuen "Staatsbeamten" nahtlos weitergehen konnte.

Erste Dekade: Islamische Machtübernahme und Erster Golfkrieg (1979–1989)

Ein Schlachtruf aus dem Jahre 1979, der die ideologische Neuausrichtung des Iran am besten verdeutlicht, lautete: Na šarqi, na qarbi, Jumhuri-ye Eslāmi ("Nicht Osten, nicht Westen, (sondern) Islamische Republik!"). Die Besetzung der US-amerikanischen Botschaft und die Geiselnahme von 52 Diplomaten durch islamistische Studenten im November des Revolutionsjahres führten zur Isolierung des Iran in der internationalen Staatengemeinschaft. Der krebskranke Schah hatte nach seiner Flucht im Januar um Aufnahme in verschiedenen Ländern gebeten, bevor er 1980 in Ägypten unterkam, wo er kurz darauf auch starb. Die über 2.500 Jahre alte Monarchie des Iran war damit überwunden.

Im selben Jahr nutzte der irakische Diktator Saddam Hussein die Gelegenheit, den durch Revolution und Aufstände erschütterten Iran anzugreifen. Der Krieg verlief wechselhaft, so dass die USA ab 1983 Saddams Einsatz von Massenvernichtungswaffen duldeten, um eine Ausbreitung der Islamischen Revolution zu verhindern. Die Chemikalien waren zuvor von verschiedenen internationalen Firmen geliefert worden.6 Erst nach einem achtjährigen Abreibungskrieg und dem Abschuss des zivilen Linienflugzeugs Iran-Air-Flug 655 durch einen US-amerikanischen Kreuzer kam es zu einem Waffenstillstand zwischen dem Iran und dem Irak. Ein Faktor, der die Totalität dieses bis dahin verheerendsten Konflikts nach dem Zweiten Weltkrieg beförderte, war, dass die USA beide Seiten mit Waffen beliefert haben. Spätestens durch die Aufdeckung der sogenannten Iran-Contra-Affäre ab 1985 wurde die massive Beteiligung der USA am Ersten Golfkrieg bekannt. Linke und Islamisten bestärkte dies in ihrer gemeinsamen Ideologie des Antiimperialismus.

Chomeini hatte den Angriff durch den Nachbarstaat als "Geschenk des Himmels" bezeichnet, und seine Bande schreckte für einen Sieg der Revolution nicht davor zurück, Kinder über gegnerische Minenfelder rennen zu lassen. Der "imperialistische" Angriff verleitete linke Gruppierungen wie die Tudeh-Partei und die Mehrheitsfraktion der ebenfalls kommunistischen Organisation der Volksfedayin Iran dazu, sich hinter die Islamische Republik zu stellen und als Kanonenfutter behilflich zu sein. Die Chomeini-Bande hatte durch den auswärtigen Feind freie Hand im Inneren, so dass durch Massenhinrichtungen politischer Gefangener die neue Herrschaft langfristig gefestigt werden konnte. Den "Säuberungen" fiel auch ein Großteil der islamistischen Sekte der Volksmudschahedin zum Opfer, die kurz nach der Revolution mit Chomeini gebrochen hatten.

1984 führte der Staatsbesuch des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genscher zu einem vorläufigen Ende der politischen Isolierung des Iran. Chomeinis Todes-Fatwa gegen Salman Rushdie brachte der Islamischen Republik 1988 aber wieder den Pariastatus in der Weltgemeinschaft ein. Im Jahr darauf starb der "Revolutionsführer" und Ali Khamenei übernahm das Amt des Staatsoberhaupts.

Zweite Dekade: Export der Revolution und Revolte der Revolutionskinder (1989–1999)

Seit den Anfängen der Islamischen Republik ist Antizionismus indiskutable Staatsdoktrin. Von der Feindschaft zu Israel, die ein wesentliches Legitimationsmoment des Regimes darstellt, kann, solange das gegenwärtige System besteht, unmöglich abgekehrt werden, weil sie höher als jede Präsidentschaft und Regierung angesiedelt ist. Die permanenten Auslöschungsdrohungen gegen Israel und die Finanzierung und Aufrüstung islamistischer Terrororganisationen weltweit bilden grundlegende Ursachen des Nahostkonflikts – auch weil sie alle palästinensischen Friedensbemühungen torpedieren. Dass die Vernichtung Israels nicht nur ideologisch einen wesentlichen Stellenwert einnimmt, sondern in der Praxis aktiv vorangetrieben wird, zeigt sich etwa an der Unterstützung der palästinensischen Hamas und der libanesischen Hisbollah. Letztere Bande wurde in den 1980ern mit Hilfe der iranischen Revolutionsgarden (Pāsdārān) gegründet und hat den aktuellen "Revolutionsführer" Khamenei als oberste geistliche Autorität an ihrer Spitze. Auf die enge Abstimmung der Islamischen Republik mit ihrer Stellvertreterorganisation im Libanon sind unter anderem die schweren Anschläge in Buenos Aires von 1992 und 1994 auf die israelische Botschaft und die Zentrale der jüdischen Gemeinde zurückzuführen. Das iranische Regime stilisiert sich durch seinen Kampf gegen Israel in der arabischen Welt als einzig wahrer Verfechter palästinensischer Interessen.

Der Staatsterrorismus der Islamischen Republik richtet sich ebenso vehement gegen exilierte Dissidenten. Exemplarisch für die vielen Morde, die Agenten des Regimes außerhalb des Irans begangen haben, stehen der Anschlag des Jahres 1989 in Wien, bei dem Abdul-Rahman Ghassemlou, exilierter Vorsitzender der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran, zusammen mit zwei Begleitern hingerichtet wurde, und das Mykonos-Attentat von 1992 in Berlin, bei dem Sadegh Scharafkandi (der Nachfolger Ghassemlous) und drei weitere Exilpolitiker getötet wurden. Bei der Urteilsverkündung zum Mykonos-Attentat machte das Gericht deutlich, dass das iranische Staatsoberhaupt Khamenei und der Präsident Ali-Akbar Haschemi Rafsandschani vorab über den geplanten Anschlag informiert worden waren. 1991 fiel Schapur Bachtiar, der letzte Premierminister vor der Machtübernahme Chomeinis, zusammen mit einem Vertrauten einem Attentat in seinen eigenen vier Wänden in Paris zum Opfer, und im Jahr darauf wurde der exilierte Showmaster Fereydun Farrochsad auf brutale Weise in seiner Wohnung in Bonn ermordet. Das Regime demonstriert mit solchen Aktionen, dass seine Macht weit über die iranischen Grenzen hinaus reicht, um Exilanten einzuschüchtern und zu entpolitisieren.