Kommentar

Die Krise des Liberalismus

Freiheit ist gut. Doch ist es auch gut, wenn die persönlichen Freiheiten der heutigen Generation die Freiheiten künftiger Generationen massiv gefährden? hpd-Kommentator Constantin Huber, selbst sozialliberal, übt Selbstkritik und plädiert gegen ein Liberalismusverständnis, das uns einredet, es müsse nicht deutlich mehr in puncto Klimaschutz getan werden.

Selbst einige glühende Verfechter des offenen, liberalen Weltbildes verstehen sich neuerdings gut mit den Konservativen und Rechtspopulisten, wenn es etwa um Themen wie den Klimaschutz geht. An die Stelle, an der sonst die Abgrenzung durch rationale Argumentation und aufrichtiges Einfühlungsvermögen stattfindet, rückt der Schulterschluss gegen den gemeinsamen vermeintlichen Feind: die Klimaschutzbewegung mit ihren Verboten und Pflichten. Konsens herrscht sodann darüber, dass enthusiastische und emotionale Reden doch viel zu hysterisch seien und nicht ernst genommen werden können.

Dass seit Jahrzehnten geflissentlich die nüchtern-rationalen Warnungen der Wissenschaftler gekonnt unter den Teppich gekehrt werden, möchte man sich dabei nicht eingestehen. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass auch Fakten gelegentlich in einfachen und bei Bedarf auch emotionalen Worten aufbereitet werden können und auch sollten, sofern einem daran gelegen ist, dass sie eine breite Masse verstehen und verinnerlichen. Das lehrt uns die Wissenschaftskommunikation mit einer Fülle von Publikationen.

Dass einem die wissenschaftlichen Fakten nicht schmecken – völlig gleich, wie sie vorgetragen werden –, ändert an den Fakten reichlich wenig. Mit dem aktuellen Kurs des jährlich noch immer ansteigenden CO2-Ausstoßes steuern wir auf die Drei-Grad-Erhöhung zu und damit – da sind sich alle einschlägigen Wissenschaftsinstitute einig – auf eine Katastrophe mit irreversiblen Schäden. Irreversibel bedeutet übrigens, dass sie unter keinen Umständen und mit keiner Technologie der Welt wieder rückgängig gemacht werden können.

Was demnach also nicht passieren sollte, ist, dass wir (vermeintlich) aufgeklärten Menschen das Liberalismusverständnis derart verdrehen, dass wir uns einreden, es müsse nicht deutlich mehr in puncto Klimaschutz getan werden. Ein lockeres Zurücklehnen oder gar Relativieren des Klimawandels ist ebenso verwerflich und lähmend wie die Leugnung des Klimawandels. Selbiges gilt für die Diskreditierung der Klimaschützer*innen wie etwa jenen im Umkreis der "Fridays For Future"-Bewegung, die hauptsächlich auf die Einhaltung der beschlossenen Ziele (1,5 Grad Celsius bzw. deutlich unter 2 Grad Celsius) und das Hören auf die Wissenschaft pochen.

Auch Verbote und Pflichten, gemeinhin auch als "Gesetze" bekannt, sind nicht des Teufels. Sie können notwendig werden, um die beschlossenen Ziele zu erreichen. Es zeigte sich in den vergangenen Jahrzehnten, dass gutes Zureden, punktuelle Anreize und ein möglichst freier Markt eben nicht ausreichen, um den Erhalt des für Menschen bewohnbaren Planeten sicherzustellen. Gesetze müssen also her, die ähnlich wie im Straßenverkehr klare Vorgaben machen und Zuwiderhandlungen sanktionieren. Ein Tempolimit auf Autobahnen, das Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk, in die Verantwortung nehmen von Herstellern (zum Beispiel bei tricksenden Abgaswerten), etc. pp. ist keine fiese Gängelung oder anderweitig unzumutbar, sondern wie sich herausstellte eine Notwendigkeit.

Wieder ist es die Wissenschaft, die uns nahelegt, dass auch eine CO2-Steuer lediglich ein Mosaikstein des Gesamtbildes darstellen kann. An vielen weiteren, kleineren Stellschrauben muss zusätzlich gedreht werden, wenn wir effektiven und nachhaltigen Klimaschutz betreiben wollen. Nur, wer das versteht und selbst einfordert, hat den Ernst der Lage und die wissenschaftliche Datenlage angemessen umrissen. Ein Liberalismusverständnis, das gegen die Freiheiten künftiger Generationen kämpft, indem es die radikale Forderung des Nichtstuns als gangbaren Weg anpreist, ist verschoben und reaktionär. Jede Form der Beschwichtigung und Relativierung ist zutiefst unvernünftig, da diese verantwortungslose Haltung den künftigen Generationen nur einen immens großen Berg von unnötiger Arbeit aufbürdet – mit fatalen Konsequenzen für fast alle Erdenbewohner.

Daher lasst uns entschieden den Klimawandelleugnern und -relativierern entgegentreten. Völlig gleich, ob sich diese als liberal, konservativ oder rechtspopulistisch gerieren.

Der Text erschien er erstmals am 02.10.2019 bei Facebook. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.