Darstellung und Einschätzung in vergleichender Perspektive

HoGeSa und Pegida als neue Protestbewegungen von "rechts"

Gegenüber Fremdenfeindlichkeit und Rassismus distanzierten sich die Pegida-Initiatoren offiziell, schürten aber bei den Demonstrationen eine von Aversionen und Ressentiments geprägte emotionale Stimmung. Der Initiator Bachmann meinte etwa in einer Rede mit aggressivem Unterton, Flüchtlinge lebten in "luxuriös ausgestatteten Unterkünften", während sich arme Rentner "kein Stück Stollen" mehr zu Weihnachten leisten könnten. Auf Facebook-Einträgen hatte er zuvor Migranten als "Dreckspack", "Gelumpe" und "Viehzeug" tituliert.

Aggressionen und Hass entluden sich bei den Demonstranten aber auch durch "Lügenpresse" und "Volksverräter"-Rufe, womit sie ihre Ablehnung von Medien und Politikern zum Ausdruck brachten.

Die darin artikulierte öffentliche Kritik, die auch in einer eindeutigen Positionierung der Bundeskanzlerin Merkel deutlich wurde, führte indessen zunächst nicht zu einem Rückgang der Teilnehmerzahlen: Am 5. Januar waren es 18.000, am 12. Januar 25.000 und nach einer abgesagten Veranstaltung am 25. Januar 2015 17.000 Personen.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Betrachtet man HoGeSa und Pegida in der Gesamtschau, so fallen interessante Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf: Beide Protestbewegungen richten sich offiziell gegen eine "Islamisierung" und gegen "Salafisten". Bei HoGeSa standen am Beginn konkrete Aktionen, die Predigten von Salafisten stören oder verhindern wollten. Bei den bedeutenden Demonstrationen in Köln und Hannover ging es aber schon wieder allgemein in hetzerischer Form gegen den Islam und die Muslime, womit die eigentliche fremdenfeindliche Ausrichtung der Aktionsgruppe deutlich wurde. Bei "Pegida" fällt demgegenüber auf, dass die angeblichen Gefahren einer "Islamisierung" in den Forderungen oder Positionspapieren gar nicht vorkommen. Man findet ebendort noch nicht einmal die Formulierung. Darüber hinaus entsprechen die artikulierten Bedrohungsängste nicht der gesellschaftlichen Realität, sind doch lediglich 0,4 Prozent der Bewohner Dresdens und nur 0,2 Prozent der Bewohner Sachsen Muslime. Man engagiert sich dort gegen eingebildete, nicht gegen reale Gefahren.

Betrachtet man die Demonstranten beider Protestbewegungen, so fallen bei der sozialen Zusammensetzung deutliche Unterschiede auf: Während sich HoGeSa entsprechend der Bezeichnung vor allem aus gewaltgeneigten Fußball-Fans zusammensetzt, findet man bei Pegida eher den durchschnittlichen Bürger auf der Straße. Mittlerweile liegen dazu auch einige sozialwissenschaftliche Analysen vor, welche aber aufgrund der geringen Rücklaufquote der Fragebögen keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben können. Gleichwohl deutet vieles darauf hin, dass die Demonstranten mehrheitlich aus Männern aus der Mittelschicht im Alter um die 50 Jahre bestehen. Demnach handelt es sich bei Hogesa und Pegida bei den Teilnehmern um unterschiedliche soziale Milieus. An den Demonstrationen beider Protestbewegungen nahmen auch Angehörige der NPD und der Neonazi-Szene teil. Indessen kann nicht von deren Dominanz ausgegangen werden, wobei sich dies bei den Ablegern von Pegida in anderen deutschen Städten anders verhält.

