BERLIN. (hpd/ai) Das Urteil von 1.000 Stockhieben und zehn Jahren Haft für den Blogger Raif Badawi wurde vom Obersten Gerichtshof Saudi-Arabiens bestätigt. Damit könnten schon Freitag die nächsten Hiebe vollstreckt werden. Amnesty International verurteilt dies und fordert Badawis sofortige Freilassung.
"Es ist abscheulich, dass dieses grausame und unrechtmäßige Urteil bestätigt worden ist. Bloggen ist kein Verbrechen und Raif Badawi wird dafür bestraft, dass er sein Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen hat", sagte Philip Luther, Direktor der Abteilung Mittlerer Osten und Nordafrika bei Amnesty International.
"Mit der Entscheidung, das Urteil nicht aufzuheben, haben die saudi-arabischen Behörden sowohl der Gerechtigkeit als auch den Zehntausenden Stimmen, die weltweit seine sofortige und bedingungslose Freiheit gefordert haben, hartherzige Gleichgültigkeit entgegengebracht. Nachdem seine Verurteilung nun endgültig und unwiderruflich ist, könnten schon Freitag die nächsten Hiebe vollstreckt werden und er wird zu Unrecht den Rest seiner Strafe ableisten müssen. Die Entscheidung des Gerichtshofs ist ein weiterer Rückschlag für die ohnehin schon schlechte Menschenrechtsbilanz in Saudi-Arabien."
"Badawi darf keine weiteren Stockhiebe bekommen, er muss freigelassen werden. Bloggen ist kein Verbrechen", stellte auch Ruth Jüttner, Amnesty-Expertin für den Nahen und Mittleren Osten in Deutschland fest. "Wir fordern König Salman auf, Badawi und alle gewaltlosen politischen Gefangenen sofort freizulassen, darunter auch den Rechtsanwalt von Raif Badawi, Waleed Abu al-Khair."
Raif Badawi wurde am 7. Mai 2014 zu zehn Jahren Haft, 1.000 Stockhieben und einer Geldstrafe von umgerechnet etwa 240.000 Euro verurteilt, weil er eine Online-Plattform zum öffentlichen Meinungsaustausch gegründet hatte. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen und Zehntausende Menschen weltweit haben sich im Rahmen einer globalen Kampagne für seine Freilassung eingesetzt.
Als Raif Badawi am 9. Januar 2015 nach dem Freitagsgebet 50 Stockhiebe auf einem öffentlichen Platz in Dschidda erhielt, hat dies internationales Entsetzen ausgelöst. In den zwei darauffolgenden Wochen wurde die Vollstreckung der Prügelstrafe aus medizinischen Gründen ausgesetzt. Seitdem haben die Behörden ohne Angabe von Gründen keine weiteren Hiebe gegen Raif Badawi vollstreckt. Nach der Bestätigung des Urteils durch den Obersten Gerichtshof besteht nun die unmittelbare Gefahr, dass die restlichen 950 Hiebe vollstreckt werden könnten.
Pressemitteilung von Amnesty International
5 Kommentare
Kommentare
Klarsicht am Permanenter Link
Wo bleibt der empörte Aufschrei wenigstens der Muslime angesichts solcher Barbarei, mit denen man meint, einen westlichen, europäischen Islam gestalten zu können ? Hat man ihn irgendwo gehört.
Es grüßt
Klarsicht
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Raif wird auf dem Rücken geschäftlicher Beziehungen geopfert.
Geschäfte könnten auch mit anderen Kunden gemacht werden und gerade im Fall Saudi-Barbariens geht es um den endlichen Rohstoff Öl - der sowieso in den nächsten Jahrzehnten an Bedeutung verlieren muss, weil allein aus Klimaschutzgründen fossile Brennstoffe gar nicht mehr genutzt werden sollten oder dürften.
Andererseits haben sie Saudis wegen des noch immer florierenden Ölgeschäfts Unmengen an Geld, mit dem sie gerngesehene Kunden sind. Kunden - vor allem so verwöhnte wie die saudische Oberschicht (die anderen zählen eh nicht) -, die auf westliche und/oder industriell besser aufgestellte Anbieter angewiesen sind, denn ihr eigenes Land ist nicht sehr innovativ.
Wäre es wirklich ein unwägbares Risiko, wenn der einige Westen (sprich: alle relevanten Konzerne) weiterhin Lieferbereitschaft gegen Petrodollars signalisieren, aber nur nach Anpassung an verbindliche Menschenrechts-Standards?
Die Politik des Westens darf sich nicht in innere Angelegenheiten Saudi-Barbariens einmischen, okay. Aber wenn bilaterale Abkommen angestrebt werden, die zum wechselseitigen Vorteil sind, dann sollten solche Abkommen an eben diese Bedingungen geknüpft werden.
Das westliche Knowhow wird dort geschätzt und gebraucht. Der religiösen Ideologie des Wahabismus folgend dürften die Saudis mit den Kuffar gar keine Geschäfte machen (außer ausbeuterischen). Dass es trotzdem geschieht, ist doch ein Hinweis darauf, dass der Westen in bestimmten Branchen alternativlos ist.
Diese Macht müsste genutzt werden. Raif ist doch nur die Spitze des Eisbergs. Die Menschen, speziell die Frauen, werden dort systematisch und staatlich kontrolliert unterdrückt. In diesem Land ist alles Schlechte des Islams kein Betriebsunfall, sondern Programm. Wahabitisches Programm, das die härteste Lesart des Korans darstellt.
Dagegen gibt es viel Widerstand im eigenen Land, der in Form drakonischer Strafen wie gegen Raif und seinen Anwalt gemaßregelt und unterdrückt werden muss. Einschüchterung, Terror gegen das eigene Volk, um die eigene Macht zu sichern.
Dagegen helfen weder Krieg von außen noch sinnlose, leere Drohung, aber geschickte Diplomatie mit deutlichen Botschaften. Auch auf die Gefahr hin, mal ein schlechteres Wirtschaftsjahr bei einem Nobelkarossenbauer zu riskieren, weil ein paar verschnupfte saudische Prinzen nicht sofort die neuesten Modelle kaufen.
Natürlich kann man sich fragen, warum wir uns hier in diese inneren Angelegenheit überhaupt einmischen sollen. Lasst uns möglichst viele Waren und Dienstleistungen dorthin verkaufen, auch Waffen, die im Westen irgendwann keiner mehr will oder sich leisten kann, dann ist doch alles prima. Das sichert bei uns Arbeitsplätze - lasst die freiheitsliebenden Saudis doch leiden dafür...
Mit dieser (bisher praktizierten) Einstellung diskreditiert sich jedoch "der Westen" als "moralische" Instanz - von Ethik ganz zu schweigen. Wäre dies auch nicht eine schöne Gelegenheit für die christlichen Kirchen - allen voran den Vatikan - sich hier zu profilieren? Einmal deutliche Worte vom Papst zu hören, dass "Gott" (immerhin auch der abrahamitische Gott der Wahabiten) diesen brutalen Umgang mit Menschen nicht wünsche? Mit einem Spruch über dessen Barmherzigkeit garniert?
Oder hat man dann Angst vor islamischer Rache gegen den Papst, wie seinerzeit nach der Regensburger Rede? Das Argument, dies handele sich um eine innerislamische Angelegenheit, könnte man zurückweisen mit Verweis darauf, dass sich eben alle monotheistischen Religionen im gleichen Gott vereinen.
Dass dessen Befragung, wie er dazu steht, schwierig ist, ist erstens klar und zweitens der Grund für die ganzen Religionskriege. Aber einfach dazu schweigen geht auch nicht.
Weitere Protestnoten an die saudischen Botschaften zu schicken hilft jedenfalls nicht weiter. Wir sind schließlich zivilisiert genug, dass wir diese Botschaften nicht anzünden und das ist auch gut.
Also sind jetzt Wirtschaft und Politik im westlichen Schulterschluss gefragt. Keine Geschäfte mit Menschenrechtsverbrechern! (Man wird ja mal träumen dürfen...)
fherb am Permanenter Link
Prinzipiell sehe ich das auch so. Jedoch: Gar keine Geschäfte mehr zu tätigen, wäre ein schlechter Deal: Dann hätte man nur noch einmal die Chance, Menschenrechte einzufordern.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Meine Idee hängt in der Tat von einem möglichst vollständigen und einigen Konsortium aus lieferfähigen Firmen ab. Und Länder wie China oder Russland können hier nur sehr bedingt in die Presche springen.
