Von religiösen Menschen, vor allem von Theologen, wird immer wieder in den Raum gestellt, Wissenschaft sei auch nur eine Form von Glaube. Diesem Denkfehler müssen Argumente entgegen gestellt werden.
Jüngst schrieb ein renommierter Universitätsprofessor, Religions- und Kulturwissenschaftler "… es zeigt sich, dass atheistische Naturwissenschaftler auf die gesamte Weltdeutung schließen wollen… genau und kritisch besehen sind auch die Grundannahmen der Atheisten, der Naturalisten und der Materialisten nur Glaubensannahmen und Vermutungen, aber keine Ergebnisse festen Wissens….."
Dazu kurz gefasst eine Richtigstellung: Was bedeutet "Glaube", bzw. "Glaubensannahme"?
a) Eine Wahrscheinlichkeitsannahme (falsifizierbar!).
b) Eine Erwartung/Hoffnung (falsifizierbar).
c) Ein ideologisches, dogmatisches oder religiöses „für wahr halten“ (nicht falsifizierbar!).
Im Zusammenhang mit (Natur)Wissenschaft bedeutet "Glaube" jedoch ausschließlich "Wahrscheinlichkeitsannahme". Karl Popper schrieb, dass "unser Nichtwissen (…) durch Wahrscheinlichkeit überbrückt und ergänzt" wird. Zeitgemäße Methoden und Erkenntnisse der Wissenschaft basieren im Wesentlichen auf den von Karl Popper formulierten Prinzipien des Kritischen Rationalismus (KR): Danach beruht der Kritische Rationalismus auf der metaphysischen Hypothese, dass es eine reale Welt gibt.
Diese empirisch nicht überprüfbare Hypothese ist für die Naturwissenschaften unverzichtbar, sie ist jedoch kritisier- und prinzipiell falsifizierbar (im Gegensatz zu unkritisierbarer, dogmatischer Metaphysik!). Prinzipiell sollen jedoch metaphysische Annahmen so wenig wie möglich in wiss. Modelle eingehen ("Metaphysik Minimierungsprogramm").
Kritischen Rationalismus ist zudem fallibilistisch, erkenntnisoptimistisch, objektivistisch und intersubjektiv auf der Basis der "Evolutionären Erkenntnistheorie" mit der Grundaussage, dass Wissen grundsätzlich fehlbar und immer vorläufig ist.
Die wichtigsten Grundannahmen des Kritischen Rationalismus:
Es gibt eine Welt "draußen", die in ihrer Existenz und in ihren Eigenschaften unabhängig von unserem Bewusstsein existiert. Rationalismus (ontologischer Realismus) gründet auf einer pragmatischen, metaphysischen (empirisch nicht überprüfbaren) jedoch kritisier- und falsifizierbaren Hypothese einer realen Welt.
In der Welt laufen alle Vorgänge nach Naturgesetzen ab; alles, was existiert, besteht aus natürlichen Bausteinen und Kräften (objektives Weltbild, keine subjektive Weltanschauung)!
Wie die Historie zeigt, sind empirische Methoden der Erkenntnisgewinnung über die reale Welt allein erfolgversprechend.
Das rationale (wissenschaftliche) Weltbild besitzt viele Lücken und Unsicherheiten, das Füllen dieser Lücken mit religiösen (oder esoterischen) vermeintlichen "Erkenntnissen" führt in Sackgassen und zu – wie die Geschichte zeigt – oftmals sehr tragischen Ergebnissen.
Falsifizierbarkeit und Kritisierbarkeit sind die besten Kriterien für Erkenntnisgewinn und Rationalität (Dogmatismus ist das Gegenteil). Es gibt keine absolute Gewissheit (keine Wissenschaftsgläubigkeit!); alle Erkenntnisse, Überzeugungen, Hypothesen müssen ständig auf Irrtümer überprüft und verbessert werden.
