Pressekonferenz zur Kampagne "Mein Ende gehört mir!"

Widerstand gegen ein Verbot der Sterbehilfe wächst

BERLIN. (hpd) Im Haus der Bundespressekonferenz fanden sich am heutigen Vormittag viele Journalisten ein, um Uwe-Christian Arnold, Elke Baezner, Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf sowie Dr. Michael Schmidt-Salomon anzuhören und zu befragen, die über die Kampagne “Mein Ende gehört zu mir” sowie das Buch “Letzte Hilfe” informierten.

Immerhin rund 80 Prozent der Menschen in Deutschland befürworten ein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Doch führende Politiker wie der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wollen die Sterbehilfe durch Verbotsgesetze weiter einschränken.

Scharfe Kritik dazu kommt vom Vorsitzenden der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer, dem Medizinethiker Dieter Birnbacher. In einer Stellungnahme, die am Freitagmorgen im Haus der Bundespressekonferenz vorgestellt wurde, erklärt Birnbacher, dass “der Versuch, die ohnehin erheblich eingeengten Möglichkeiten der Sterbehilfe zu beschneiden”, nicht nur von einer “Geringschätzung des Rechts auf Patientenselbstbestimmung” zeuge, “sondern auch von mangelnder Fürsorge”.

Birnbacher zählt neben Prominenten wie dem Liedermacher Konstantin Wecker, den Schriftstellern Ralph Giordano und Fritz J. Raddatz und den Schauspielerinnen Eva Mattes, Gudrun Landgrebe und Petra Nadolny zu den Unterstützern der “Kampagne für das Recht auf Letzte Hilfe”, die seit Wochenbeginn mit Großplakaten in Berlin und Frankfurt auf sich aufmerksam macht. Im Haus der Bundespressekonferenz stellte der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon heute die Ziele der Kampagne vor. Der Philosoph und Schriftsteller wies darauf hin, “dass der Widerstand gegen ein Verbot der Sterbehilfe in der Bevölkerung kontinuierlich wächst”. Weiter sagte er: “Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes werden es nicht hinnehmen, dass man ihnen das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende entzieht. Wir werden unsere Aktionen für das Recht auf Letzte Hilfe solange fortsetzen, bis das klare Votum der Bevölkerungsmehrheit in der Politik und Ärzteschaft berücksichtigt wird.”

Auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, Elke Baezner, ließ an den ambitionierten Zielen der Kampagne keinen Zweifel aufkommen: “Politiker sind vom Volk gewählt und haben somit ‘Volkes Stimme’ umzusetzen, anstatt uns zu bevormunden und unsere individuellen, vom Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte beschneiden zu wollen. Eine Minderheit von 14 Prozent unserer Gesellschaft darf sich nicht anmaßen, der Mehrheit vorschreiben zu wollen, wie, wann und mit welchen Mitteln sie zu sterben hat. Wir fordern von der Politik ‘praktizierte Toleranz’, das heißt Wahlfreiheit für alle Betroffenen. Wir alle haben ein Recht auf Selbstbestimmung im Leben wie auch im Sterben.”

Ähnlich drückte es auch Michael Schmidt-Salomon aus, der sagte, dass die Politiker, die jetzt antreten, um aufgrund ihres christlichen Hintergrunds jede Form der Sterbehilfe ablehnen, sehr wohl berechtigt sind, “für sich selbst zu zu bestimmen, dass sie leiden möchten. Ja, sie können sich sogar noch Leidenshilfe nehmen, die das Leid verstärken. All das ist in unserer Demokratie möglich.” Allerdings dürfen sie keinesfalls diese sehr persönliche Sicht auf das Leben und Sterben zum Maßstab für die gesamte Gesellschaft machen. Zumal diese in ihrer großen Mehrheit anders denkt.

Anfang der Woche hatte die Kampagne sämtlichen Bundestagsabgeordneten das Buch “Letzte Hilfe” des Arztes und Sterbehelfers Uwe-Christian Arnold zukommen lassen: “Bedauerlicherweise haben nur die wenigsten Politiker Kenntnis von den realen Nöten schwerstleidender Patienten”, sagte Arnold heute in Berlin. “Sie spekulieren wild über die möglichen Konsequenzen der Sterbehilfe, nehmen aber die empirischen Daten aus Ländern, die Freitodbegleitungen seit Jahren praktizieren, überhaupt nicht zur Kenntnis. Tatsächlich nämlich führt die Akzeptanz von Freitodbegleitungen nicht zur einer Verschlechterung, sondern zu einer Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung. Und die Zahl der Verzweiflungssuizide steigt nicht etwa an, sondern geht zurück. Hier ist Aufklärung dringend erforderlich!”

Von einem Journalisten nach den Zielen der Kampagne gefragt, antwortete Arnold: “Wir wollen den Status Quo erhalten und streben keine Liberalisierung an.” Ihn irritierte, dass Gesundheitsminister Gröhe und andere strafrechtliche Konsequenzen bereits jetzt fordern, “ohne, dass eine Diskussion darüber überhaupt geführt wurde.” Denn im Gegenteil zu den Annahmen der Gegner würden wissenschaftliche Studien genau das Gegenteil dessen aussagen, was die Gegenseite als Begründung anführt.

Diese Meinung vertrat auch der renommierte Jurist und Rechtsphilosoph Eric Hilgendorf, der den Bundestag bereits mehrfach in Fragen des Medizinstrafrechts beraten hat. Im Haus der Bundespressekonferenz führte Hilgendorf aus, dass es unsinnig wäre, die Sterbehilfe über das Strafgesetzbuch einzuschränken.

Er betonte bei der Pressekonferenz, dass eine Neuregelung der Sterbehilfe derzeit unnötig sei, da die derzeitige Gesetzeslage völlig ausreichend sei. Vor allem sei die geplante Verankerung im Strafrecht absolut unsinnig; ja, möglicherweise sogar verfassungswidrig. “Darin” so Hilgendorf, “stimmen Strafrechtstheoretiker - egal, wie sie sonst zu dem Thema stehen - mit mir überein.” Möglicherweise wäre es notwendig, über Verwaltungs- oder ähnliche Vorschriften die Grauzonen genauer zu definieren. Dabei bräuchte es aber eher verwaltungsrechtliche und zivilrechtliche Vorschriften. Es sei “sicherlich juristisch einiges zu klären, und dabei gehe es auch nicht um eine Liberalisierung des Rechts auf ‘Letzte Hilfe’, sondern um die Klarstellung der aktuellen Situation.”

“Eine Neukriminalisierung von Ärzten ist unnötig und schadet weit mehr, als sie nützt”, sagte Hilgendorf. “Der Gesetzgeber sollte den nötigen Respekt vor der Gewissensentscheidung der Ärzte zeigen.”

Elke Baezner fasste zusammen: “Die Wünsche der Menschen reichen über eine gute, fachgerechte Hospitzbegleitung, einer ausgebauten Palliativmedizin bis hin zu einem ärztlich begleitetem Suizid - sogar bis hin zur aktiven Sterbehilfe. Alle diese Komponenten schließen sich nicht aus. Sie ergänzen einander.” Das der Öffentlichkeit klar zu machen ist der Sinn und Zweck der Kampagne.

 


Weitere Informationen zur Kampagne unter: letzte-hilfe.de

Am morgigen Samstag, dem 11. Oktober 2014, findet in Berlin eine Konferenz unter dem Titel "Mein Ende gehört mir!" statt.