Interview

Zeitreise zu Jesus

Anfang des Jahres erschien im Alibri-Verlag Joachim Sohns Buch "Wie ich Jesus Star Wars zeigte". Teresa Hofmann führte für den hpd mit dem Autor ein Interview über das Buch.

hpd: Joachim, du kommst ja aus dem Fantasy-Genre und hast schon mehrere Bücher geschrieben. Wie kommt es, dass ein Star Wars-Fan einen religionskritischen Roman schreibt?

Eigentlich sind fast alle Texte, die ich bisher geschrieben habe, religionskritisch. Der rote Faden, der sich sowohl durch meine Romane und Novellen als auch eine Reihe Kurzgeschichten zieht, ist das willkürliche Verhältnis der Weltkonstruktion, in das man hineingeboren wird.

Genau dieser Gedanke ist auch der Ansatz von "Wie ich Jesus Star Wars zeigte". Es wird eine neue Welt als wahr konstruiert und für die Verkündung dieser Wahrheit braucht es einen glaubwürdigen und überzeugten Boten.

In so einer Welt gibt es stets diejenigen, die sie konstruieren, diejenigen, die willfährig an sie glauben, diejenigen, die sich ihr anbiedern und für ihre Vorteile nutzen, und diejenigen, die unter ihr leiden und zum Opfer werden. In der Regel sind die letztgenannten die Helden meiner Geschichten. Dass diese in einer fantastischen Welt angesiedelt sind, in der Zeitreisen möglich sind und Katzen Detektive sein können soll die Absurdität der Dinge, an die Menschen glauben, überspitzt darstellen.

Zum Thema "Zeitreisen zu Jesus" gibt es heutzutage ja schon einige Romane, doch ein religionskritischer Star-Wars-Zeitreiseroman ist etwas Neues. Was bringt deinen Protagonisten Florian dazu, Jesus Star Wars zeigen zu wollen?

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Es geht ihm genau darum, zu beweisen, dass die Geschichten, die unsere Eltern uns erzählen, austauschbar sind. Wenn meine Eltern mir erzählt hätten, dass nicht der Nikolaus am 6. Dezember kommt, sondern Gandalf und dass nicht die Engel die Plätzchen backen, sondern die Hobbits, dann hätte ich es auch geglaubt und vielleicht sogar noch besser gefunden. (lacht)

Genau an der Stelle werden aber auch die Grundsteine für das gelegt, was wir für richtig und falsch erachten, was für uns Gut und Böse ist bzw. wer für uns die Guten und die Bösen sind.

Letzten Endes geht es immer um die Welt, in der man aufgewachsen ist und von der man weiß. Wovon man nichts weiß, weiß man eben nichts. Diese Welt und deren Gesetze hält der Mensch in der Regel für wahr. Stellen wir uns also vor, unser Protagonist Florian hat alles erreicht wie geplant, die Botschaft Yodas wurde verkündet und hat sich durchgesetzt, und die Oma erzählt den Enkeln von Luke und Leia aus den Sternen und dem Kampf zwischen dem Licht und der Dunkelheit, von der Bedrohung der dunklen Seite, von der Verführung Anakins durch den dunklen Sith-Lord und vom Kampf der Rebellen für das Gute und schließlich deren Sieg. Welchen Grund sollte es für die Enkel geben, nicht daran zu glauben? Und wenn man diesen Kindern dann etwas von Jesus und dem lieben Gott erzählt, halten sie dich doch für einen Ketzer, einen Phantasten und Spinner und fragen sich, wie du auf solche verrückten Ideen kommst.

Es kann natürlich sein, dass etwa 1100 Jahre später ein Filmemacher daher kommt und sich die Geschichte eines jungen Wanderpredigers ausdenkt, und … na ja, ihr wisst schon was ich meine.

Wie kommt ein Skeptiker wie Florian dazu, die Existenz Jesu’ als gegeben vorauszusetzen?

Das ist eine gute Frage, die ich mir auch selbst gestellt habe. Dabei kam ich zu dem Schluss, dass Florian in dieser Beziehung wohl etwas naiv sein muss. Aber was bleibt ihm auch anderes übrig? Angenommen, es gäbe keinen Jesus und er ist bloß reine Erfindung späterer Christen wie Paulus, die sich für die Durchsetzung ihres Glaubens einen Strohmann geschaffen haben, dann wäre Florian nichts anderes übrig geblieben, als unverrichteter Dinge wieder zurück zu reisen. Ärgerlich, aber nicht zu ändern. Schade für die Leser, Buch zu Ende. Aber das ging natürlich nicht. Um meine Geschichte erzählen zu können, sollte er also davon ausgehen, dass es zumindest einen historischen Jesus gegeben haben muss. Wen auch immer er dort antreffen würde und wie auch immer diese Person war, ihn musste er dazu bringen, seinen mitgebrachten Jediglauben anzunehmen und weiter zu verbreiten. Das war sein Plan und seine Motivation. Er geht auch nicht davon aus, dass es einen biblischen Jesus gibt. Er hofft auf einen Wanderprediger, der einen gewissen Geltungsdrang hat, aber der noch unfertig ist. Und siehe da, er hatte Glück!

Vor seinem Zeitsprung bereitet sich Florian akribisch auf die Reise vor, lernt Aramäisch und Latein und beschäftigt sich mit dem Alltagsleben der damaligen Zeit, um nicht aufzufallen. Das klingt nach einer aufwändigen Recherche historischer Fakten.

Ja, die Recherche hat einen Großteil meiner Arbeit an dem Buch ausgemacht. Ich wollte die Geschichte so authentisch wie möglich darstellen, ich wollte, dass die Leser das Gefühl haben, dabei zu sein. Alles sollte stimmen, zumindest gefühlt, so dass der Leser nicht nur eine Zeitreisegeschichte liest, sondern selbst eine erlebt. Es war mir wichtig, Dinge auszulassen, die es zu der Zeit noch nicht gab, vor allem sprachlich. Als Philologe stört es mich natürlich gewaltig, wenn in einem fiktiven historischen Text Begriffe und Dinge auftauchen, die es in der beschriebenen Zeit noch nicht gab. Und dabei meine ich natürlich nicht die offensichtlichen wie einen elektrischen Rasierer. Den Begriff Vegetarier gab es damals aber beispielsweise noch nicht, er musste umschrieben werden.

Auf der anderen Seite war ich überrascht zu sehen, was es auch vor 2000 Jahren bereits alles gab und womit sich die Menschen ihren Alltag erleichtert haben.

Außerdem konnte mir ein Kollege, der häufig Israel bereist, viel über das aktuelle Land erzählen. Mir ging es dabei hauptsächlich um die Beschreibungen der Landschaft und der Städte. Um aber ein Gefühl für die Vergangenheit zu bekommen, bin ich nach Xanten zum römischen Handwerksfest und Schwerter, Brot und Spiele gefahren und habe dort den Reenactment-Künstlern, die sich sehr intensiv mit der Zeit beschäftigen und ausschließlich mit Werkzeugen und Materialien der Zeit arbeiten, Löcher in den Bauch gefragt, zu Kleidung, Stoffen, Werkzeugen, aber auch medizinischen Geräten oder ganz alltäglichen Dingen.

Es fällt auf, dass Florian in einigen Situationen nicht sehr sympathisch zu sein scheint, vielmehr ist er für einen Protagonisten ein eher unangenehmer Charakter. War das Absicht?

Zunächst muss man ja davon ausgehen, dass Florian die Geschichte – als Ich-Erzähler – aus seiner Sicht erzählt, somit legt er den Schwerpunkt auf das, was ihm wichtig ist: sein Ziel zu erreichen. Dabei wird er zunehmend fanatischer und rücksichtsloser. Florian verhält sich wie eine Art Breivik, der meint, er müsse die Welt retten. Er wächst zunehmend in diese Rolle rein, ohne es selbst zu merken und der Leser folgt ihm, identifiziert sich mit ihm, eifert mit ihm und muss dann bitter feststellen, wozu dieses Ich bereit sein kann und wie es seiner Idee, Ideologien zu bekämpfen, immer mehr verfällt. Das soll nicht bedeuten, dass Ideologien nicht bekämpft werden sollten, man sollte es nur nicht auf fanatischem Wege tun. Florian aber muss ja dafür sorgen, dass sich seine Religion auch bis zu seiner Rückkehr in die Zukunft durchgesetzt hat und die Geschichte zeigt ihm, dass das im Falle des Christentums zum Beispiel nichts mit Nächstenliebe zu tun hatte. Und auch die Jedi nutzen ihr Lichtschwert, um für die helle Seite der Macht, die aus ihrer Sicht dunkle Seite zu bekämpfen. Der Leser glaubt sich automatisch auf der Seite des Guten, aber je nach Perspektive können Gut und Böse natürlich austauschbar sein. Die Saudis halten sich auch für die Guten.

Florian muss also dafür sorgen, dass Jesus seinen Job macht. Er trifft aber auf einen Jesus, der unsicher ist und sich nach Anerkennung sehnt. Das ist auf der einen Seite gut, da er ihn so, ähnlich wie Anakin, für die Macht begeistern kann, auf der anderen Seite muss Jesus für den Kampf vorbereitet werden, um aus der Jedireligion eine Weltreligion zu machen. Er muss also bereit sein, das Schwert zu führen und darf mit den Gegnern keine Gnade zu kennen. Das ist dann eben nicht immer lustig. Aber das Buch ist auch nicht als Komödie gedacht, eher als Tragikomödie.

Was muss man tun, um sich einmal persönlich mit dir über deine Bücher zu unterhalten?

So ganz persönlich, also von Angesicht zu Angesicht, ist es wohl am besten auf Buchmessen in Leipzig und Frankfurt oder den zahlreihen Conventions, auf denen ich vertreten bin, sei es in meiner Heimatstadt auf der Comic- und Manga Convention in Oberhausen, auf der Power of the Force, der Filmbörse oder auf Conventions in Düsseldorf, Münster oder Osnabrück. Wo ich konkret anzutreffen bin, kommuniziere ich über meine Facebook-Autorenseite. Dort kann man auch – in dringenden Fällen – direkt mit mir kommunizieren. Ebenso wie über meine Homepage und der dort angegebenen E-Mail-Adresse. Mit anderen Worten, wenn’s mit Fragen pressiert, bin ich über alle Kanäle, auch über Twitter und Instagram zu erreichen.

Joachim Sohn, Wie ich Jesus Star Wars zeigte, Aschaffenburg 2019 (Alibri Verlag), 224 S., ISBN 978-3-86569-296-2, 15,00 Euro