Theologie und Metaphysik verfügen nicht über bessere Erkenntnismethoden (mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen kann man Krankheiten heilen, Dinge bauen, bzw. bewerkstelligen, die in der Realität funktionieren, mit Theologie und Metaphysik kann man dies nicht).
Es gibt prinzipiell nichts Unerkennbares, trotzdem wird der Mensch nie alles erkennen können (das "jenseits unserer Erkenntnisfähigkeit" ist höchstwahrscheinlich unvorstellbar groß).
Die Frage nach der Ursache der Existenz der Welt ist unbeantwortbar (bzw. nur von "außen" beantwortbar, da "Welt" alles, was es gibt, umfasst).
Schlussfolgerungen
Wenn im Zusammenhang mit Naturwissenschaften von "Glaube" gesprochen wird, handelt es sich stets und ausschließlich um prinzipiell falsifizierbare Wahrscheinlichkeitsannahmen. Im Gegensatz dazu verkündet religiöser Glaube nicht falsifizierbare "Wahrheitsannahmen".
Naturwissenschaftler (ob atheistisch, oder nicht) wollen – im Gegensatz zu Religionen - keineswegs "auf die gesamte Weltdeutung schließen". Die Grenzen der Erkenntnisfähigkeit sind ihnen sehr wohl bewusst.
Wie Karl Popper immer wieder betonte, muss jede naturwissenschaftliche Erkenntnis prinzipiell falsifizierbar sein, um wissenschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen (womit naturwissenschaftlicher Weltdeutung – im Gegensatz zu religiöser - auch Grenzen gesetzt werden).
Aussagen, die ein Naturwissenschaftler über die Wirklichkeit macht, sind stets vorläufig und müssen mit der Möglichkeit rechnen, durch andere Aussagen, durch bessere Theorien widerlegt zu werden. Auf religiösem Glauben basierende Aussagen sind weder verifizier- noch falsifizier-bar!
Die Aussagen von Theologen (z.B. Hans Küng), dass religiöser Glaube und Naturwissenschaft gleichberechtigt sind und sich komplementär zueinander verhalten, sind nicht nachvollziehbar. Weder mit theologischer Weltdeutung noch bei der Beantwortung existenzieller Menschheitsfragen konnte - bzw. kann - religiöser Glaube inhaltlich relevante Antworten liefern. Naturwissenschaft versucht, den Erkenntnishorizont rational zu erweitern und den Bereich des Unerkennbaren (jenseits unserer Erkenntnisfähigkeit) nach und nach zu verkleinern (ohne Chance auf weit-gehende Auflösung). Wie die Menschheitsgeschichte und unsere Wissenshorizonte zeigen, sind Fragen, die von der Naturwissenschaft nicht einmal im Prinzip beantwortet werden können, auch der Theologie unzugänglich.
Die Annahme eines göttlichen Wesens, das mit dem Weltgeschehen nicht interagiert, ist bedeutungslos; die Annahme eines göttlichen Wesens, das mit dem Weltgeschehen (und den Menschen) interagiert, betritt zwangsläufig naturwissenschaftliches Terrain unter den Bedingungen Logik, Wahrscheinlichkeit und notwendiger Falsifizierbarkeit. Das jenseits unserer Erkenntnisfähigkeit Liegende mit (göttlichen) Annahmen zu füllen, widerspricht allen Grundsätzen von Logik und Wahrscheinlichkeit!
Aus der Tatsache, dass Religion und Wissenschaft ursprünglich auf Mythen gründen, kann keine Vergleichbarkeit oder gar Gleichwertigkeit abgeleitet werden. Im Unterschied zum religiösen Mythos, der aufzeigen will, was Menschen tun oder unterlassen sollen, wollen wissenschaftliche Erklärungen das Wie und Warum von Erscheinungen und Ereignissen ergründen. Heutige wissenschaftliche Fragestellungen und Methoden haben sich außerdem sehr weit von mythischen Annahmen oder Fragestellungen entfernt.