Insofern handelt es sich bei Pegida in Dresden nicht um "Nazis in Nadelstreifen". Diese Einsicht spricht indessen nicht notwendigerweise für die demokratische Gesinnung der Mehrheit der Demonstranten. Es lässt sich nämlich ein politischer von einem sozialen Rechtsextremismus unterscheiden: Zum Erstgenannten gehören die organisierten Anhänger in Gruppen oder Parteien, zum sozialen Rechtsextremismus zählen die so denkenden Personen. Über das Ausmaß einschlägiger Potentiale informieren die Ergebnisse der Sozialforschung, die meist ein rechtsextremistisches Einstellungspotential von zwischen 5 und 15 Prozent der Bevölkerung konstatieren. Bislang konnte dieses von NPD und Neonazis nicht mobilisiert werden, möglicherweise ist es der Pegida-Bewegung in einer bestimmten Region stärker gelungen. Diese Auffassung negiert nicht, dass es berechtigte Kritik an der Einwanderungspolitik und Migrationsgesellschaft geben kann. Doch herrscht bei den Demonstrationen eine von Aversionen und Ressentiments geprägte Stimmung vor.

Gefahrenpotential und Verankerung

Welches Gefahrenpotential geht nun von HoGeSa und Pegida aus? Auf diese Frage muss angesichts der Unterschiede in Handlungsstil und Zusammensetzung eine differenzierte Antwort gegeben werden: Bei den Aktivisten der HoGeSa-Bewegung handelt es sich bezogen auf die Mehrheitsgesellschaft eher um marginale Teile. Gerade das aggressive bis gewaltgeneigte Agieren findet keine größere gesellschaftliche Akzeptanz, selbst wenn es angeblich primär gegen andere Extremisten wie die Salafisten gerichtet ist. Gleichwohl besteht die Gefahr, dass es angesichts der erwähnten Mobilisierungserfolge in Köln und Hannover zu einer stärkeren Kooperation von Hooligan- und Neonazi-Szene kommt. Die erwähnten formalen und inhaltlichen Schnittmengen könnten die Basis dafür bilden. Indessen stehen dem die unterschiedlichen Handlungsschwerpunkte, der in dem einen Fall in Gewalthandlungen im Fußball-Kontext und in dem anderen Fall in Engagement für den Neonazismus auszumachen ist, als hemmende Faktoren entgegen.

Für Pegida kann demgegenüber eine stärkere gesellschaftliche Verankerung konstatiert werden: Dies macht allein schon beim Blick auf die Demonstrationen das unterschiedlich hohe Ausmaß den Teilnehmerzahlen deutlich. Auch wenn 3.000 bis 4.000 Anwesende bei den HoGeSa-Veranstaltungen eine große Mobilisierungswirkung veranschaulichen, stehen diese Zahlen in keinem Verhältnis zu den zeitweise über 20.000 Teilnehmern von Pegida-"Montagsspaziergängen". Die erwähnte breitere soziale Zusammensetzung spricht auch für eine höhere gesellschaftliche Anerkennung. Während demnach das Gefahrenpotential von HoGeSa zu einem Großteil in der bekundeten Gewaltbereitschaft zu sehen ist, besteht es bei Pegida in der stärkeren sozialen Wirkung. Denn diverse Umfragen haben zwischenzeitlich deutlich gemacht, dass es in der Bevölkerung ein nicht unbeträchtliches Potential von Sympathie oder Verständnis gibt: Nach den Ergebnissen sowohl von Forsa wie von YouGov von Dezember 2014 bewegt es sich bei um die 30 Prozent der Befragten.

Das damit angesprochene Einstellungspotential bildet denn auch ein potentielles Mobilisierungspotential einschlägiger politischer Akteure für die Zukunft. Dies dürften indessen nicht HoGeSa und Pegida sein: Die Erstgenannten haben nach der Demonstration in Hannover keine herausragenden Aktivitäten mehr entfalten könnten. Bei Pegida führten interne Konflikte unter den Initiatoren zu einem Bruch: Die als gemäßigter geltende Neugründung "Direkte Demokratie für Europa" konnte indessen nur noch wenige Demonstranten mobilisieren: Am 8. Februar waren es 500, am 19. Februar 2015 nur noch 100 Teilnehmer. Bei Pegida stiegen demgegenüber nach einem starken Rückgang die Zahlen wieder an: Am 9. Februar 2.000, am 16. Februar 4.300, am 2. März 6.200 und am 9. März 6.500. Da die Initiatoren den Teilnehmern aber keine politische Perspektive bieten können, dürfte diese Protestbewegung mittelfristig zerfallen. Indessen ändert eine solche Entwicklung nichts an den in den Köpfen präsenten Ressentiments und Vorurteilen.

Prognose zur Orientierung des Potentials

Wohin wird sich dieses Potential parteipolitisch bei den kommenden Wahlen wenden? Nach 1949 gelang es immer wieder der CDU/CSU sowohl als Regierungs- wie Oppositionsparteien derart Eingestellte zur Stimmabgabe zu ihren Gunsten zu motivieren, was politisch unterschiedlich eingeschätzt werden kann. Denn es gingen damit nicht nur demokratietheoretische Gründe, sondern auch machtpolitische Motive einher. Diese Integrationswirkung verhinderte zwar nicht allein, aber mit die Etablierung einer rechtsextremistischen Partei als Wahlpartei wie in anderen europäischen Ländern. Gleichwohl dürfte dies aktuell der CDU/CSU nicht mehr möglich sein: Zum einen sind die Unionsparteien in der Merkel-Ära mit Bekenntnissen wie "Der Islam gehört zu Deutschland" politisch immer mehr in die "Mitte" gerückt, was auch zu einem allerdings konsequenzlosen Unmut in deren konservativen Flügeln führte.

Somit ist für ein bestimmtes politisches Milieu eine parteipolitische Repräsentationslücke entstanden. Diese könnte auch von Akteuren "rechts" von der Union gefüllt werden, wofür es unterschiedliche "Angebote" gibt: Dazu gehört zunächst die NPD, die agitatorisch wie HoGeSa und Pegida auf Fremden- und Muslimenfeindlichkeit setzt. Indessen macht der Rückgang von Stimmen und die Stagnation der Mitgliedschaft deutlich, dass sich die Partei in einem Niedergangsprozess befindet. Darüber hinaus schreckt die offene Nähe zu nationalsozialistischen Grundpositionen mitunter sogar rechtsextremistisch eingestellte Wähler ab. Aber auch gemäßigtere Formationen wie etwa "Pro-NRW" können aktuell keine Erfolge mehr bei Kandidaturen verbuchen, gingen doch selbst in ihrer Hochburg Köln die Stimmen stark zurück. Darüber hinaus gelang es nicht, sich bundesweit organisatorisch zu etablieren. Zwar setzt "Pro-NRW" geschickter auf die Agitationsfelder "Islam" und "Migration" und ist um das Image einer "Bürgerbewegung" bemüht, tatsächlich handelt es sich aber um eine Organisation langjährig aktiver nicht-neonazistischer Rechtsextremisten.

Demgegenüber dürfte die AfD das gemeinte Potential stärker an sich binden können. Denn bei den nicht-repräsentativen Befragungen artikulierte ein Großteil der Pegida-Demonstranten seine Sympathie für die Partei, einige von ihren Funktionären erklärten umgekehrt ihre Übereinstimmung mit deren Positionen. Darüber hinaus kann die AfD gegenwärtig nicht als rechtsextremistisch eingeschätzt werden, lässt sich ebendort doch ein bedeutender national-konservativer und ein relevanter national-liberaler Flügel ausmachen. Beide führen einen Machtkampf um die Ausrichtung der Partei, wobei die erstgenannte Richtung den erwähnten Pegida-Aktivitäten näher steht. Demgemäss dürften die Anhänger der Protestbewegung fortan zu großen Teilen diese Partei wählen und zu geringeren Teilen in ihr politisch aktiv werden. Erfolgreiche Gegentendenzen in der Gesellschaft und Politik lassen sich aktuell nicht ausmachen. Allenfalls könnten die internen Konflikte in der AfD zu deren Scheitern bei der Integration und Repräsentanz dieses Potentials führen.