Darstellung und Einschätzung in vergleichender Perspektive

HoGeSa und Pegida als neue Protestbewegungen von "rechts"

BONN. (hpd) Schon immer gab es in der Bundesrepublik Deutschland außerparlamentarische Protestbewegungen. Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber untersucht die rechtsgerichteten HoGeSa und Pegida in Bezug auf Entstehung und Entwicklung, Positionen und Strategie sowie auf Ursachen und Wirkung.

Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist auch eine Geschichte von Protestbewegungen. Dazu gehörten die Bewegung gegen die Wiederbewaffnung und die "Atombewaffnung", die Ostermarsch-Bewegung und die "Kampagne für Abrüstung", die Achtundsechziger-Bewegung, die Frauenbewegung, die Anti-Atomkraft- und Ökologiebewegung, die Bewegung gegen die Nachrüstung, die globalisierungskritische Bewegung und die Anti-Gentrifizierungsbewegung.

Auch wenn es in ihnen extremistische Anteile mit unterschiedlichem Stellenwert gab, führte deren Engagement in der Gesamtschau zu mehr Demokratie, Liberalität und Partizipation. Viele in der etablierten Politik vernachlässigte Themen wurden erst durch das Agieren solcher Bewegungsformationen zu einem breiten Gegenstand öffentlichen Interesses. Insofern können derartige Protestbewegungen auch als eine Bereicherung für die Demokratie angesehen werden, wobei diese Einsicht nicht deren fehlende demokratische Legitimation ausblenden sollte.

Denn die tausendfache Anwesenheit von Menschen auf der Straße steht nicht notwendigerweise für die Repräsentativität des Volkswillens. Dies gilt sowohl für Protestbewegungen mit einem eher "linken" wie für Protestbewegungen mit einem eher "rechten" politischen Einschlag. Die oben erwähnten historischen und aktuellen Beispiele können der erstgenannten Richtung zugeschrieben werden.

Indessen gab es auch wenige Fälle von Protestbewegungen von "rechts". Dazu gehörte etwa die Bewegung gegen die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt von Anfang der 1970er Jahre. Bei den Unionsparteien und Vertriebenen löste diese großen Unmut aus. Auch Rechtsextremisten nutzten das Themenfeld für politische Agitation, was insbesondere die Bewegung "Aktion Widerstand" zeigte. Sie setzte sich aus unterschiedlichen Gruppen und Organisationen dieses politischen Lagers zusammen, welche mit martialischen Parolen wie "Deutsches Land wird nicht verschenkt, eher wird der Brandt gehenkt" Demonstrationen durchführten.

Danach gab es keine Protestbewegungen von "rechts" mehr, welche auch Anhänger über das rechtsextremistische Lager hinaus mobilisieren konnte. Zwar existierten ebendort Bewegungsformationen im Bereich von NPD, Neonazis und Skinheads. Die in Anlehnung an die Achtundsechziger beschworene "Nationale Außerparlamentarische Opposition" (NAPO) konnte aber ab Mitte der 1990er Jahre nur geringe Außenwirkung entfalten, denn die einschlägigen Aktivitäten mobilisierten mit Ausnahme von einigen regionalen Protesten gegen Asylbewerberheime kaum Personen außerhalb des organisierten Rechtsextremismus. Dies änderte sich im Laufe des Jahres 2014 durch das Aufkommen von zwei neuen Protestbewegungen von "rechts", die mit den Bezeichnungen "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) und "Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) auf sich aufmerksam machten. Sie sollen hier bezogen auf Entstehung und Entwicklung, Positionen und Strategie, Ursachen und Wirkung untersucht werden.

"Hooligans gegen Salafismus" (HoGeSa)

Die HoGeSa setzen sich entsprechend ihres Namens nicht nur, aber vor allem aus "Hooligans" zusammen. Die Bezeichnung steht für gewaltgeneigte Fußball-Fans, die in körperlichen Auseinandersetzungen gegen andere Fußball-Fans, aber auch Polizeibeamte ein faszinierendes Erlebnis um seiner selbst willen sehen. Demnach handelt es sich eigentlich um ein unpolitisches Phänomen.

Indessen konnte man auch in der Bundesrepublik Deutschland bereits seit den 1980er Jahren immer wieder Nähen zum Rechtsextremismus ausmachen. Diese erklären sich durch zwei unterschiedliche Gesichtspunkte: Formal bestehen Schnittmengen in Gestalt von Gewaltfaszination, Gruppenidentität und Männlichkeitskult. Inhaltlich gibt es bei Fußball-Fans mitunter Einstellungen im Sinne von Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und Rassismus. Damit bestanden für neonazistische Gruppen konkrete Anknüpfungspunkte, um die subkulturell geprägten Hooligans als potentielles Mobilisierungspotential für ihre politischen Bestrebungen anzusehen.

