Kommentar

Was in Deutschland gut läuft

Eine Krise jagt die nächste – etwa in der Finanzwelt, den internationalen Beziehungen oder jüngst die um sich greifende Corona-Epidemie im gesundheitlichen Bereich. Viel zu häufig werden dabei die ebenfalls vorhandenen positiven Seiten außer Acht gelassen. Zeit, sich eben diesen genauer zu widmen. Ein Kommentar von Constantin Huber.

Allzu oft wird kollektiv auf die negativen Seiten geblickt. Narrative wie "Alles läuft schief und wird immer schlechter" sind, obwohl die Statistiken auf einem globalen Maßstab das exakte Gegenteil aufzeigen, keine Seltenheit. Dies ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass es für die Redaktionen von Zeitschriften und Nachrichtenmagazinen naheliegenderweise relevanter erscheint, etwa über Unglücke und Fehler als über die als normal angesehene Beschaffenheit eines reibungslosen Ablaufes zu berichten. Und es gehört auch zur Aufgabe von Journalist*innen, den Finger in die Wunde zu legen und Missstände aufzudecken. Unter anderem deshalb kann spielend leicht der Eindruck entstehen, dass es auf der Welt und konkret auch in Deutschland sehr düster aussehe.

Doch neben den durchaus vorhandenen Missständen hierzulande, die es dringend politisch und gesellschaftlich anzugehen gilt, gibt es eine ganze Reihe von begrüßenswerten Entwicklungen und Begebenheiten, die wir uns hin und wieder ins Gedächtnis rufen sollten. Folgende Aspekte sind Beispiele für diese gerne ausgeklammerte positive Seite:

  1. Das Grundgesetz ist eine hervorragende Verfassung und unser Rechtsstaat funktioniert im Grunde ausgezeichnet. Zwar fehlt es in einigen Bereichen an zusätzlichen Richtern und Staatsanwälten, doch die Arbeit wird dennoch ordentlich, transparent, nachvollziehbar und möglichst fair verrichtet. Das Maß an Gerechtigkeit ist durch den fortwährenden Versuch der Erreichung der Grund- und Menschenrechte sowie dem angestrebten Schutz vor staatlichem Machtmissbrauch außerordentlich hoch. Rechtssicherheit durch die Bindung des Staates an das Gesetz, Rechtsgleichheit durch die Gleichstellung aller Bürger*innen vor dem Gesetz und Rechtsschutz durch den Schutz vor willkürlichen Eingriffen werden gewährleistet.
  2. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, welcher nach englischem Vorbild der British Broadcasting Corporation (BBC) 1945 als Lehre aus der Goebbels-Propaganda eingeführt wurde, bietet vielen Journalist*innen die Möglichkeit, ihrer Arbeit frei nachzugehen – und das wiederum führt zu dem ausgezeichneten Angebot, welches der öffentlich-rechtliche Rundfunk offeriert. Allgemein liefern die hiesigen Journalist*innen im Mittel eine sehr gute Arbeit ab. Der Qualitätsjournalismus hat seinen Namen definitiv verdient. Dieser berichtet in der Regel sehr ausgewogen, sehr sachlich, mit starken Argumenten und häufig mit den richtigen Mitteln wie etwa Leitartikeln, Kommentaren, Glossen oder Kolumnen. Internetblogs, chronische Schwarzmaler, Esoteriker oder waschechte Verschwörungstheoretiker kommen da nicht einmal ansatzweise heran.
  3. Die Klimaproblematik kann heute niemand mehr ernsthaft leugnen oder relativieren, ohne dabei von einem signifikant großen Teil der Bevölkerung schief angesehen zu werden. Während vor dem Aufkommen der "Fridays For Future"-Bewegung die Dringlichkeit der Lage trotz der vielen nüchternen und sachlichen Warnungen der Forscher*innen nicht zur Allgemeinheit durchgedrungen ist, gehört es heute zum guten Ton, sich dazu grundlegende Kenntnisse anzueignen und Ignoranz beim Thema Umweltschutz nicht zu akzeptieren. Außerdem verstehen immer mehr Menschen, dass Verbote (Gesetze) nicht prinzipiell eine fiese Gängelung darstellen müssen, sondern sich durchaus herausstellen kann, dass diese über die Parlamente als notwendiges und probates Mittel eingesetzt werden sollten, um nachhaltigen Klimaschutz zu erreichen.
  4. In gesundheitlicher Hinsicht lassen sich einige Aspekte nennen, die trotz der vorhandenen Missstände optimistisch stimmen können. Die Gesundheit der Allgemeinheit verbessert sich, was unter anderem eine Folge davon ist, dass immer weniger Menschen rauchen oder Alkohol konsumieren. Dadurch steigt die Lebenserwartung stetig. Die Behandlungsmöglichkeiten für sehr ernstzunehmende Krankheiten verbessern sich von Jahr zu Jahr enorm. Und für komplizierte Operationen gibt es kaum ein Land mit geeigneterem Personal. Die Qualität der geleisteten Arbeit ist dabei so gut, dass selbst Prominente und Wohlhabende aus anderen Ländern – wenngleich nicht selten ein fragwürdiges Geschäftsmodell damit verbunden ist – nach Deutschland kommen, um sich hier behandeln zu lassen.
  5. Da die Demokratie, also auch sämtliche betreffenden Institutionen sowie die Gewaltenteilung, hierzulande in einem einwandfreien Zustand ist, können auch dieser eine Reihe positiver Entwicklungen zugeschrieben werden. So nimmt zum Beispiel die Kriminalität stetig ab. Deutschland wird also – anders als einem Rechtspopulisten weismachen wollen – immer sicherer. Außerdem ist die Meinungsfreiheit so stark ausgebaut wie nie zuvor. Aber es gilt wie eh und je: die Möglichkeit, seine Meinung jederzeit frei zu äußern, ist kein Freifahrtschein dafür, unbelegte oder gar menschenverachtende Aussagen ohne kritischen Gegenwind oder rechtliche Konsequenzen öffentlich zu äußern. Dies kann ebenso als Teilverdienst der Demokratie angesehen werden wie die Tatsache, dass sich immer mehr Menschen als Europäer oder sogar Kosmopoliten verstehen.
  6. Auch auf (bildungs-)technischer und wirtschaftlicher Ebene läuft einiges ausgezeichnet. Die hiesigen Universitäten genießen international einen guten Ruf. Deutsche Ingenieure sowie die hiesigen Produkte sind auf der ganzen Welt gefragt. Es gibt hierzulande so viele Erwerbstätige wie noch nie zuvor und unsere Infrastruktur ist – obwohl sie im internationalen Vergleich besser sein könnte und eklatante Lücken etwa in punkto Digitalisierung oder Netzausbau aufweist – insgesamt passabel ausgebaut. Gerade der Zustand unserer Straßen kann dabei hervorgehoben werden. Weltweit ist in keinem anderen Land der Weg zur nächsten Autobahn so kurz wie bei uns. Der Industriestandort Deutschland ist unter anderem dadurch so gefragt, dass selbst das Unternehmen Tesla, Inc. ein Großwerk hier errichten möchte. Wenngleich es dabei aktuell noch Schwierigkeiten gibt, so werden diese doch höchstwahrscheinlich überwunden werden können.

Diese Beispiele zeigen, dass das oben zitierte Narrativ falsch ist. Vielleicht ist es sinnvoll, die benannten Aspekte öfter im Hinterkopf zu behalten, wenn wir wichtige gesellschaftliche Debatten führen. Dann könnte dies mit größerer Gelassenheit geschehen und ohne von vornherein die Mauern im Kopf hochzuziehen.

Und wer weiß – vielleicht trägt die aktuelle und sehr ernstzunehmende Corona-Krise mit ihren vielen bedauernswerten Todesopfern wenigstens zu diesen weiteren positiven Aspekten bei: dass viel mehr Menschen klar wird, dass adäquater Klimaschutz möglich ist, dass ein funktionierender Sozialstaat unverzichtbar ist oder aber, dass wir noch viel tun müssen, um auch in Zukunft vor Krisen wie diesen gewappnet zu sein und es keinesfalls hinnehmbar ist, wenn Demokratieverachter die misslichen Umstände ausnutzen, um ihre menschenverachtende Agenda durchzudrücken.

Denn so wichtig derzeit geltende Beschränkungen und Verbote auch sind – einmal erfochtene gesellschaftliche Errungenschaften dürfen nicht leichtfertig aus der Hand gegeben werden. Mit dem Primat der Wissenschaft innerhalb der Politik und der Besinnung auf die positiven Seiten bei gleichzeitig gezielter Verhinderung negativen Seiten, bleibt die allgemeine Glaubwürdigkeit demokratischer Institutionen wohl auch in den schwersten Krisen stärker erhalten. So können sämtliche Errungenschaften durch unser aller Zutun auch nach schwierigen Zeiten wieder zum Alltag gehören.

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