FRANKFURT/M. (hpd/gbs) Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer, will mit aller Macht verhindern, dass deutsche Ärzte ihre Patienten beim Freitod begleiten. Als er im Dezember gefragt wurde, wer schwerstleidenden, sterbewilligen Menschen denn sonst helfen solle, war seine Antwort: "Lassen Sie das doch den Klempner machen!". Sollten die Delegierten des Deutschen Ärztetags den drastischen Ausspruch ihres Präsidenten damals nicht vernommen haben, wurden sie heute durch eine provokante Kunstaktion daran erinnert.
Eine überlebensgroße Skulptur mit dem Titel "Der Sterbe-Klempner" erwartete die Mediziner bei der feierlichen Eröffnung des Ärztetags vor der Frankfurter Paulskirche. Sie zeigt Frank Ulrich Montgomery mit verschränkten Armen hinter dem Bett eines verblichenen Patienten. Ein Pümpel – oder wie es in der Sanitär-Fachsprache heißt: eine WC-Saugglocke – auf dem Gesicht des Toten verrät, dass er dem Rat des Ärztepräsidenten gefolgt ist und die Hilfe eines Klempners in Anspruch genommen hat.
"Wir haben lange überlegt, ob man das ernste Thema Sterbehilfe in dieser satirischen Form angehen sollte, uns aber letztlich dafür entschieden, weil man nur so die Ungeheuerlichkeit verdeutlichen kann, die sich hinter Montgomerys Aussage verbirgt", erklärte der Philosoph Michael Schmidt-Salomon, der als Vorstandsprecher der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) für die Kunstaktion verantwortlich zeichnet.
"Wer meint, unsere Skulptur sei zynisch und makaber, der verkennt, dass sie nur zum Ausdruck bringt, welch zynisch-makabere Position der amtierende Ärztekammerpräsident vertritt. Was Frank Ulrich Montgomery am 12. Dezember im Haus der Bundespressekonferenz sagte, zeugt nicht nur von mangelndem Mitgefühl und Respekt gegenüber den Patienten, sondern auch von fehlender Professionalität und Weitsicht. Denn wenn Ärzte, die dank ihrer Ausbildung den letzten Wunsch sterbewilliger Patienten am ehesten erfüllen können, diese Aufgabe nicht wahrnehmen dürfen, werden Menschen einspringen, die die erforderlichen Kenntnisse nicht besitzen. Was das bedeutet, zeigt ‚Der Sterbe-Klempner‘ in plastischer Weise auf."
Dass der 118. Deutsche Ärztetag mit einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche beginnt, dem Ort, an dem das erste demokratische Parlament Deutschlands tagte, sei ein zusätzlicher Anreiz gewesen, die Kunstaktion durchzuführen, sagte Schmidt-Salomon. Denn die jetzige Führung der Bundesärztekammer schenke den Prinzipien der Demokratie kaum Beachtung: "Montgomery schert sich offenbar keinen Deut darum, dass 80 Prozent der Deutschen für eine Liberalisierung der Sterbehilfe eintreten und auch viele Ärzte davon überzeugt sind, dass sie ihre Patienten in der allergrößten Not nicht im Stich lassen dürfen. Der amtierende Ärztepräsident hat nahezu im Alleingang das ärztliche Standesrecht verschärft, aber ich bin sicher, dass viele Medizinerinnen und Mediziner diese Bevormundung nicht länger hinnehmen werden."
Schmidt-Salomon verwies in diesem Zusammenhang auf einen Offenen Brief, den 180 deutsche Ärztinnen und Ärzte am Montag in der "ÄrzteZeitung" veröffentlichten. Die Mediziner hatten in ihrem Schreiben von der Bundesärztekammer gefordert, sich vom "autokratischen Führungsstil der letzten Jahre" zu verabschieden, und dabei auch Montgomerys Äußerung, Suizidbegleitungen könnten von "Klempnern" durchgeführt werden, scharf kritisiert.
Die Skulptur "Der Sterbe-Klempner" wird in Frankfurt noch bis zum Ende des Ärztetags, vornehmlich in der Nähe der Frankfurter Messe, zu sehen sein. Vertreterinnen und Vertreter der Giordano-Bruno- Stiftung (gbs) werden dort auch Materialien der Kampagne Mein Ende gehört mir! – Für das Recht auf Letzte Hilfe verteilen, die die GBS im vergangenen Herbst in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) ins Leben rief. Die Passanten in Frankfurt werden zudem noch ein besonderes Gimmick erhalten: eine "Sterbe-Klempner"-Postkarte, die speziell für die Aktion zum Deutschen Ärztetag produziert wurde.
Die Idee zur Kunstaktion "Sterbehilfe à la Montgomery" sei im Dezember 2014, kurz nach den Äußerungen des Ärztepräsidenten im Haus der Bundespressekonferenz entstanden, sagte Schmidt- Salomon. Entworfen und gebaut hat die Skulptur der Düsseldorfer Künstler Jacques Tilly, der unter anderem für seine provokativen, politischen Karnevalswagen bekannt ist. Finanziert wurde die Aktion mit Mitteln der Giordano-Bruno-Stiftung, unterstützt vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) sowie der Lebens- und Sterbehilfeorganisation Dignitas.
10 Kommentare
Kommentare
Oskar Degen am Permanenter Link
Stehe voll hinter der Begründung von Schmidt-Salomon und der Aktion.
Lediglich an der für meine Begriffe etwas flapsigen Formulierung
René am Permanenter Link
Ich finde die Formulierung nicht flappsig.
Oskar Degen am Permanenter Link
Der Duden gibt Ihnen recht, was die Bedeutung von "flapsig" angeht, nicht aber was die Rechtschreibung angeht :-).
René am Permanenter Link
Ja, genau. Er gibt mir "Recht". Danke für den scharfsinnigen Hinweis, Oskar. ;o)
Helmut Debelius am Permanenter Link
Dieser Montgomery ist an Selbstgefälligkeit nicht zu überbieten, wie seine
Olaf Sander am Permanenter Link
Wenn man sich den Montgomery bei dem Interview so ansieht, dann bestätigt er ungewollt den Vorwurf der 180 Ärzte in ihrem offenen Brief.
Aber egal. Genau dieses Verhalten, genau diese Art, empört mehr und mehr Menschen. Und unter denen sind auch viele Ärzte.
Die Welle wächst. Und irgendwann nimmt sie ihn mit. Ich, der sich gerade in der blühenden Mitte des Lebens durch selbiges schlägt, bin guter Hoffnung, dass ich in 30 oder 40 Jahren von meinem Recht auf ein selbstbestimmtes Ende unter der Zuhilfenahme eines Arztes Gebrauch machen kann.
Weder Dr. Arnold noch Montgomery wird es dann noch geben. Aber an den Einen werde ich in meinen letzten Stunden in Dankbarkeit denken - und den Anderen vergessen haben.
P.S. Promotion für's Buch...? http://likegif.com/wp-content/uploads/2012/10/facepalm-gif-31.gif
Hans Trutnau am Permanenter Link
Helmut, Du meinst das Buch "Letzte Hilfe", denke ich.
Müsste viel weiter verbreitet werden.
Stefan Dewald am Permanenter Link
Ein kleiner Querverweis an dieser Stelle: http://hpd.de/node/13184
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Fehlendes Mitgefühl... fehlende Professionalität... Sagen wir doch wie es ist: Menschenverachtung. Als Papst wärs ja noch gegangen... aber als Ärztepräsident? Ich könnte sagen: Pfui T... .
Der Schulterschluss in der Sache ist allerdings wichtig. Man stelle sich die Position von Hermann Gröhe vor, wenn die organisierte Ärzteschaft umschwenken würde.
L. am Permanenter Link
Ich möchte nicht Gott spielen müssen und einen mir weitgehend fremden Menschen töten oder dabei helfen. Auch dieser psychischen Belastung setzte ich mich ungern aus. Und der Auseinandersetzung mit Angehörigen etc.