Zwar beruhen auch moderne naturwissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse (ontologischer, erkenntnistheoretischer und methodologischer Realismus, kritischer Rationalismus) auf der metaphysischen (pragmatischen) Grundannahme, dass es – im Gegensatz zu radikalem Konstruktivismus, der zu Solipsismus führt - eine Welt unabhängig von unserem Bewusstsein gibt. Diese pragmatisch metaphysische Grundannahme kann aber nicht mit außerweltlicher (religiöser, dogmatischer, unkritisierbarer) Metaphysik in einen Topf geworfen, oder gar gleichgestellt werden!
Erstveröffentlichung in der österr. Zeitschrift "freidenker" 4/2018
23 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Gerfried, ich halte Popper da für etwas 'outdated' bzw. inkonsequent, gerade weil er für den KR selber einen irrationalen Glauben an die Vernunft voraussetzte.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Karl Popper ist 25 Jahre tot und sv. haben sich seine Ideen weiterentwickelt, ich sehe aber nicht, wo sie im Hinblick auf den KR grundsätzlich überholt wären.
Dass Glaube an sicheres Wissen (Wahrheit) auch in der Wissenschaft weit verbreitet ist, ist leider wahr, kann aber Popper nicht angekreidet werden; er weist immer wieder darauf hin, dass alle Erkenntnisse der Wissenschaft immer nur vorläufig sind und es nur Wahrscheinlichkeiten sind, die (pragmatisch) für ihr Gültigkeit sprechen (oder auch nicht).
Hans Trutnau am Permanenter Link
Werde die Zitate bzgl. des irrationalen Glaubens an die Vernunft gelegentlich bei Musgrave und Albert heraussuchen...
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich würde nicht nochmals 'outdated' (i.S.v.
Zu der (m.E. schon ziemlich dramatischen!) Inkonsequenz zwei Zitate:
(1) "But this means that whoever adopts the rationalist attitude does so because he adopted ... an irrational _faith in reason_. [_kursiv_ im Original; d. Verf.] [..., Auslassung; d. Verf.] (1945, II: 230-1)" In: Musgrave, A. (1993) "Common Sense, Science and Scepticism", S. 295. - Musgrave zitiert hier Popper (1945) "The Open Society and Its Enemies", Bd. II.
(2) "Aber das bedeutet, daß ein Mensch, der die rationalistische Einstellung annimmt, so handelt, weil er ... einen irrationalen _Glauben an die Vernunft_ [akzeptiert hat]. [..., Auslassung; d. Verf.] (POPPER 1958: 283 f.)" In: Musgrave, A. (1993) "Alltagswissen, Wissenschaft und Skeptizismus", S. 302 (übersetzt von Hans und Gretl Albert). - Die Alberts zitieren hier offensichtlich die dt. Übersetzung von 1958 des Originals von Popper (1945); ausgerechnet die 1958er Ausgabe fehlt jedoch im Literaturverzeichnis der Alberts!
Alberts haben mir bei einem (denkwürdigen!) Besuch in ihrem Haus in Heidelberg ihre Musgrave-Übersetzung als "sehr gutes Buch" empfohlen* - was ich nur weitergeben kann; ich habe sehr viel daraus gelernt!
Aber die Inkonsequenz Poppers (KR vs. irrationaler Glaube) ist doch schon ziemlich auffällig.
* Ich werde den Verdacht nicht los, dass die Empfehlung eine Art des Winks mit dem Zaunpfahl war - und sei es nur, dass ich dies eines Tages schreiben würde...
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Interessante Hinweise und Zitate - Danke!
Hans Trutnau am Permanenter Link
Popper hat fraglos Enormes geleistet und angestoßen, ist aber auch von rationaler Seite nicht unwidersprochen geblieben.
Auf die Antwort von Salamun wäre ich gespannt.
Sven am Permanenter Link
Toller Artikel. Aber er stellt die idealisierte Form eines Naturwissenschaftlers dar. In der Praxis trifft man jedoch sehr häufig "Menschen".
Junius am Permanenter Link
Die Antwort auf diese Frage, ob „Wissenschaft auch nur eine Art von Glaube“ sei, hängt davon ab, was man unter Wissenschaft (oder besser Wissenschaften) versteht.
So kommt er von den Wissenschaften zum Kritischen Rationalismus, was aber keine Wissenschaft, sondern eine Philosophie ist. Er kritisiert Theologie und Metaphysik, behauptet dann aber, Wissenschaften beruhten auf „metaphysischen Grundannahmen“, die er allerdings „pragmatisch“ nennt, und damit von „religiöser, dogmatischer, unkritisierbarer“ Metaphysik abzugrenzen meint.
Das Dumme ist nur, daß solche metaphysische Grundannahmen („ontologischer Realismus“), wenn sie denn wirklich Grundlage der Wissenschaften sein sollten, ebenso „unkritisierbar“ sind.
Der Kritische Rationalismus von Karl Popper ist sicherlich ein faszinierendes Konstrukt, und die Forderung der Falsifizierbarkeit wissenschaftlicher Theorien ist sicherlich eine interessante Idee, aber der Kritische Rationalismus bleibt eine philosophische Idee, und damit kommen wir zu der entscheidenden Frage nach dem Verhältnis von Philosophie und Wissenschaft. Popper selbst hat das gesehen, als er einen anderen Philosophen zitierte:
„Das ummittelbar Erlebte ist subjektiv und absolut […] Die objektive Welt hingegen, welche die Naturwissenschaft rein herauszukristallisieren sucht, [..] ist notwendigerweise relativ […] Dieses Gegensatzpaar: subjektiv -absolut und objektiv - relativ scheint mir eine der fundamentalsten erkenntnistheoretischen Einsichten zu enthalten, die man aus der Naturforschung ablesen kann. Wer das Absolute will, muß die Subjektivität, die Ichbezogenheit, in Kauf nehmen; wen es zum Objektiven drängt, der kommt um das Relativitätsproblem nicht herum.“
(Hermann Weyl, Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft, 1966, S. 150f, zitiert bei Karl Raimund Popper, Logik der Forschung, Tübingen 1984, S. 75)
Popper selbst schreibt dazu:
„Das alte Wissenschaftsideal, das absolut gesicherte Wissen (episteme), hat sich als Idol erwiesen. Die Forderung der wissenschaftlichen Objektivität führt dazu, daß jeder wissenschaftliche Satz vorläufig ist. Er kann sich wohl bewähren - aber jede Bewährung ist relativ, eine Beziehung, eine Relation zu anderen, gleichfalls vorläufigen Sätzen. Nur in unseren subjektiven Überzeugungserlebnissen, in unserem Glauben können wir absolut sicher sein." (Popper a.a.O. S. 225)
Popper ging es nämlich gar nicht um Wissenschaften, wie sie sind, sondern um ein philosophisches Ideal. Ihm ging es nicht um wissenschaftliches Wissen, sondern um philosophische Erkenntnis, um subjektive Überzeugungen, um „Wahrheit“, und damit um einen Glauben. Wer behauptet, Wissenschaften beruhten, und wären nur gültig, auf der Grundlage irgendeiner Form von Metaphysik, und Ontologie (die „Lehre vom Seienden“) ist ein Metaphysik, die sich Fragen beschäftigt wie „Hat die Welt einen Anfang“ oder „Gibt es einen Gott“, der behauptet letztlich genau das, was er eigentlich zurückweisen will, nämlich daß die Wissenschaften auf Glauben beruhten, nur eben auf einem sehr viel „vernünftigeren“ Glauben, was aber leider nur die überzeugt, die es schon sind.
Um dagegen zu zeigen, daß Wissenschaften nicht „nur eine Art von Glauben“ sind, muß man sich vor allem klar machen, daß sie eben nicht auf einer bestimmten Philosophie beruhen, und ihr Ziel nicht Poppers „subjektive Überzeugungserlebnisse“, sondern realistische Modelle, die beschreiben, wie Tatsachenbeobachtungen nachprüfbar zusammenhängen. Grundlage der theoretisch-empirischen Wissenschaften (und nur über die reden wir hier) beruhen nicht auf einer bestimmten Weltanschauung (Newton war ein Anhänger der Alchemie), sondern schlicht auf dem Wechselspiel von Tatsachenbeobachtung und Theoriebildung.
Ja, es gibt Tatsachen, und wir können sie auf die eine oder andere Weise beobachten. Dazu brauchen wir gedankliche Werkzeuge, Theorien, um nachprüfbare Modelle von Zusammenhängen zwischen diesen Tatsachenbeobachtungen herzustellen. Deshalb gehört beides untrennbar zusammen, Tatsachenbeobachtung und Modellbildung. Ohne Tatsachen keine realistischen Modelle, ohne Modelle keine realistischen Beobachtungen. Es ist ein wechselseitiger Prozeß, ohne bestimmbaren Anfang oder Ende, und auch nur als Prozeßmodell, als vierdimensionales Modell zu verstehen.
Mit Metaphysik hat das alles nichts zu tun, und auch nicht mit einer Weltanschauung. Der Begriff einer „wissenschaftlichen Weltanschauung“ ist einfach ein Widerspruch in sich. Weltanschauungen, egal ob im Bereich der Religion oder Philosophie, suchen nach Gewißheit, Poppers „subjektiven Überzeugungserlebnissen“. Wissenschaften suchen nach empirisch nachprüfbaren Modellen von Zusammenhängen. Und in dem Sinne haben Wissenschaften wirklich nichts mit Glauben zu tun, und zwar mit keiner Art von Glauben, weder religiösen noch philosophischen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Empfehle bzgl. Ontologie / Metaphysik wiederholt Bunge & Mahner (2004) "Über die Natur der Dinge" oder, weniger formal, Mahner (2018) "Naturalismus".
Junius am Permanenter Link
Ontologie ist ein Begriff aus der "theoretischen Philosophie", und beschäftigt sich mit den "Grundstrukturen des Seienden" (als wenn es so etwas gäbe), auch "allgemeine Metaphysik" genann
Kurz, Ontologie, wie Metaphysik allgemein, ist Glaubenssache, die schon innerhalb der Philosophie zu nichts geführt hat, und außerhalb keinen Sinn macht. Als Grundlage der Wissenschaften ist sie weder hilfreich noch notwendig.
Was dagegen aus meiner Sicht notwendig ist, ist eine klarere Unterscheidung zwischen theoretisch-empirischen Wissenschaften auf der einen und Philosophie auf der anderen Seite - und von beiden zu den Religionen, wenn man schon mal dabei ist.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich habe selten etwas Überheblicheres gelesen als die ersten beiden Absätze.
Zum letzten Absatz - ja klar, mach mal eben. Ich wette, das wird nix Halbes; was Ganzes schon gar nicht.
Thomas R. am Permanenter Link
"Ontologie ist ein Begriff aus der "theoretischen Philosophie", und beschäftigt sich mit den "Grundstrukturen des Seienden" (als wenn es so etwas gäbe), auch "allgemeine Metaphysik"
-
Quatsch! Obwohl Sie schon hier (https://hpd.de/artikel/wissenschaft-und-uebernatuerliche-16635) Ihre bleierne Ignoranz eindrucksvoll belegt haben, mache ich mir mal die Mühe, einen längeren Abschnitt aus Bunge & Mahner (2004) zu zitieren:
"Eine moderne Ontologie sollte sich [...] weniger an der Alltagssprache als an den modernen Wirklichkeitswissenschaften orientieren [...]. Eine solche wissenschaftsorientierte Ontologie behandelt dann diejenigen Probleme, die von den Einzelwissenschaften nicht gelöst werden können bzw. die über sie hinausreichen, und sie analysiert die Begriffe und Prinzipien, welche von den Einzelwissenschaften in ihrer theoretischen Arbeit vorausgesetzt und daher nicht von ihnen selbst behandelt werden können. So ist es z.B. Aufgabe der Einzelwissenschaften, die Welt zu erforschen und herauszufinden, welche Dinge real existieren.
Die Einzelwissenschaften sagen uns aber nicht, was überhaupt unter einem realen Gegenstand zu verstehen ist bzw. was Realität ist. Auch können die Wissenschaften letztlich nicht beweisen, dass es eine reale Welt gibt, sondern müssen dies in ihrer Arbeit voraussetzen. Die Ontologie versucht also so allgemeine Fragen zu beantworten wie: Was ist Materie? Was ist ein Ereignis? Was ist Raumzeit? Gibt es emergente Eigenschaften? Sind alle Ereignisse gesetzmäßig? Was macht ein Objekt zu einem realen Gegenstand? Wie und wo existieren abstrakte Objekte? Was ist eine Ursache? Gibt es Finalursachen? Ist Zufall real?
Wie schon Peirce (1892) verstehen wir damit unter Ontologie allgemeine Wissenschaft, d.h. diejenige Wissenschaft, die sich mit der gesamten Realität beschäftigt, mit den allgemeinsten Eigenschaften des Seins und Werdens. Wenn Ontologie allgemeine Wissenschaft ist, dann können die spezifischen Einzelwissenschaften, die sich mit realen Dingen beschäftigen, als spezielle Metaphysiken oder regionale Ontologien betrachtet werden. Sowohl die Einzelwissenschaften als auch die Ontologie fragen nach der Natur der Dinge. Doch während die Einzelwissenschaften dies im Detail tun und empirisch prüfbare Theorien hervorbringen, ist die Ontologie extrem allgemein und kann nur durch ihre Übereinstimmung mit den Einzelwissenschaften geprüft werden. Hiermit wird deutlich, dass es keine Trennlinie, geschweige denn einen Abgrund zwischen Wirklichkeitswissenschaft und Ontologie gibt. Tatsächlich sind einige der interessantesten wissenschaftlichen Fragen zugleich ontologische, wie "Was ist Leben?" oder "Was ist Geist"?"
-
"Kurz, Ontologie, wie Metaphysik allgemein, ist Glaubenssache, die schon innerhalb der Philosophie zu nichts geführt hat, und außerhalb keinen Sinn macht. Als Grundlage der Wissenschaften ist sie weder hilfreich noch notwendig."
-
Studieren Sie die von Herrn Trutnau empfohlenen Bücher, denn solange Sie die Bungesche Philosophie nicht kennen, wird Ihr Urteil über "die" Ontologie/Metaphysik ebenso falsch wie substanzlos bleiben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Studieren Sie die von Herrn Trutnau empfohlenen Bücher" - danke für die Empfehlung.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Zustimmung zu vielen Punkten, Ergänzung in einem:
Junius am Permanenter Link
Das Problem mit dem kritischen Rationalismus als Wissenschaftstheorie ist erstens, daß es eben eine philosophische Wissenschaftstheorie ist, also nicht beschreibt, wie theoretisch-empirische Wissenschaften wirklich fu
Zweitens hatten und haben die einzelnen Wissenschaftler ganz unterschiedliche metaphysische Überzeugungen, die aber nicht entscheidend sind für ihre jeweilige wissenschaftliche Leistung (obwohl sie natürlich hilfreich sein können oder auch hinderlich). Entscheidend ist, daß ihre Ergebnisse nachprüfbar funktionieren, ganz egal, auf welcher Metaphysik sie „beruhen“ mögen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse beruhen nicht auf Metaphysik, sondern auf dem wissenschaftlichen Wissen bzw. Nichtwissen, das schon da ist. Das ist der Ausgangspunkt jeder individuellen wissenschaftlichen Arbeit, nicht irgendeine Metaphysik.