Auch wenn die miserable Menschenrechtslage in China, Russland und Saudi-Barbarien diese Länder eint, haben doch erstgenannte auch Angst vor einer Islamisierung. Und der Islam wahabitischer Lesart ist der mit Abstand unangenehmste. Dieses "Exportgut" will niemand haben, egal wie diktatorisch das jeweilige Regime auch ist.
Und selbst wenn der eine oder andere Rüstungsauftrag der Saudis verloren ginge, weil Russland liefern könnte, dann wäre das die Sache wert. Für Freiheit und Menschenrechte haben andere schon ganz andere Opfer erbracht, bis zum Verlust des eigenen Lebens. Diese Gefahr besteht nun überhaupt nicht.
In jedem Fall könnte die westliche Wirtschaft und Politik ein unbezahlbares, nicht käufliches Gut zurückerlangen: Die Glaubwürdigkeit bei den Bürgern. Ich will keine Lippenbekenntnisse mehr hören, sondern entschlossenes, konstruktives Handeln. Möglicherweise werden dadurch ganz andere Kräfte in den menschenrechtsverletzenden Ländern aktiviert und mutige Leute wie Raif sind nicht mehr allein. Revolution braucht auch Chance und Anschub.
Und dann wird sich zeigen, ob die luxusverwöhnten Prinzen und ihr Hofstaat nicht doch den westlichen Luxus und die Shoppingtouren hierher den Vorrang geben vor einem strikt ausgelebten Wahabismus, der sie selbst sowieso nichts angeht und der nur als Instrument der Unterdrückung genutzt wird.
Gerade die oft im Westen ausgebildeten Mitglieder der Herrscherfamilie kennen doch auch andere Gesellschaftsformen. Eine tief verwurzelte, theologische Affinität zum Islam kann ich mir dort nicht vorstellen. Dies geht eher von den Mullah und Großmuftis aus, bei denen es um die eigene Existenz geht.
Schließlich schwebt über allem das Schwert der Freiheit, dass über allen unterdrückenden Systemen schwebt. Jeder repressive Herrscher weiß, dass die Welle der Unzufriedenheit auf ihn massiv zurückschlägt, sobald er den Druck lockert. Deswegen gehen auch alle irgendwann kaputt - oft natürlich in instabilen Regionen durch andere, nicht minder repressive Systeme ersetzt.
Und genau hier muss der Westen zeigen, dass "unser" System auch den Schwachen eine Chance zu einem freien Leben ermöglicht - mehr auf jeden Fall, als in Gottesstaaten oder anderen Diktaturen. Denn eines glaube ich gewiss: Jeder Menschen strebt nach dem eigenen Glück und dem Glück für seine Familie.
Ich als "Westen" würde also die Karte der eigenen Fähigkeiten spielen und diese den Despoten der Welt entziehen, WEIL diese inzwischen so angefixt sind mit unseren westlichen Werten - pardon... Waren, dass sie nicht mehr ohne leben wollen. Warum keine Einreiseverbote der Ölscheichs in die Schweiz, ach, nach ganz Europa, in die USA? Dabei sind sie gern gesehene Gäste, sobald die Inanspruchnahme der Menschenrechte für Saudis (unter anderem das Recht auf freie Meinungsäußerung) nicht mehr zu Strafen führt.
Ich denke, das wird zweierlei bewirken: Europäische und amerikanische Politik gewinnt an Glaubwürdigkeit und die reiche Oberschicht der Saudis wird sich sehr genau überlegen, ob sie ihr eigene sorgenfreies Leben einschränken wollen (denn im Westen nicht gern gesehen zu sein oder gar an der Tür abgewiesen zu werden nagt auch am Selbstverständnis dieser feinen Herren) oder ob sie die Justiz und die Religionsführer nicht anweisen, gewisse Freiheiten künftig zuzulassen.
Aber hierzu gehört auch ein anderer Umgang mit Religion hierzulande, z.B. Abschaffung des §166 StGB und Forderungen nach mehr Freiheit in europäischen Islamgemeinden. Wir können dortige Menschenrechtsverletzung nicht tolerieren und gleichzeitig von den Saudis die Einhaltung selbiger fordern.
Alles sehr vertrackt und momentan nicht mal denkbar, weil die politischen Verhältnisse eine derart mutige Politik leider nicht zulassen. Also träume ich weiter...
Andrea Pirstinger am Permanenter Link
...
Solche PolitikerInnen gibt es in Europa tatsächlich auch noch. Kaum zu glauben.
Also "träumen" wir weiter - gemeinsam.