Saudi-Arabien und die Tourismus-Offensive

Das konservativste Land der Welt will sich dem Tourismus öffnen, um sich damit einen neuen Wirtschaftszweig zu schaffen. Gleichzeitig versucht es aber, seine strengen gesellschaftspolitischen Regeln aufrechtzuerhalten.

Mal ehrlich, wer hat bei diesem Bild zuerst an Saudi-Arabien gedacht? Hierzulande verbindet man den Golfstaat üblicherweise mit Öl, Geld, Waffen und ihrer mittelalterlichen Gesellschaftsstruktur, die insbesondere Frauen maximal unterdrückt (auch wenn sich das in letzter Zeit leicht verbessert hat). Bisher war es kaum möglich, das Land zu bereisen. Visa wurden streng limitiert. Ende September gab das wahhabitische Königreich nun bekannt, dass man sich dem Tourismus öffnen wolle. Aus 49 Ländern, unter anderem auch aus Deutschland, kann man jetzt sogar ganz ohne Visum einreisen, alle anderen können ein Online-Visum beantragen. So will man die Touristenzahlen bis 2030 bis auf 100 Millionen pro Jahr bringen, um sich neben dem langfristig zur Neige gehenden Öl ein zweites Standbein zu aufzubauen.

Nun bekommt man auf einmal bei Youtube einen Werbespot angezeigt, in dem man neben beeindruckenden Felsformationen und archäologischen Stätten, die sich am Fuß eines Gebirges aus einem Regenwald erheben, westlich gekleidete Frauen am Lagerfeuer tanzen oder gar ihre gänzlich unbedeckte blonde Haarpracht aus einem Auto heraus im Fahrtwind wehen lassen sieht. Der Sprecher erzählt derweil von "Schätzen von atemberaubender Schönheit" und fordert auf: "Sei der erste, der ein Land voll faszinierender Reisen erlebt." Wer das Image-Video das erste Mal sieht, fragt sich unweigerlich, wo das wohl sein mag, kennt man die kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten des Gottesstaates doch kaum.

Möchte man das Angebot Saudi-Arabiens annehmen, das Land kennenzulernen, gilt es jedoch einiges zu beachten. Auf der Seite, auf der man ein Online-Visum beantragen kann, sind eine Reihe von Gesetzen und Strafen aufgeführt, "die Reisende aus anderen Ländern überraschen könnten": Demnach ist es unter anderem illegal, die Regierung oder die Königsfamilie öffentlich zu kritisieren – auch in den sozialen Netzwerken. Daneben wird auch dringend davon abgeraten, öffentlich Zuneigung zu seinem Partner zu zeigen – das gelte insbesondere für LGBTQ-Paare. Generell hätten diese im Land aber nichts zu befürchten, solange sie sich diskret verhielten und die Landesgesetze respektierten. Aber auch etwas ausgefallenere Dinge können ein juristisches Nachspiel haben: Beispielsweise sollte man es vermeiden, am Valentinstag rot zu tragen, denn der Tag der Liebenden wird als unislamisch angesehen. Auch in Läden darf dann nichts Rotes verkauft werden.

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Weibliche Touristinnen müssen sich zwar nicht unbedingt verschleiern, es reicht auch locker sitzende konservative Kleidung und ein Kopftuch für religiöse Gebäude. Sie werden aber auf die Geschlechtertrennung an öffentlichen Orten hingewiesen und dass Frauen üblicherweise härter als Männer für "ungesetzliches Vermischen" bestraft würden. Zudem dürften sie in Läden nichts anprobieren – auch nicht in einer Umkleidekabine –, keine Friedhöfe betreten und keine unzensierten Modemagazine lesen.

Gewarnt wird vor Sanktionen wie Ausweisung, Gefängnis, öffentlichem Auspeitschen oder gar der Todesstrafe, auch wenn fremde Staatsangehörige möglicherweise nicht so hart bestraft würden wie Einheimische.

Saudi-Arabien ringt mit sich, Moderne versus Tradition, wirtschaftliche Weiterentwicklung versus religiöse Korrektheit. Das wurde auch deutlich, als Mitte dieses Monats das Präsidium für Staatssicherheit ein Video auf Twitter veröffentlichte, das unter anderem Feminismus, Homosexualität und Atheismus als Formen des Extremismus brandmarkte. Die staatstreue Zeitung Al Watan griff dies auf und erinnerte daran, dass bei einem entsprechenden Verhalten mit harten Strafen gerechnet werden müsse. Doch schon kurz darauf distanzierte sich die Regierung von dem Video: Es sei fehlerhaft, hieß es von Seiten der Staatssicherheitsbehörde, und dass es von einer unautorisierten Person veröffentlicht worden sei. Video und Artikel verschwanden daraufhin wieder.