Wie ich schon geschrieben habe: eine klarere Unterscheidung zwischen Philosophie und Wissenschaft wäre aus meiner Sicht hilfreich.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Ad 1.: Popper lehnte nicht "jede Form von induktiven Verfahren" ab, sondern räumte ein, dass bei der Entstehung von Erkenntnissen auch induktive Denkschritte mit im Spiel sein können (Kurt Salamun "Ein
Ad 2.: Stimme voll zu, Metaphysik sollte im nawi Diskurs möglichst nur als Grundannahme, dass es eine Welt unabhängig von unserem Bewusstsein gibt, eine Rolle spielen.
Ad 3.: Wie würde Ihre "klarere" Unterscheidung zwischen Philosophie und Naturwissenschaft aussehen? Ich meine, anhand meiner sehr kurzgefassten Darstellung die wichtigsten Punkte berücksichtigt zu haben. Oder?
Thomas R. am Permanenter Link
Leider irrt sich Herr Pongratz nur auf andere Weise als die Theos. Es gibt kein Glauben ohne ein geglaubtes Etwas. Dieses Etwas sind Aussagen, die man natürlich wissen muß, bevor man sie glauben kann.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Ich habe nicht Wissen als Gegenteil von Glauben definiert, sondern bin der öfters zu hörenden, bzw. zu lesenden Ansicht entgegen getreten, dass Wissenschaft (spez.
Thomas R. am Permanenter Link
Religiöses und wissenschaftliches Glauben sind tatsächlich insofern "das Gleiche", als sie im für-wahr-, bzw. für-falsch-Halten von Aussagen bestehen.
Gerfried Pongratz am Permanenter Link
Wissenschaftliches "Glauben" im Sinne von "für-wahr-halten" sollte es nicht geben, sondern nur, wie ich ausgeführt habe, ein "für-wahrscheinlich-halten" - großer Unterschied.
Thomas R. am Permanenter Link
Kommt darauf an, welchen Wahrheits-, bzw. Wahrscheinlichkeitsbegriff man hat.
Kay Krause am Permanenter Link
Dass kirchentreue Mitbürger (bis hinauf in Wissenschaftskreise, was dieser Artikel belegt), so denken und argumentieren, liegt alleine schon darin begründet, dass wir in unserer ansonsten meist sehr klar differenziere
Als praktizierender Atheist höre ich in Diskussionen immer wieder: "Du glaubst doch auch an irgend etwas?!" oder die noch dummere Bemerkung:" Atheistmus ist doch letztlich auch eine Art von Religion!"
Um diesen überflüssigen Mißverständnissen zu entgehen, habe ich mir angewöhnt, in solchen Gesprächen immer wieder auf den "religiösen Glauben" zu pochen und diesen zubetonen!
Wehhofer, Josef am Permanenter Link
Ihr letzter Satz hat mich inspiriert, Missverständlichkeiten in meinen Dokumenten auszuräumen:
Glaube versetzt Berge
(; auch nichtreligiöser Glaube verstetzt Berge (Glaubulis); jeder Irrglaube wirkt.)
Und aus Religion jeglicher Art folgen Leitsätze
(. Sind sie notwendig, um den Placeboeffekt vorteilhaft zu nutzen? Er ist immerhin weit größer als 0)
Es ist gut, normal und besser, vieles nicht zu wissen,
sondern lieber entsprechend Leitsätzen zu handeln.
Menschen leben nach ihren Leitsätzen.
Zeitgemäße wissenschaftliche Erkenntnisse
(, am Besten neuzeitlich nachvollziehbar, denn sie können vielerorts gewonnen werden, )
erzeugen bessere Leitsätze.