Das Aufkommen einer Aktionsgruppe wie HoGeSa stellte gleichwohl eine Besonderheit dar. Mit einem Blick nach Großbritannien wird aber deutlich, dass es sich um kein originäres Phänomen handelt. Dort entstand bereits 2009 mit der "English Defence League" in der Hooligan-Szene eine dezidiert muslimenfeindlich ausgerichtete Organisation. Indessen kann HoGeSa nicht als direkter deutscher Ableger gelten, geht die Aktionsgruppe doch auf ein 2012 eigenständig gegründetes Internet-Netzwerk zurück. Dabei spielten Personen, die dem Bereich der Schnittmenge von Hooligans und Rechtsextremisten zuzuordnen waren, eine herausragende Rolle.

Damalige islamistische Aktionen und Veranstaltungen motivierten sie fortan zu "Störaktionen". Diese richteten sich im Februar und März 2014 gegen öffentliche Kundgebungen, die der salafistische Predigers Pierre Vogel durchführte. In der Folge dieser Aktivitäten entstand am 10. September 2014 HoGeSa auf Facebook. Demnach handelt es sich um ein Kommunikationsnetzwerk und nicht um eine feste Organisation.

Noch im gleichen Monat fanden erste persönliche Treffen statt, woran bis zu 300 Personen teilnahmen. Breite mediale Aufmerksamkeit zog HoGeSa danach durch eine Demonstration in Köln am 26. Oktober 2014 auf sich. Hieran beteiligten sich nicht nur mit 4.000 Akteuren eine recht hohe Zahl von Personen. Nachdem die Kundgebung mit Musik- und Redebeiträgen beendet war, kam es zu brutalen Gewaltakten gegen Polizeibeamte. Dabei nutzte man Feuerwerkskörper, Flaschen und Steine; mehrere Fahrzeuge der Polizei, aber auch Einrichtungen von Restaurants wurden beschädigt. Dieses Gewaltpotential und die Mobilisierungsfähigkeit stellten durchaus ein Novum dar. Aufgrund der genannten Erfahrungen kamen weitere geplante Demonstrationen in anderen Großstädten nicht mehr zustande. Erst am 15. November 2014 führte man unter starken Sicherheitsauflagen in Hannover eine weitere Kundgebung unter dem Motto "Europa gegen den Terror des Islamismus" durch, woran sich um die 3.000 Personen beteiligten.

"Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida)

Pegida entstand ebenfalls zunächst auf Basis einer Facebook-Gruppe, die das persönliche Umfeld des eigentlichen Initiators Lutz Bachmann einschloss. Es handelte sich dabei um insgesamt zwölf Personen. Davon gehörten nur drei einer politischen Partei an, nämlich in jeweils einem Fall der AfD, der CDU und der FDP. Zunächst gab man sich die Bezeichnung "Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Als Anlass dazu benannten die Initiatoren den Unmut über teilweise gewalttätige Konflikte, die Anfang Oktober 2014 in verschiedenen Städten zwischen jesidischen Demonstranten und salafistischen Gegen-Demonstranten stattgefunden hatten. Darauf bezogen sich Parolen wie "Gewaltfrei & vereint gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden" oder "Gegen religiösen Fanatismus und jede Art von Radikalismus. Gemeinsam ohne Gewalt". Diese Aussagen standen denn auch auf Transparenten, die an der Spitze der seit dem 20. Oktober 2014 in Dresden durchgeführten öffentlichen "Montagsspaziergängen" getragen wurden.

Nachdem sich daran zunächst nur 350 Personen beteiligt hatten, stieg die Anzahl der Demonstranten kontinuierlich an: Am 27. Oktober waren es 500, am 3. November 1.000, am 10. November 1.700, am 17. November 3.200, am 24. November 5.500, am 1. Dezember 7.000, am 7. Dezember 15.000, am 22. Dezember 17.500. Berücksichtigt man die örtliche Fixierung auf Dresden, die kalte Jahreszeit und das bevorstehende Weihnachtsfest, so stehen die Demonstrationen für eine enorme Mobilisierungswirkung. Gleichwohl blieb unklar, wofür oder wogegen die Teilnehmer waren. Die Initiatoren präsentierten mal fünf, mal 19 und dann mal wieder sechs Forderungen, worin es um die Ausweisung von Hasspredigern ebenso wie um eine Integrationspflicht und ein Zuwanderungsgesetz, aber auch um mehr direkte Demokratie und mehr Polizeibeamte ging. Es gab nachvollziehbare Forderungen wie die nach "dezentraler Unterbringung für Kriegsflüchtlinge" ebenso wie unklare Positionen wie die zu "Erhaltung und Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur".