Im Sindelfinger Wald soll eine Autobahnkirche gebaut werden

Wenn die Kirche zu viel Geld hat

Es muss davon ausgegangen werden, so der Freiburger Volkswirt Fabian Peters auf der Evangelischen Landessynode in Württemberg, dass der Mitgliederschwund der Landeskirche weiterhin anhält. Er geht davon aus, dass von den momentan noch rund zwei Millionen Mitgliedern im Jahr 2060 nur eine Million übrig sein würden. Doch im Moment sprudeln noch die Kassen. Martin Kastrup sagte am Freitag vor dem Kirchenparlament "wir seien in tollen Zeiten und hätten superviel Geld".

In der Stuttgarter Zeitung vom 6. Juli 2019 heißt es dazu: "… aktuell liegen die Kirchensteuereinnahmen gegenüber dem vergangenen Jahr um 3,8 Prozent im Plus. Vermutlich wird dieses Jahr mehr Geld hereinkommen, als die ursprünglich erwarteten 770 Millionen Euro." Und dieses Geld soll – bevor die Zeiten sich ändern – verbraten werden.

So soll unter anderem auch die Autobahnkapelle im Sindelfinger Wald finanziert werden. Gegen diesen "Schildbürgerstreich" wehrt sich unter anderem auch Werner Koch mit einem Brief an die Redaktion der Stuttgarter Zeitung. Koch hat bereits im April 2016 für den hpd über die geplante Autobahnkirche geschrieben. Er wies damals bereits darauf hin, dass "sollten öffentliche Gelder von Kommunen, vom Landkreis oder vom Land Baden-Württemberg für christliche Autobahnkirchen eingesetzt werden", dies "eine verfassungswidrige Subvention für ein christliches Projekt" sei.

In seinem Brief an die Stuttgarter Zeitung schreibt Koch: "In Europa, wahrscheinlich weltweit, gibt es 48 Autobahnkirchen, davon eine in der Schweiz, eine in Italien, zwei in Österreich und 44 in Deutschland. Die 45. ist im Sindelfinger Wald geplant." Er fährt fort: "Dieses Projekt passt überhaupt nicht in die Zeit. Viele Kirchen sind schlecht besucht; Pfarrstellen müssen eingespart werden, Kirchen werden geschlossen – und jetzt plant man eine weitere Autobahnkirche. Für dieses Projekt kann man vermutlich nicht einmal die Kirchenmitglieder begeistern."

Seine Ablehnung des Projekts begründet er nicht allein mit dem Schwund an Kirchenmitgliedern und der sinnlosen Geldverschwendung. Er hält den Bau der Autobahnkapelle auch für klimaschädlich: "Das fängt damit an, dass Wald gerodet werden muss und setzt sich fort durch den Betrieb einer weitgehend leerstehenden Kapelle."

Die jährlichen Unterhaltskosten der Kapelle werden mit 30.000 Euro hochgerechnet; die Baukosten sollen bei rund 2,5 Mio. Euro liegen. "Dieses Geld könnte man für die Mitglieder der Kirche sinnvoller ausgeben", schreibt Koch, "aus Bürgersicht sind die eingesetzten Kirchensteuermittel und die einzuwerbenden Spenden ein Verlustgeschäft für die Gesellschaft, weil der Staat durch diese Gelder wegen Sonderausgabenabzug und Spendenbescheinigungen weniger Steuereinnahmen hat."

Anstelle den Bau der Autobahnkapelle zu unterstützen, müsse das Land Anstrengungen unternehmen, den seit 100 Jahren geltenden Verfassungsauftrag der Ablösung von Staatsleitungen zu entsprechen. "Die Ablösung der Staatsleistungen zu verschleppen heißt, dass die Regierungen seit nunmehr 70 Jahren (GG) bzw. seit 100 Jahren (WRV) es nicht in Angriff nehmen, den Kirchen etwas wegzunehmen, das längst nicht mehr gerechtfertigt ist. Das ist Missachtung der Verfassung, also Verfassungsbruch."

Die Staatsleistungen belaufen sich im Jahr 2019 auf 549 Millionen Euro. Das Bundesland Baden-Württemberg zahlt dabei mit 125 Millionen Euro den "Löwenanteil".

Die Befürworter von Autobahnkirchen betonen gern, dass es ein Bedürfnis für Autobahnkirchen gebe. Das muss jedoch stark angezweifelt werden. Es ist sogar davon auszugehen, dass die angegebenen Besucherzahlen der 44 Autobahnkirchen von einer Million im Jahr für nicht glaubwürdig gelten dürften. "Wenn die Autobahnkirche in Adelsried und die Autobahnkirche Baden-Baden als Spitzenreiter tatsächlich schätzungsweise ca. 300.000 Besucher pro Jahr anziehen, haben die restlichen 44 Autobahnkirchen durchschnittlich 26 Besucher pro Tag bzw. 2 Besucher pro Stunde."